Die Tiroler Malerin Susanne Liner mit dem von ihr gestalteten Bild, das manche zu sehr an Nazi-Ikonografie erinnert.

Foto: Zillertal Bier / Franz Oss

Zum Vergleich Porträt des Nazi-Künstlers Wolfgang Willrich: Melancholischer Blick, Dirndl und blondes Haar vor alpinem Hintergrund.

Foto: public domain

Ein blondes, blauäugiges Mädchen in Zillertaler Tracht posiert mit ernstem Blick vor mächtiger Gebirgskulisse, vom unteren Bildrand her schiebt sich eine urbane Fassade ins Bild: So wirbt das Zillertaler Gauderfest, das traditionell am ersten Wochenende im Mai stattfindet, für seine diesjährige Ausgabe.

Die Plakatsujets für das laut Eigendefinition "größte und wichtigste Frühlings- und Trachtenfest Österreichs", zu dem sich scharenweise Prominenz aus Politik und Wirtschaft einfindet, werden von Künstlerinnen und Künstlern entworfen, das aktuelle stammt von der in Schwaz beheimateten Malerin Susanne Liner. Und es sorgt für gewaltige Irritationen: Volkskundlerin und Autorin Elsbeth Wallnöfer sieht darin etwa eine "salonfähig" gemachte "Nazi-Ikonografie", die Darstellung rekurriere "auf die Ästhetik der 1940er-Jahre" und die "typischen Trachtenmädchen" von Gertrud Pesendorfer.

"Tradition, Geschichte als Zeugenschaft"

Pesendorfer war als Leiterin der NS-Mittelstelle Deutsche Tracht im Tiroler Volkskunstmuseum die zentrale Akteurin der im Dienst des Nationalsozialismus betriebenen Trachtenerneuerung und setzte ihre Karriere nach 1945 nahtlos fort. Ihr Wirken und die Volkskultur in der NS-Zeit wurden zuletzt eingehend erforscht, begleitet auch von Debatten über die gegenwärtige Rolle der Volkskultur als Beiwerk politisch-patriotischer Inszenierungen.

"Bei einem Fest, das den Anspruch erhebt, identitätspolitisch wichtig zu sein – schließlich bemüht man Begriffe wie Tradition, Geschichte als Zeugenschaft – muss man fragen, ob eine Motivik, die an im Nationalsozialismus aufgekommene Sujets anknüpft, zeitgemäß ist", sagt Wallnöfer. "Das blonde, blauäugige, zopfige Mädchen mit den schönen Ohrringen in sittsam gezähmt erotischer Manier. Das sauber aufgeräumte Mädchen, das es nicht gibt, weil es eigentlich einem politisch-rassischen Ideal entspringt."

Liner sagt dem STANDARD, sie habe dem im Gauderfest "verwurzelten Heimatbewusstsein" mit ihrer Darstellung auch Fragen zur Verantwortung für die Zukunft und der Verbauung der Landschaft einschreiben wollen. Das Sujet sei nicht heroisierend, es wirke vielmehr zwiespältig, betont auch Kunsthistoriker Günther Dankl, der mit der Auswahl der Motive betraut ist.

Keine Einmischung

Präsentiert wurde das Plakat Ende Februar im Landesmuseum Ferdinandeum, weshalb sich Wallnöfers Protest auch an Museumsleitung und Landesregierung richtet. Man sei hier nur Gastgeber gewesen, so Museumschef Karl Berger. Liners Motiv habe ihn durchaus "überrascht", die Erläuterungen der Künstlerin fände er aber überzeugend. Aus dem Büro von Tirols Landeshauptmann Anton Mattle (VP) heißt es, man wolle sich "nicht in die künstlerische Freiheit einmischen" oder an "Debatten über Plakate beteiligen". Mattle freue sich aber auf das Gauderfest, sagt ein Sprecher.

Dessen Ursprünge reichen bis ins 15. Jahrhundert zurück, heute wird es von Zillertal Bier, der Freizeit-Arena Zillertal und dem hiesige TVB in Kooperation mit dem Landestrachtenverband veranstaltet. Offizielles Statement der Brauerei lautet: Man bemühe sich, "das Gauderfest als wichtiges Kunst- und Kulturgut zu würdigen und dem Anspruch als immaterielles Kulturerbe der Unesco gerecht zu werden". (Ivona Jelcic, 20.4.2023)