Der österreichische Immobilienmilliardär René Benko und seine Signa-Holding haben wahrlich schon bessere Zeiten erlebt.

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In Österreich interessiert sich die Staatsanwaltschaft für seine angeblichen Verbindungen zur Clique um Altkanzler Sebastian Kurz (ÖVP). In Deutschland kritisiert ihn die Regierung wegen der Pleite der Warenhauskette Kaufhof Karstadt. In internationalen Medien liest man Berichte über angeblich bevorstehende Verkäufe von Luxusimmobilien. Der österreichische Immobilienmilliardär René Benko und seine Signa-Holding haben wahrlich schon bessere Zeiten erlebt.

Immerhin eine Angelegenheit aber galt bis vor kurzem als weitgehend ausgestanden: Vor zwei Jahren kam – mehr oder weniger durch einen Zufall – eine fragwürdige Geschäftsverbindung von Benkos Signa ans Licht der Öffentlichkeit. Demnach hatte der milliardenschwere Immo-Konzern im Jahr 2018 Kontakt mit einer mysteriösen Wiener Firma namens DSIRF ("Decision Supporting Information Research and Forensic").

In mehreren Ländern unter Beobachtung

Bei DSIRF handelt es sich um ein Sicherheitsunternehmen, das in gleich mehreren Ländern unter Beobachtung von Behörden und Geheimdiensten steht. Die Signa – konkret die Signa Retail, die Einzelhandelssparte des Konzerns – bestätigte im Jahr 2021, dass tatsächlich Geschäfte mit DSIRF stattgefunden hatten. Allerdings sei die Verbindung nie besonders tief gegangen, hieß es damals sinngemäß in einer Stellungnahme an den STANDARD: DSIRF sei bei einer Prüfung der Cybersicherheit durch die Wirtschaftsprüfungsagentur KPMG im Jahr 2018 lediglich als einer der Subunternehmer "mandatiert" worden. Alles in allem also: nichts Besonderes.

Heute jedoch liegen Informationen vor, die die Verbindung zwischen Signa und DSIRF in neuem, brisantem Licht erscheinen lassen. Ein geheimer Prüfbericht, der dem STANDARD zugespielt wurde, bestätigt eine Causa, über die bereits das deutsche Nachrichtenmagazin "Spiegel" Mitte April berichtet hat: Demnach besteht der Verdacht, dass zwischen einem ehemaligen hochrangigen Signa-Manager und DSIRF sogenannte Kickbackzahlungen geflossen sein könnten. Die Vermutung lautet, dass DSIRF im Geheimen auf das Privatkonto eines damaligen hochrangigen Signa-Managers eingezahlt habe, um Aufträge von der Signa zu bekommen.

Außerdem zeigen STANDARD-Recherchen, dass einige der höchsten Manager des Signa-Konzerns geschäftlich äußerst eng mit Vertretern von DSIRF verflochten waren – auch wenn die Signa eine persönliche Bekanntschaft in einer Stellungnahme an den STANDARD bestreitet. Es handelt sich um die Managementebene gleich unter René Benko.

Kickbackverdacht und langjährige Verwicklungen

Um diese Geschichte zu verstehen, muss man zunächst wissen, was diese Firma DSIRF überhaupt ist und warum sie als mysteriös gilt. DSIRF hat ihren Sitz im Wiener Bezirk Landstraße und wurde im Jahr 2016 von einem deutschen Unternehmer namens Peter Dietenberger gegründet, der zuvor westliche Unternehmen bei ihrem Gang nach Russland beraten hatte. Dietenberger gilt, obwohl er inzwischen keine offizielle Funktion mehr bei DSIRF innehat, noch immer als Mastermind des Unternehmens. Seine Firma bietet laut Website allerlei "maßgeschneiderte Sicherheitslösungen" für Unternehmen an. Seit Monaten hält DSIRF damit den österreichischen Geheimdienst ebenso auf Trab wie etwa das EU-Parlament und Sicherheitsexperten des US-Softwareriesen Microsoft. Letztere warfen DSIRF vergangenen Sommer per Blogeintrag vor, mittels eines Spywareprogramms hinter einer Reihe von digitalen Einbrüchen in Banken, Anwaltskanzleien und Beratungsunternehmen in mehreren Ländern zu stecken. In Österreich ermitteln deswegen Staatsschutz und Staatsanwaltschaft; es gilt die Unschuldsvermutung. Das EU-Parlament wiederum kritisierte im vergangenen November in einem Bericht, dass DSIRF angeblich enge Verbindungen zum Kreml unterhalte.

