Lena Dunham im Oktober 2022 in Los Angeles.

Foto: EPA / CAROLINE BREHMAN

Egal ob beim Joggen oder beim Sex – Dunhams Körper war in der Serie nie ein großes Thema, gerade so, als ob es dem Ideal entsprechen würde.

Foto: HBO

Gut zehn Jahre ist es her, dass die US-amerikanische Serie "Girls" erschien. Lena Dunham porträtierte mit ihrer TV-Show zwischen 2012 und 2017 das Leben von Mittzwanziger:innen in New York. Ihre Freundschaften, ihren Sex, ihre Arbeit und – vor allem – ihre Suche nach Orientierung in einer immer komplexer werdenden Welt. Oder zumindest, was man damals – vor der Pandemie, dem Angriffskrieg auf die Ukraine, Klimakrise oder der US-Präsidentschaft von Donald Trump – für kompliziert hielt.

Somit könnte für die Serie vor allem eines gelten: aus der Zeit gefallen. Doch viele neu dazugekommene und auch ältere Fans der Serie sehen es offenbar anders. Auf Tiktok werden derzeit unzählige Ausschnitte der Serie geteilt – nostalgisch angehauchte Seufzer von Usern aus dem Hintergrund inklusive. Somit ist genau das der Grund für die Neuentdeckung von "Girls": gerade weil sie aus der Zeit gefallen zu sein scheint.

"Wenn wir uns derzeit die Nachrichten ansehen, geht es uns schlecht", sagt die Kulturwissenschafterin Elisabeth Lechner. In ihrer Dissertation, die überarbeitet auch als Buch erschienen ist ("Riot, don’t diet! Aufstand der widerspenstigen Körper", 2021), widmete sie sich unter anderem der Serie "Girls", vor allem in Bezug auf deren Körperpolitik. Angesichts der vielfältigen Krisen überrascht es Lechner nicht, dass Serien wie "Girls" – aber auch "Fleabag" oder "Gilmore Girls" – wieder angesehen werden. "Das gibt eine Form von Geborgenheit, von Sicherheit", sagt sie.

Damals hätten "Girls" vor allem viele gesehen, die im selben Alter wie die Protagonist:innen waren. Anfang zwanzig sei eine Zeit, in der man in vielerlei Hinsicht "eine eigene Identität entwickelt – gerade auch durch Abgrenzung", sagt Lechner. So wurde einerseits an der Serie laufend kritisiert, dass durch den weißen Cast viele ausgeschlossen werden. Andererseits habe man Beziehungen zu den Charakteren entwickelt.

Neu war an der Serie auch, dass sie erstmals eine breite Debatte über fehlende Diversität auslöste. Kritik daran übten marginalisierte Gruppen zwar schon früher, deutlich mehr Mitstreiter:innen konnten sie ab Anfang der 2010er-Jahre aber erstmals über soziale Medien gewinnen. Davor wurden laut Lechner Forderungen nach mehr Vielfalt an Serien viel weniger gehört.

Doch neben der durchaus lauten Kritik an fehlender Diversität war der Darstellung von weiblichen Körpern das positive Alleinstellungsmerkmal der Serie. "Sie hat dazu beigetragen, dass die Body-Positivity-Bewegung in den Mainstream gekommen ist", sagt Lechner. Tatsächlich ging die Serie über Body-Positivity sogar hinaus. Es sei gar nicht so sehr darum gegangen, dass Dunham ihren Körper als "auch schön" thematisiert habe oder große Umdeutungen von Schönheit vorgenommen worden wären, sagt Lechner. Dunham habe in der Serie vielmehr "Body-Neutrality" gezeigt. Sprich: Der Körper ist einfach da, hat seinen Nutzen. Man muss ihn demnach nicht ständig thematisieren. Und Dunhams Körper war da. In unzähligen Szenen war Lena Dunham nackt zu sehen. Doch ihr Körper, der nicht dem Ideal eines sehr schlanken und fitten Körpers entspricht, wurde fast nie thematisiert – sie hat ihn einfach.

Fett rein, Fett wieder raus

"In Sachen Body-Politics war diese Serie ihrer Zeit weit voraus", sagt Lechner. Anfang der 2010er-Jahre habe es viel mehr Plus-Size-Models gegeben und deutlich mehr Frauen in der Öffentlichkeit mit großem Busen und großen Hintern. Die kommerzielle Vereinnahmung folgte auf dem Fuß, etwa in Form des Brazilian-Butt-Lift-Trends, eines operativen Eingriffs, bei dem Eigenfett ins Gesäß implantiert wird.

Dass von der damals aufsehenerregenden unaufgeregten Darstellung eines Durchschnittskörpers allerdings nicht viel geblieben ist, zeigte auch die diesjährige Fashion Week Mitte Februar in New York. Dieses Jahr wurden nur 0,6 Prozent der 9.137 Outfits von sogenannten Plus-Size-Models präsentiert. Vanessa Friedmann, Moderedakteurin der "New York Times", beschrieb die Models dieser Fashion Week als "schockierend dünn". Auch Lechner beobachtet einen starken Gegentrend. Es brauche immer Neues, um Geld mit Schönheitsidealen zu verdienen, sagt sie, diese Ideale "müssen erreichbar scheinen, aber niemals erreichbar sein". Während des Brazilian-Butt-Lift-Trends wurde also Fett implantiert, das sich jetzt viele für Unsummen wieder absaugen lassen.

Für Lechner noch ein guter Grun für einen neuerlichen "Girls"-Konsum. "Das kann gerade helfen." (Beate Hausbichler, 20.4.2023)