Der Vizepräsident der Wiener Ärztekammer Stefan Ferenci ließ am Mittwoch kein gutes Haar an der Gesundheitspolitik der Stadt Wien.

Foto: APA / Georg Hochmuth

Angesichts des eklatanten Personalmangels in Wiener Spitälern fordert die Ärztekammer Wien eine "Rückkehr- und Bleibeprämie" von 24.000 Euro. Dieser Betrag solle nicht nur Ärztinnen und Ärzten zugutekommen, sondern den Angehörigen aller Gesundheitsberufe, sagte Stefan Ferenci, Vizepräsident der Wiener Ärztekammer, am Mittwoch bei einer Pressekonferenz. Die 24.000 Euro sollten im Voraus ausbezahlt werden – als Prämie dafür, zumindest zwei Jahre im jeweiligen Spital zu bleiben, was einem Betrag von 1.000 Euro pro Monat entspricht. Sollte etwa eine Ärztin die Prämie erhalten haben, das Krankenhaus aber dennoch vor Ablauf der 24 Monate wieder verlassen, solle der Betrag anteilsmäßig zurückzuzahlen sein, sagte Ferenci. Die Ärztekammer liegt rund um die Personalsituation in den Spitälern seit geraumer Zeit im Clinch mit der Stadt Wien.

VIDEO: Im Konflikt mit der Stadt um die Personalsituation in den Spitälern hat die Wiener Ärztekammer am Mittwoch zehn Forderungen auf den Tisch gelegt.
DER STANDARD

Die Sofortmaßnahme solle einerseits weitere Personalabgänge verhindern, andererseits ausgeschiedene Ärztinnen, Pfleger und Angehörige anderer Gesundheitsberufe wieder zur Rückkehr ins Spital bewegen. Die 24.000 Euro sollten laut Ärztekammer steuer- und sozialversicherungsfrei an Personen ausbezahlt werden, die die Wiener Krankenanstalten in den vergangenen fünf Jahren verlassen haben. Eine Prämie in derselben Höhe fordert die Kammer für alle, "die die Wiener Spitäler in den letzten Jahren am Laufen gehalten haben" – ebenfalls unter der Voraussetzung einer zweijährigen Verpflichtung, in einem Krankenhaus der Hauptstadt weiterzuarbeiten.

675 Millionen an Gesamtkosten

Kosten würde diese Maßnahme laut Berechnung der Ärztekammer maximal 675 Millionen Euro. Das sei ein hoher Betrag, räumte Ferenci ein. Man solle dabei aber bedenken, welche Beträge von der Bundes- und Landesregierung zuletzt etwa für Corona-Hilfen oder Teuerungsausgleich ausgegeben wurden.

Die genauen Kosten für die Rückkehrprämie würden dem Vorschlag entsprechend von der Anzahl an Personen abhängen, die den Schritt zurück in ein Krankenhaus gehen. Laut der Kammer arbeiteten an den Wiener Spitälern im Jahr 2021 rund 16.700 Personen in der Gesundheits- und Krankenpflege, 4.700 als Angehörige der gehobenen medizinisch-technischen Dienste (etwa Ergotherapie oder Physiotherapie) und 8.100 Ärztinnen und Ärzte. Das ergebe in Summe rund 30.000 Angehörige der Gesundheitsberufe in den Wiener Krankenanstalten.

Die Forderung stellte die Ärztekammer als Teil eines "Zehn-Punkte-Plans zur Rettung der Wiener Spitäler" vor. Darin enthalten ist etwa auch die Forderung nach Anrechnung sämtlicher Vordienstzeiten, adäquaten Zulagen und rechtzeitiger Nachbesetzung von – insbesondere planbaren – personellen Abgängen wie durch Pensionierung oder Schwangerschaft.

Gesprächstermin mit Hacker am 15. Mai

Kein gutes Haar ließ Ferenci unterdessen an der Wiener Gesundheitspolitik. Über mehr als zwei Monate hinweg sei es dem Management des Wiener Gesundheitsverbunds trotz mehrfacher Kontaktaufnahme seitens der Ärztekammer nicht gelungen, einen Termin mit der Kammer zu vereinbaren. Er frage sich, "wie dieses Management dazu in der Lage sein soll, die Probleme in Wiens Spitälern, die nicht abreißen und massives menschliches Leid erzeugen, zu lösen", sagte Ferenci.

Man habe erst am Mittwoch einen Anruf aus dem Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) bekommen. Dabei sei nun für den 15. Mai ein Gesprächstermin zwischen Hacker und der Ärztekammer in kleiner Runde vereinbart worden. Zuvor sei man aber zwei Monate "im Kreis geschickt worden", wie Ferenci es formulierte. Während dieser Zeit habe sich "die Gesundheitskrise verschärft, und die Probleme sind unvermindert weitergegangen". Man sei aber nicht Gegner der Stadt Wien oder von Stadtrat Hacker, sondern "besorgt über das Gesundheitssystem", sagte der Kammerfunktionär.

Hacker in der "ZIB 2" gegen "Bleibeprämie"

Gesundheitsstadtrat Peter Hacker spricht sich Mittwochabend in der "ZIB 2" im Gespräch mit Armin Wolf gegen den Vorschlag der Ärztekammer aus. 24.000 Euro seien eine Dimension, die alles bisher Vorgestellte und Diskutierte "sprenge". Alleine für Wien würde der Vorschlag Mehrkosten in der Höhe von rund einer Milliarde Euro verursachen – die Spitalskosten beliefen sich in der Bundeshauptstadt bereits auf 2,8 Milliarden Euro. Würde man den Betrag auf Österreich hochrechnen, so bedeute dies Kosten in der Höhe von vier bis fünf Milliarden Euro – unrealistisch, wie Hacker findet. Er würde den Vorschlag aber "zur Kenntnis" nehmen und in die Finanzausgleichsverhandlungen mitnehmen. Man werde "schauen, wie der Finanzminister reagiert". Das Problem liege laut Hacker aber darin, dass der Finanzminister kein Geld in den Gesundheitsbereich stecken wolle.

Foto: Screenshot ORF "ZIB 2"

Hacker betont weiters die Notwendigkeit einer Gesundheitsreform. Man brauche mehr ambulante Medizin in Österreich, damit der Druck auf die Spitäler zurückgehe, sowie langfristig mehr Ausbildungsplätze für Ärztinnen und Ärzte. Außerdem sei es notwendig, mindestens sieben bis acht Milliarden Euro in Primärversorgungszentren zu investieren. Damit könne man den gesamten ambulanten Sektor so ausbauen, dass er harmonisch zusammenwirke. "Und dann kriegen wir die Entlastung, die wir brauchen", sagt Hacker.

Auch müsse das System der Wahlärztinnen und Wahlärzte dringend reguliert werden. Es gebe dafür laut Hacker mehrere Möglichkeiten. Der Frage, ob er für eine gänzliche Abschaffung des Wahlarzt-Systems sei, weicht er aber aus. "Wir haben jetzt ein Zwittersystem. Ich halte das für ziemlich unklar. Wenn Privatmedizin, dann zur Gänze". (Martin Tschiderer, kir, 3.5.2023)