Britische Staatsangehörige werden nachts evakuiert.

Foto: Mark Johnson/UK MOD/Pool via REUTERS

Khartum – Die beiden Konfliktparteien im Sudan haben am Donnerstag eine Verlängerung ihrer Feuerpause angekündigt. Die Armee und die paramilitärische Gruppe Rapid Support Forces (RSF) gaben eine Fortsetzung um 72 Stunden ab Mitternacht bekannt. Die Waffenruhe war von den USA und Saudi-Arabien vermittelt worden. Die Kämpfe waren am 15. April ausgebrochen im Zuge eines Machtkampfes zwischen der Armee und der RSF-Miliz. Seitdem wurden mindestens 512 Menschen getötet.

Der UN-Sondergesandte Volker Perthes kündigte am Donnerstag Gespräche über eine Verlängerung der Waffenruhe um weitere 72 Stunden an. Der BBC sagte Perthes, die sudanesischen Streitkräfte hätten Verhandlungen in der südsudanesischen Hauptstadt Juba zugestimmt. Eine Reaktion der rivalisierenden Rapid Support Forces (RSF) stünde zwar noch aus; Perthes zeigte sich jedoch bezüglich einer Teilnahme der RSF an den Verhandlungen zuversichtlich.

Zehn Tage Bürgerkrieg

Seit rund zehn Tagen kämpfen die Armee des Landes im Nordosten Afrikas und die einst mit ihr verbündete RSF um die Macht. Eine brüchige, 72-stündige Waffenruhe läuft am Donnerstagabend aus. "Burhan dankt der IGAD", teilte die sudanesische Armee mit Blick auf den Vorstoß des nordostafrikanischen Regionalverbunds mit. Er sieht vor, dass sowohl ein Abgesandter der Armee als auch der Miliz RSF an den Gesprächen in Juba im benachbarten Südsudan teilnehmen.

Auch die USA und die Afrikanische Union (AU) wollen vermitteln. Nach Angaben des US-Außenministeriums bemühen sich Außenminister Antony Blinken und der Vorsitzende der AU-Kommission, Moussa Faki Mahamat, gemeinsam um ein dauerhaftes Ende der Kämpfe.

Vereinigtes Königreich mahnt zur Ausreise

Angesichts der anhaltenden Gewalt im Sudan plant die Organisation Ärzte ohne Grenzen eine Ausweitung der Hilfe. Notfallteams stünden bereit, in das umkämpfte Land am Horn Afrikas zu reisen, teilte die Organisation mit. Man stehe in engem Kontakt mit Krankenhäusern sowie sudanesischen Gesundheitsbehörden. Trotz einer Waffenruhe kam es auch in der Nacht zu Donnerstag in Teilen des Landes erneut zu Gefechten.

Das Vereinigte Königreich rief am Donnerstag seine Staatsangehörigen dazu auf, umgehend zu versuchen, Plätze in letzten britischen Evakuierungsflügen zu bekommen. "Jetzt ist es an der Zeit zu handeln, denn wenn die Waffenruhe endet, kann ich die begrenzte Zusicherung, die ich jetzt geben kann, nicht mehr geben, und wir könnten nicht in der Lage sein, zu evakuieren", sagte Außenminister James Cleverly dem Fernsehsender Sky News. Das französische Außenministerium teilte mit, es seien insgesamt 936 Menschen aus dem Sudan gebracht worden, darunter auch Nichtfranzosen.

Noch ein Dutzend Österreicher vor Ort

Angesichts der eskalierenden Gewalt bemühen sich seit dem Wochenende zahlreiche Länder um Evakuierungsaktionen für ihre Staatsangehörigen. Frankreich evakuierte 398 Menschen per Schiff. Darunter befanden sich neben fünf Franzosen auch Menschen aus insgesamt 50 Nationen, teilte das Außenministerium in Paris am Donnerstag mit. Eine Fregatte der Marine brachte die Menschen von der Hafenstadt Port Sudan nach Jeddah in Saudi-Arabien. Seit dem Start der Evakuierungseinsätze habe die französische Armee 936 Menschen aus dem Sudan herausgeholt, darunter 214 Franzosen. Auch mehr als 1.300 chinesische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger sind in Sicherheit gebracht worden. Wie die Außenamtssprecherin Mao Ning am Donnerstag vor Journalisten in Peking sagte, habe ein Teil den Sudan bereits an Bord chinesischer Marineschiffe verlassen.

Die deutsche Bundeswehr schloss bereits in der Nacht zu Mittwoch ihre am Sonntag begonnene Evakuierung ab. Bei der noch laufenden Rückverlegung aus dem Sudan nahm die Bundeswehr weitere 65 Menschen nach Jordanien mit. Insgesamt seien damit im Rahmen des Evakuierungseinsatzes rund 780 Menschen aus über 40 Nationen aus dem Sudan ausgeflogen worden, darunter 230 deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, teilte das Einsatzführungskommando am Donnerstag mit.

Auch zahlreiche Österreicherinnen und Österreicher hatte die Bundeswehr mitgenommen. Andere Österreicher konnten an Bord eines niederländischen Evakuierungsflugs das Land verlassen. Rund ein Dutzend Österreicherinnen und Österreicher befinden sich laut Außenministerium noch im Sudan, wobei etwa die Hälfte davon nicht das Land verlassen möchte, wie das Außenministerium am Donnerstag mitteilte. Auf den aktuell noch geplanten Evakuierungsflügen seien für ausreisewillige österreichische Staatsbürger weiterhin Kapazitäten zugesagt und vorhanden, hieß es.

Mindestens 512 Tote seit Beginn der Kämpfe

Die auch auf Druck westlicher Staaten durchgesetzte Feuerpause sollte vor allem dazu dienen, Ausländerinnen und Ausländer aus dem Sudan zu holen. Trotzdem lieferten sich Armee und RSF an verschiedenen Orten Gefechte. Einige der schwersten Kämpfe fanden am Mittwoch in Omdurman statt, einer an die Hauptstadt Khartum angrenzenden Stadt. Bis in den Abend hinein waren schweres Geschützfeuer und Luftangriffe zu hören, berichtete ein Reuters-Reporter. In Khartum, das zusammen mit zwei angrenzenden Städten eines der größten Ballungsgebiete Afrikas ist, zogen marodierende Banden umher, vielerorts kam es zu Plünderungen.

Seit dem Ausbruch der Kämpfe am 15. April wurden mindestens 512 Menschen getötet, fast 4.200 verwundet und Krankenhäuser zerstört. Die Verteilung von Lebensmitteln in dem riesigen Land ist eingeschränkt. Ein Drittel der 46 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner ist jedoch auf humanitäre Hilfe angewiesen.

Sorge vor Gewalteskalation in West-Darfur

Zudem drohen weitere gewalttätige Zusammenstöße in dem Krisenland. Im Bundesstaat West-Darfur sei ein ethnischer Konflikt entbrannt, teilte die sudanesische Armee am Donnerstag mit. Berichten zufolge soll es zu Gewalt zwischen den afrikanischstämmigen Masalit sowie arabischstämmigen Gruppen gekommen sein.

Bereits am Mittwoch hatte auch der UN-Sondergesandte im Sudan, Volker Perthes, vor Plünderungen, Übergriffen auf Zivilisten sowie Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Volksgruppen in West-Darfur gewarnt.

Der Bundesstaat West-Darfur liegt im äußersten Westen des Sudans an der Grenze zum Tschad. Seit Jahrzehnten gibt es in der gesamten Region Darfur immer wieder schwere ethnische Konflikte. (APA, red, 27.4.2023)