Dass in Ryzen-7000-CPUs auch vier Jahre alte "Zen 2"-Architektur stecken kann, hat AMD-Chefin Lisa Su bei der Präsentation der neuen Generation auf der CES 2023 nicht verraten.

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"Je größer die Zahl, desto besser oder neuer": So lassen sich grob die Konventionen bei vielen Tech-Produkten umschreiben. Das iPhone 13 kann mehr als das iPhone 12, die Nvidia RTX 4080 ist flotter als das Modell 3080. Das gilt auch für Geräte, die zur gleichen "Generation" gehören. Um bei Grafikkarten zu bleiben: Die RTX 3050 ist der unteren Mittelklasse oder oberen Einsteigerklasse zuzuordnen und relativ erschwinglich, die RTX 3090 ist hingegen ein teures Stück High-End-Performance-Hardware. Die 3060, 3070 und 3080 decken ab, was dazwischen liegt.

Der Verlauf bei Preis und Leistung ist dabei zwar nicht streng linear, aber dennoch gut nachzuvollziehen. Verlassen sollte man sich darauf aber nicht. Denn immer wieder verstoßen Hersteller selbst gegen ihre eigenen Konventionen. Für Konsumenten kann das ärgerlich werden, wenn sie dann am Ende mit einem Produkt dastehen, das nicht erbringt, was seine Namensgebung versprochen hat. Chiphersteller sind da keine Ausnahme, wie ein aktuelles Beispiel anhand zweier AMD-Prozessoren zeigt, das mir im Rahmen meiner Suche nach einem neuen Laptop untergekommen ist. Freilich sind aber auch Nvidia, Intel und Co in dieser Hinsicht keine unschuldigen Lämmer.

Weil mein aktuelles Gerät mit Intels Core i5-8265U nebst Nvidia-MX150-Grafikeinheit langsam in die Jahre kommt, habe ich mich auf die Suche nach einem aktuellen Ersatz im unteren Mittelklassesegment begeben. Office, Casual Games und vielleicht ein wenig Videoschnitt zu einem erschwinglichen Preis waren der Anspruch.

Too good to be true

Bei meiner Recherche stieß ich auf recht günstig anmutende Laptops mit dem Ryzen 7520U. Für rund 600 Euro einen mobilen Rechner mit AMDs neuester Prozessorgeneration zu bekommen erschien mir verlockend. Ich hätte die genauen Prozessorspezifikationen zwar ohnehin nachgeschlagen, allerdings erweckten auch weitere Suchergebnisse mein Interesse.

Denn zu finden sind auch Laptops mit einem Ryzen 7530U, die bei ansonsten vergleichbarer bis identischer Ausstattung einen saftigen Aufpreis von 150 Euro oder mehr mitbringen. Das erscheint gemäß den gängigen Benennungsmustern unlogisch, legt doch der Sprung bei der "Zehnerstelle" des Namens nahe, dass es sich bloß um eine geringfügig bessere Variante des gleichen Chips handelt. Üblicherweise geht es hier um Dinge wie einen minimal höheren Basis- oder Turbotakt der Rechenkerne mit in der Praxis nicht merkbaren Auswirkungen.

Weit gefehlt. Ein Blick auf Spezifikationen und verfügbare Benchmarks entlarvt den 7520U als – man kann es schwer anders formulieren – Mogelpackung. Aber auch der 7530U ist strenggenommen nicht ganz ehrlich benannt und zeigt ein bei AMDs Mobilplattformen schon länger übliches Muster intransparenter Namensgebung auf.

Ryzen 7000 ist nicht gleich Ryzen 7000

AMDs neueste, diesen Jänner vorgestellte Prozessorarchitektur trägt den Namen "Zen 4" und umfasst im Desktop-Bereich die Ryzen-7000-Modelle, deren Palette aktuell (Mitte April) vom Ryzen 7600 bis zum Ryzen 7950X3D reicht. Wer nun Laptops mit einem mobilen Ryzen-7000-Chip sieht und "Zen 4" erwartet, könnte allerdings schnell enttäuscht werden.

