Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan soll gesundheitliche Probleme haben. Wie ernst sie sind, darüber wird diskutiert.

Wien – Nach Berichten verschiedener englischsprachiger Medien, unter anderem des "Economist", ist der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan am Mittwochabend mit Verdacht auf einen Herzinfarkt in ein Krankenhaus eingeliefert worden. Obwohl diese Berichte offiziell dementiert wurden und Erdoğan angeblich nur leicht erkrankt ist, musste er eine wichtige Wahlkampfveranstaltung am Donnerstag am zukünftigen Atomkraftwerk Akkuyu absagen. Stattdessen wurde er per Video zugeschaltet. Da das AKW von einem russischen Staatskonzern gebaut wird, gab es auch eine Video-Live Schalte nach Moskau zum russischen Präsidenten Wladimir Putin.

VIDEO: Ab Donnerstag darf die drei Millionen Menschen zählende türkische Diaspora ihre Stimmen abgeben. In der alten Heimat musste Amtsinhaber Recep Tayyip Erdoğan nun einen Tag pausieren.
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Schon am Dienstagabend war Erdoğan bei einem Live-Interview im Fernsehen zusammengeklappt. Das Interview wurde unterbrochen und konnte erst nach einer halben Stunde pro forma zu Ende gebracht werden. Nach diesem Zusammenbruch im Studio ließ Erdoğan erklären, er hätte mehrere harte Tage hinter sich gehabt und leide an einer Magen-Darm Infektion. Auf Anraten seiner Ärzte würde er für den Mittwoch alle Termine absagen und sich zu Hause ausruhen, hieß es zunächst. In weniger als drei Wochen, am 14. Mai, werden die Präsidentschaftswahlen stattfinden.

Viele Gerüchte

Am Mittwochabend überschlugen sich dann die Gerüchte. Erdoğan sei während des Besuchs eines hochrangigen russischen Beamten erneut zusammengebrochen und sofort ins Krankenhaus gebracht worden. Auch Putin sei alarmiert. Der Zustand Erdoğans sei nicht gut.

Diese Nachrichten aus den sozialen Medien in der Türkei und englischen und russischen Medien wurden von İbrahim Kalın, einem engen Berater von Erdoğan, sofort dementiert. Der Präsident habe Magenbeschwerden und eine Erkältung aber sonst gehe es ihm gut. Auch Erdoğans Kommunikationschef Fahrettin Altun wies die Berichte über den angeblichen Herzinfarkt als haltlose Spekulationen ausländischer Medien zurück. Am Donnerstag sagte Gesundheitsminister İbrahim Koca, er habe Erdoğan gesehen und könne bestätigen, dass dieser auf dem Weg der Besserung sei. "Die Folgen seiner Magen-Darm-Entzündung klingen ab", erklärte er.

Kleine Unpässlichkeit

Offiziell hat Erdoğan wegen seiner "Unpässlichkeit" aber nun erst einmal alle Wahlkampfaufritte abseits der Videoschalte bis auf weiteres absagen lassen. Es heißt, er werde noch bis Mitte der kommenden Woche nicht mehr auftreten.

Der Wahlkampf für die Präsidentschaft – und die Parlamentswahlen am 14. Mai geht gerade in seine heiße Phase. Ein längerer krankheitsbedingter Ausfall des Präsidenten gerade jetzt wäre für das Regierungslager eine ziemliche Katastrophe. Erdoğan steht sowieso schon massiv unter Druck. In den Umfragen führt sein Konkurrent der Kandidat Opposition, Kemal Kılıçdaroğlu, in fast allen Umfragen mit mehreren Prozentpunkten.

Zuerst die Wirtschaftskrise und dann die fehlende staatliche Unterstützung bei den Rettungsarbeiten nach dem großen Erdbeben am 6. Februar haben seiner Popularität stark zugesetzt. Allerdings muss auch die Opposition einen kranken Präidenten im Wahlkampf vorsichtiger behandeln. Kılıçdaroğlu war deshalb einer der Ersten der Erdoğan noch am Dienstagabend gute Besserung wünschte. (Wolf Wittenfeld, 27.4.2023)