Wäre das Thema nicht so furchtbar ernst, dann müsste man gelegentlich fast lachen angesichts der politischen Verrenkungen der italienischen Rechtsregierung im Hinblick auf den 25. April. Zum Beispiel auch am vergangenen Donnerstag, als im Parlament eine Debatte über die Bedeutung dieses zweiten Nationalfeiertags neben dem Tag der Republik am 2. Juni stattfand: Die Regierungskoalition aus den Fratelli d'Italia von Giorgia Meloni, der Lega von Matteo Salvini und der Forza Italia von Silvio Berlusconi präsentierte eine Resolution, in welcher "jeglicher Totalitarismus" verurteilt wird und die Errungenschaften der heutigen liberalen Demokratie gepriesen werden. So weit, so gut – aber fehlte da nicht etwas?

Giorgia Meloni hat ein Problem.
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In der Resolution fehlte etwas durchaus Entscheidendes, nämlich das Wort "Antifaschismus". Denn in Italien wird am 25. April genau das gefeiert: der Sieg der antifaschistischen Partisanen und der Alliierten über die Faschisten Mussolinis und die mit ihnen verbündeten deutschen Nazi-Besatzer. Das Fehlen des ominösen Wortes war natürlich kein Zufall: Es liegt in der Natur der Sache, dass Regierungschefin Giorgia Meloni und ihre postfaschistische Partei Fratelli d'Italia am Tag der Befreiung vom Nazifaschismus, der "Liberazione", wenig zu feiern haben. Weil sich die Linke weigerte, der unvollständigen Resolution der Regierungskoalition zuzustimmen, endete die Parlamentsdebatte, in welcher sich die Parteien eigentlich über die Verurteilung des Faschismus hätten verständigen sollen, einmal mehr in Streit und Tumult.

Bürgerkrieg lebt weiter

Sie habe "keine Sympathie für totalitäre Regimes", hat Giorgia Meloni kürzlich in einem Interview erklärt. Das ist glaubwürdig: Die italienische Regierungschefin ist keine Faschistin, und sie wünscht sich – wie auch die meisten ihrer Parteifreunde – die Diktatur nicht zurück. Aber die von ihr gegründete Partei hat ihre ideologischen Wurzeln nun einmal in dem von Duce-Anhängern nach dem Krieg gegründeten Movimento Sociale Italiano (MSI); Meloni hat ihre gesamte politische Karriere in diesem Dunstkreis verbracht. Und deshalb bringt sie das Wort "Antifaschismus" einfach nicht über ihre Lippen. Hinzu kommt: Der Befreiungskrieg war zugleich ein gnadenlos geführter Bürgerkrieg gewesen, faschistische Italiener kämpften gegen antifaschistische Italiener. Und dieser Bürgerkrieg lebt in den Köpfen vieler bis heute weiter. Auch im Kopf von Giorgia Meloni.

Letztlich ist der 25. April in Italien 78 Jahre nach Kriegsende eine "festa divisiva" geblieben, ein Feiertag, der das Land mehr teilt, statt es zu einen. Das liegt in erster Linie daran, dass die Rechte die jüngere Geschichte des eigenen Landes nie wirklich aufgearbeitet hat und die Verbrechen des Mussolini-Regimes bis heute verharmlost. Auch in der obligatorischen Schulzeit wird der Faschismus nur am Rande behandelt. Einer Versöhnung im Wege steht aber auch, dass die Linksparteien die Resistenza von Anfang an für sich vereinnahmt haben, obwohl in den Reihen der Partisanen nicht nur Kommunisten und Sozialisten, sondern auch Liberale, Republikaner, Konservative und Monarchisten gekämpft hatten. Dieser moralische Überlegenheitskomplex der Linken ist nur schwer erträglich.

Befreiender Wahlsieg

Für die postfaschistische Rechte, die sich von der Linken immer in die politische Schmuddelecke gedrängt fühlte, wirkte der Wahlsieg im letzten Herbst wie eine Befreiung. Und auch wie eine Einladung, die unbequeme Geschichte umzuschreiben und umzudeuten. Auch höchste politische Amtsträger sind nicht gefeit vor dieser Versuchung. So hat Giorgia Meloni unlängst erklärt, dass bei einer Vergeltungsaktion der deutschen Besatzer im März 1944 in Rom "335 unschuldige Italiener niedergemetzelt wurden, nur weil sie Italiener waren". Das ist natürlich Unfug: Die Opfer waren nicht massakriert worden, weil sie Italiener, sondern weil sie Antifaschisten oder Juden waren. Was Meloni ebenfalls unerwähnt ließ: Die italienischen Faschisten und Kollaborateure hatten den Nazis dabei geholfen, die Opfer auszuwählen.

Ein wiederkehrendes und zentrales Muster der Geschichtsklitterer besteht darin, Faschisten und Partisanen moralisch auf die gleiche Ebene zu stellen. Senatspräsident Ignazio La Russa, ein bekennender Duce-Nostalgiker und Parteifreund Melonis, betonte in diesen Tagen, dass die jungen Soldaten von Mussolinis letztem Aufgebot genauso für ihre Ideale und für das Vaterland gekämpft hätten wie die Partisanen. "Und die kommunistischen Partisanen wollten in Italien eine Diktatur errichten wie Stalin in Russland!", fügte La Russa empört hinzu. Ins gleiche Horn bliesen die Vertreter der Rechtskoalition auch in der Parlamentsdebatte vom Donnerstag: Wenn die Linke eine Verurteilung des Faschismus verlange, dann müsse sie bereit sein, auch die Verbrechen des Kommunismus anzuerkennen.

Richtige und falsche Seite

Was dabei beharrlich vergessen wird: In Italien gab es nun einmal ein faschistisches und kein kommunistisches Regime. "Wir haben keine Mühe damit, die sowjetischen Gulags und die Massaker Stalins zu verurteilen", erklärte der Sozialdemokrat Walter Verini am Donnerstag im Parlament. "Aber dass wir heute in diesem Saal sind, haben wir den antifaschistischen – auch den kommunistischen – Partisanen zu verdanken, die das Land befreit haben." Beppe Fenoglio, ein monarchistisch gesinnter Widerstandskämpfer, hatte den Unterschied vor vielen Jahren treffend mit folgenden Worten auf den Punkt gebracht: "Im Krieg hat es auf beiden Seiten gute und schlechte Menschen gegeben. Das ändert aber nichts daran, dass die einen auf der richtigen und die anderen auf der falschen Seite standen." Das wollen in Italien, leider, noch immer viele nicht einsehen, auch am Kabinettstisch. (Dominik Straub aus Rom, 24.4.2023)