Auch Fadenwürmer reagieren auf Cannabis. Und sie neigen zu ähnlichen Reaktionen wie ihre sehr fernen menschlichen Verwandten. Eine Gruppe um den Neurologen Shawn Lockery von der US-amerikanischen Universität von Oregon badete Würmer der Spezies Caenorhabditis elegans in einer Lösung mit Endocannabinoiden. Das sind körpereigene Substanzen, die dem Cannabis aus Hanfpflanzen ähneln.

Im Fachjournal "Current Biology" berichtet die Gruppe nun, wie sich das Bad in der psychoaktiven Substanz auf ihr Fressverhalten auswirkt. Dabei zeigte sich, dass die Tiere, ähnlich wie Menschen, ein verändertes Fressverhalten aufwiesen. Sie neigten stärker zu nahrhafterem Futter und fraßen länger.

Bei diesem gentechnisch veränderten Fadenwurm leuchten die Neuronen, die empfindlich für Cannabis sind, grün.
Foto: Stacy Levichev(CC BY-SA)

Um zu untersuchen, welche Bedeutung das für den Menschen haben könnte, wiederholte das Team das Experiment mit gentechnisch veränderten Würmern, die mit menschlichen Cannabinoidrezeptoren ausgestattet waren. Diese Würmer verhielten sich auf die gleiche Weise. Der Effekt hat laut den Forschenden mit einem der wichtigsten Geruchsneuronen zum Aufspüren von Nahrung zu tun. Würmer, die Cannabinoide verabreicht bekamen, reagierten sensibler auf Gerüche von nahrhaftem Fressen.

Überraschender Fund bei Würmern

Bereits früher hatten Studien gezeigt, dass Cannabinoide nicht nur beim Menschen, sondern auch bei anderen Wirbeltieren eine Art Lustgefühl auslösen. Von Würmern wusste man das noch nicht.

Die Idee, die Reaktion von Fadenwürmern auf Cannabis zu untersuchen, habe man spontan ausprobiert, sagt der Neurowissenschafter Shawn Lockery von der Universität von Oregon in Eugene, der die Forschung leitete, gegenüber dem Journal "Nature". Doch man sei überrascht gewesen, denselben Effekt zu finden wie beim Menschen.

"Wir wussten zwar, dass Neurotransmitter uralt sind und sich über lange Zeit erhalten haben", sagt Co-Autor Kent Berridge, ein Neurowissenschafter von der Universität Michigan. "Aber dass sie auch die Funktion haben, das Fressverhalten zu fördern, in diesem Fall vor allem im Hinblick auf nährstoffreiche Lebensmittel, das ist bemerkenswert."

Ein Labyrinth für Würmer. Die hochwertigere Nahrung befindet sich auf der linken Seite.
Nature Picture Research

Lockery witzelt, dass die Menschheit also schon seit hunderten Millionen Jahren in gewissem Sinn Marihuana im Kopf habe. Tatsächlich binden die Cannabinoidmoleküle aus Hanfpflanzen an dieselben Rezeptoren wie die körpereigenen Endocannabinoide. Sie haben im Hirn und in anderen Gewebeformen wichtige Funktionen zur Regulation von Hunger, Schlaf, Gedächtnis und Angst.

Caenorhabditis elegans ist ein wichtiger Modellorganismus für die Forschung. Er ist etwa 1,5 Millimeter lang, besteht aus rund 1000 Zellen und hat eine Lebenserwartung von etwa zwei Wochen. Seine Gene weisen einige starke Parallelen zum Genom von Wirbeltieren auf, die sie für die Forschung interessant machen. Da der Wurm durchsichtig ist, eignet er sich gut für den Einsatz von fluoreszierenden Proteinen, um bestimmte Mechanismen im Inneren sichtbar zu machen. Seit den 1980er-Jahren ist übrigens das Nervensystem von C. elegans vollständig beschrieben. Es besteht aus exakt 302 Neuronen, deren Verbindungen genau bekannt sind.

Bedeutung für die Erforschung von Cannabiskonsum

Die Forschenden betonen, dass es so leichter möglich sein werde, die Folgen von Cannabiskonsum zu untersuchen. "Früher war es wirklich schwierig, diese Verbindungen zu studieren", sagt die an dem Projekt beteiligte Neurologin Anne Hart. Sie erwartet, in den kommenden Jahren von Fadenwürmern viele neue Dinge zu lernen.

In Oregon, wo Lockery arbeitet, wurde Cannabis 2015 für den privaten Konsum freigegeben. Die Freigabe in vielen Ländern mache die Erforschung der Folgen des Cannabiskonsums umso wichtiger. "Je mehr wir auf grundlegender Ebene über die Drogenphysiologie wissen, desto gesünder wird unsere Gesellschaft letztendlich sein", sagt Lockery. (Reinhard Kleindl, 23.4.2023)