Denn aktuell basieren fast alle Chips, die die Kennung "HS" oder "HX" im Modellnamen tragen, auf Zen 4. So etwa der 7640HS. Nicht jedoch der 7735HS. Das ist zumindest auf den ersten Blick verwirrend, nicht nur aufgrund der eigentlich "höheren" Modellbezifferung.

"Neuer" Chip mit vier Jahre alter Architektur

Falls das noch nicht kompliziert genug war: Auch bei den mit U gekennzeichneten Varianten gibt es keine Einheitlichkeit. Was mich zurück zu meiner Laptop-Suche führt. Der Ryzen 7530U ist eine Sechskern-CPU und setzt auf Zen 3 von 2020 auf, hat also keinen DDR5-Support und muss sich auch mit einer älteren integrierten Grafikeinheit in Form der Vega 7 begnügen.

Einigermaßen absurd wird es schließlich mit dem 7520U. Hier findet sich nämlich unter dem Beinamen "Mendocino" ein Quadcore-Chip auf Basis von Zen 2 (2019), dem allerdings eine RDNA2-Grafikeinheit (RX 610M) nebst DDR5-Support spendiert wurden. Theoretisch erkennbar ist das an AMDs Benennungsschema, das an vorletzter Stelle die Prozessorarchitektur beziffert – allerdings wird auch das nicht immer konsistent durchgezogen. Dem durchschnittlichen Konsumenten sollte auch nicht zugemutet werden, dieses Schema zu kennen.

Verwirrende Namensgebung und Architektur-Wildwuchs sind schön und gut, doch was heißt das in der Praxis? Die ältere Architektur bringt trotz der Upgrades klare Leistungsunterschiede mit. Viele Benchmarks liegen zwar noch nicht vor, jedoch dürfte der 7520U sich eher mit der unteren Mittelklasse der 2020 veröffentlichten Ryzen-4000-Serie für Laptops messen denn mit aktueller Hardware.

CPUMark bescheinigt dem 7530U im Schnitt ein um 60 Prozent besseres Ergebnis, wobei dieser Wert aufgrund der geringen Zahl an bisher hochgeladenen Resultaten mit Vorsicht zu genießen ist und synthetische Tests auch nur begrenzte Aussagekraft für die Alltagsperformance haben. Es legt dennoch nahe, dass man bei der Nutzung eines Laptops mit Ryzen 7520U mit längeren Ladezeiten rechnen muss und deutlich schneller an die Grenzen des sinnvoll Machbaren gerät.

Labyrinth des Wahnsinns

Das wäre auch die naheliegendste Erklärung dafür, warum es trotz des kleinen Sprungs im Modellnamen einen erheblichen Preisunterschied gibt. Der ist aber nicht immer offensichtlich, weil Laptops aufgrund ihrer zahlreichen unterschiedlich konfigurierbaren Komponenten trotz gleichen Prozessors in einer sehr großen Preisspanne erhältlich sind.

Wer sich, wie ein Tech-Journalist, gerne in die Details hineinfuchst, der kann dieser intransparenten Benennung auf die Schliche kommen. Wer sich nur oberflächlich interessiert und dementsprechend stärker an den Modellnummern orientiert, läuft Gefahr, sich einen Einsteiger-Laptop zu holen, von dem man eigentlich moderne Mittelklasse erwartet hatte. Für technisch unbedarfte Konsumenten dürften die Benennungen ohnehin ein kaum zu überwindender Irrgarten sein.

Es spricht nichts dagegen, dass Hersteller ältere Hardware aufmotzen und weiter vermarkten. Auch eine Frankenstein-Kreation wie der Ryzen 7520U hat ihre Daseinsberechtigung, wenn es um schlanke Laptops für Office-Arbeiten, Websurfen und Videostreaming geht. Doch AMD und Co sollten damit aufhören, ihre Kundschaft mit irreführender Namensgebung zu Fehlkäufen zu verleiten. (Georg Pichler, 3.5.2023)

Update, 13:15 Uhr: Beim Ryzen 7735HS handelt es sich um eine CPU auf Zen 3+-Basis, nicht Zen 4. Dies wurde korrigiert und der entsprechende Absatz und damit zusammenhängende Textteile angepasst.