Nie ganz in Schwarz: Kurator Günther Oberhollenzer ist bekannt für seine bunten Hemden.
Foto: Irina Pozdorovkina

Folgt man Günther Oberhollenzer auf Instagram, könnte man glauben, er besucht mehrmals die Woche einen anderen kulturellen Event. Er eröffnet Ausstellungen, diskutiert auf Podien und besucht Jubiläumsfeste. Sehr schnell kann er sich für Dinge im Kunstbereich begeistern, nur schwer Nein sagen, gibt er zu. Nur um gesehen zu werden, besucht er die Veranstaltungen nicht, sondern in seiner Funktion als Kurator und künstlerischer Leiter.

Seit Herbst 2022 ist der 1976 geborene Südtiroler künstlerischer Leiter des Künstlerhauses Wien. Nach Tim Voss – der nur kurzfristig von 2018 bis 2020 im Amt war – ist Oberhollenzer der Zweite in der Funktion. Erstmals steht der 1861 gegründeten Künstlerhaus-Vereinigung, die heute aus etwa 500 Mitgliedern besteht, eine leitende Person vor. Längst überfällig, meint Oberhollenzer.

"Es braucht ein Gegenüber für das Publikum, den Subventionsgeber, die Presse und die anderen Kunsteinrichtungen der Stadt", erklärt er. Dies sei ein wichtiger Punkt für ein neues Selbstbewusstsein der Einrichtung, das er aufbauen möchte. "Eine Person muss für das inhaltliche Programm verantwortlich sein. Das werde ich tun, dafür wurde ich bestellt", sagt er.

Ritter der Sichtbarkeit

Für eine derartige Professionalisierung scheint es höchste Zeit. Zwar ist das Künstlerhaus am Wiener Karlsplatz, das nach der Renovierung von Hans Peter Haselsteiner 2020 die Albertina Modern und die Künstlerhaus-Vereinigung in der oberen Etage beherbergt, ein prominent gelegenes, modernes Haus. An Sichtbarkeit fehlt es der Institution dennoch. "Lange Zeit hatte das Künstlerhaus Imageprobleme", sagt Oberhollenzer. "In den vergangenen Jahren und Monaten hat sich aber vieles zum Positiven gewandelt."

Wofür das Künstlerhaus inhaltlich genau steht, war dennoch zuletzt recht unklar. Oberhollenzer, der jahrelang als Kurator am Essl-Museum sowie an der Landesgalerie Niederösterreich in Krems tätig war und Ausstellungen wie Spuren und Masken der Flucht konzipierte, möchte einen roten Faden hineinbringen und bestehende Formate behalten, aber besser aufstellen.

Natürlich sei diese Situation für die Vereinigung noch neu, er sieht sich selbst aber als Kommunikator und nicht als Typ, der auf den Tisch haut, sagt Oberhollenzer. Dieses Feingefühl wird er auch brauchen, um einerseits die Interessen der Mitglieder abzubilden und andererseits ein spannendes Ausstellungsprogramm zu präsentieren.

Darüber hinaus gilt es, das Künstlerhaus als attraktives Angebot neben der Albertina Modern zu behaupten. Außer dem bestehenden Kombiticket mangelt es bisher an einer für das Publikum übersichtlichen Aufstellung der beiden Institutionen. Oberhollenzer zeigt sich offen für einen Dialog.

"Lange Zeit hatte das Künstlerhaus Imageprobleme", sagt Günther Oberhollenzer. "In den vergangenen Jahren und Monaten hat sich aber vieles zum Positiven gewandelt."
Foto: Leopold Nekula / VIENNAERPORT

Statements fürs Publikum

Ein erster Blick in die für Herbst 2023 und 2024 geplanten Projekte stimmt durchaus optimistisch. In publikumswirksamen Themenausstellungen möchte der 46-Jährige zeitgenössische Kunst aus Wien und Österreich ausstellen. Internationale Einsprengsel werden sich darin auch finden, primär sieht er das Künstlerhaus aber als Bühne für lokale Positionen.

So auch in der Gruppenschau Systemrelevant, die im Oktober eröffnen wird. Positionen wie Alfredo Barsuglia, Xenia Lesniewski oder der Schmusechor treffen auf unbekannte sowie internationale Namen wie Małgorzata Mirga-Tas, die 2021 den polnischen Pavillon auf der Venedig-Biennale mit ihren beeindruckenden Tapisserien befüllte. Er ist der Überzeugung, dass Ausstellungen gesellschaftskritisch und gleichzeitig ästhetisch sein können.

Kunst vom Sockel holen

Mit der von Kunstkritikerin Nina Schedlmayer kuratierten Schau Auf den Schultern von Riesinnen soll im Frühjahr 2024 ein feministisches Statement gesetzt werden. Anschließend folgt die jährliche, thematische Mitgliederausstellung, die keine "Selbstbeweihräucherung" sein soll, so der künstlerische Leiter.

Oberhollenzers leidenschaftlicher Zugang könnte belächelt werden – oder ein erfrischendes Gegenmodell zur oft verkopften Ausstellungspolitik bieten. Er betont, dass er Kunst lebensnah und zugänglich zeigen möchte, ohne banal zu werden. "Es geht auf keinen Fall um eine Nivellierung von Kunst, ich möchte sie aber vom Sockel holen."

Die Erwartungen sind hoch. (Katharina Rustler, 21.4.2023)