Höchst interessiert an DSIRF war auch Jan Marsalek, der ehemalige Finanzvorstand des deutschen Skandalunternehmens Wirecard, der seit 2020 auf der Flucht und mutmaßlich in Russland untergetaucht ist. In den E-Mails Marsaleks, die nach dessen Flucht teils öffentlich wurden, finden sich Listen angeblicher Kunden von DSIRF. Einer davon: die Signa Retail. Sie hat die Geschäftsverbindung bestätigt, aber als nicht weiter bedeutend dargestellt.

"Streng vertraulich"

Aber was könnte wirklich zwischen Signa und DSIRF gelaufen sein? Rückschlüsse darauf ermöglicht der besagte Bericht der Wirtschaftsprüfungsagentur Ernst & Young (EY) vom Ende 2021, der dem STANDARD zugespielt wurde. Vermerk: "streng vertraulich".

Zentraler Akteur der mutmaßlichen Causa ist ein Mann, der bis vor einiger Zeit zu den mächtigsten Managern im Signa-Imperium zählte: Stephan Fanderl, ein Deutscher, der bis zum Frühjahr 2020 Chef der Benko-eigenen Galeria-Karstadt-Kaufhof-Gruppe war. In dem Geheimbericht geht Ernst & Young im Auftrag der Signa Retail der Frage nach, ob Fanderl in seiner Eigenschaft als Karstadt-Chef "im Rahmen der Vergabe von Cybersecurity-Dienstleistungen persönlich intervenierte, möglicherweise, um Kickbackzahlungen zu erhalten". Es geht dabei um einen Auftrag von Karstadt an die Wirtschaftsprüfungsagentur KPMG vom November 2018. KPMG sollte die "Cybersecurity" von Karstadt auf die Probe stellen und verbessern helfen. Karstadt-Chef Fanderl, so die Mutmaßung im EY-Bericht, habe "die KPMG angewiesen, die ihr bis dahin unbekannte DSIRF als Subunternehmer für ihre Cybersecurity-Dienstleistungen an die Karstadt zu beauftragen". Fanderl soll den "ausdrücklichen Wunsch" geäußert haben, dass die DSIRF zum Zug komme.

Angeblich ins Zeug gelegt

Warum aber hat Fanderl sich angeblich derart für den Auftrag an DSIRF ins Zeug gelegt? "Insgesamt legen die Vorgänge rund um die Auftragsvergabe (…) den Verdacht nahe", so der EY-Bericht, dass es sich "um Kickbackzahlungen im Zusammenhang mit Vergabe von Cybersecurity-Dienstleistungen handelte". Konkret seien Ende 2018 in zwei Tranchen 29.000 Euro auf Fanderls privatem Bankkonto eingegangen. Angeblicher Absender dieses Geldes: Peter Dietenberger, der Chef von DSIRF.

Aus dem EY-Bericht geht auch hervor, dass Fanderl und Dietenberger einander persönlich gut kannten. Im September 2018 beispielsweise lud Fanderl Dietenberger zu seiner "schnuckligen Geburtstagsfeier" (so die Einladung) in ein Restaurant am bayrischen Tegernsee ein.

Doch woher rührt die offenbar enge Bekanntschaft zwischen dem Signa-Manager und dem DSIRF-Gründer? Wer das wissen will, stößt mittels Recherchen im Firmenbuch auf ein gemeinsames geschäftliches Abenteuer in Russland knapp nach der Jahrtausendwende. Die zentralen Protagonisten dabei sind nicht nur Peter Dietenberger und Stephan Fanderl, sondern auch ein weiterer hoher Manager aus dem Signa-Reich: Dieter Berninghaus, ein schweizerischer Manager, seit 2016 Chef des Signa-Verwaltungsrats und Leiter der Retailsparte des Konzerns. STANDARD-Recherchen zeigen, dass diese drei Männer geschäftlich äußerst eng miteinander verflochten waren. Die Signa wie auch DSIRF-Gründer Dietenberger bestreiten jedoch eine persönliche Bekanntschaft zwischen Dietenberger und Berninghaus.

Ein Abenteuer in Russland

Die gemeinsame Episode spielt ab dem Jahr 2004 und hängt mit einem der größten deutschen Handelskonzerne zusammen, der Rewe Group, die in Österreich unter anderem die Billa-Supermärkte betreibt. Der damalige Vorstandschef von Rewe war: Dieter Berninghaus, heute Signa-Retailchef.

Berninghaus' Herzensprojekt während seiner Zeit bei Rewe war die Expansion des Handelskonzerns in die Staaten Osteuropas. Als besonders lukrativer Zielmarkt galt Russland. Um dorthin zu gehen, empfahl sich jedoch die Zusammenarbeit mit lokalen Partnern, die die Verhältnisse vor Ort kennen und westlichen Unternehmen die Türen öffnen. Einen solchen Partner fand Rewe in einer Firma namens Marta Holding mit Sitz ebenfalls in Wien. Hinter der Marta Holding steckten mehrere intime Kenner des russischen Marktes. Da wäre einerseits ein russischer Geschäftsmann namens Georgij Trefilow – und andererseits: Peter Dietenberger, der spätere DSIRF-Gründer. Er ist von 2004 bis 2008 als Gesellschafter der Marta Holding eingetragen.

"Den richtigen Partner gewonnen"

Berninghaus und Dietenberger waren also zusammen an einem heiklen und potenziell hochlukrativen geschäftlichen Unterfangen in Russland beteiligt. "Mit Marta haben wir den richtigen russischen Partner gewonnen", freute sich Berninghaus im Jahr 2004 laut Medienberichten der damaligen Zeit. Um die Zusammenarbeit zwischen Rewe und Marta Holding in Sachen Russland zu besiegeln, flog Berninghaus gar im Flugzeug des damaligen deutschen Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) nach Moskau. Feierlich unterzeichnet wurde die Zusammenarbeit im Jahr 2004 dann unter den Augen von Schröder und des russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Benko und Dieter Berninghaus im Jahr 2021.
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Auf diesem Wege gründeten Rewe und die Marta Holding zusammen "Billa Russia". Und wer wurde zum Geschäftsführer dieses gemeinsamen Unternehmens bestimmt? Es war Stephan Fanderl, der spätere Karstadt-Chef.

Fazit: Drei Männer wirkten allesamt an einem vielversprechenden Russland-Geschäft mit. Zwei davon finden viele Jahre später wieder zusammen, in neuen Funktionen. Dabei besteht der Verdacht, dass einer dem anderen Geld zugeschoben haben soll.

Dienstverhältnis beendet

Was wurde aus Billa Russia? Rewe gelang nach 2004 der Schritt nach Russland, allerdings ist das Projekt inzwischen wieder Geschichte. Im Jahr 2021 wurde Billa Russia mit 161 Supermärkten an eine russische Handelskette namens Lenta verkauft. Jene Personen, die einst die Rewe-Expansion durchzogen, sind heute längst anderswo tätig, etwa bei DSIRF und der Signa.

Was wurde aus Stephan Fanderl? Im Frühjahr 2020 wurde das Dienstverhältnis zwischen René Benkos Immobilienkonzern und dem Manager beendet. Medien spekulierten über den Grund für Fanderls Austritt, dass ein Zerwürfnis zwischen Benko und Fanderl stattgefunden habe, angeblich wegen der schlechten wirtschaftlichen Aussichten bei Karstadt.

"Keinerlei weitere Geschäftsbeziehung"

Was sagen die Beteiligten zu all dem? René Benkos Signa weist – mittels eines Schreibens des Wiener Rechtsanwalts Peter Zöchbauer – darauf hin, dass man dem STANDARD bereits vor eineinhalb Jahren mitgeteilt habe, dass es ein Geschäft mit DSIRF gegeben habe. Dieses Vertragsverhältnis sei 2021 beendet worden. "Es gab und gibt keinerlei weitere Geschäftsverbindungen", so die Signa. Die damalige Vergabe des Auftrags an DSIRF sei von "einer führenden, unabhängigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft untersucht" worden, heißt es weiter: "Dabei hat sich keine Indikation für justitiable Sachverhalte ergeben." Weiters betont Signa, dass "das Ausscheiden von Dr. Fanderl im Jahr 2020 in keinem Zusammenhang mit dem Komplex DSIRF steht". Auch hätten Dieter Berninghaus und Repräsentanten von DSIRF einander zum Zeitpunkt der mutmaßlichen Causa nicht gekannt.

Stephan Fanderl wiederum will keine offizielle Stellungnahme abgeben, schreibt dessen deutsche Rechtsanwältin an den STANDARD – auch im Hinblick darauf, dass der Manager das EY-Gutachten gar nicht kenne.

Bleibt schließlich Peter Dietenberger, der Gründer von DSIRF. Er lässt den STANDARD in einer Stellungnahme wissen, dass es sich beim Kickbackverdacht in Zusammenhang mit Stephan Fanderl um "absurde Unterstellungen" handle. Wie es zu diesem "völligen Unsinn" komme, könne er sich nicht erklären, sagt der Unternehmer: "Das Geschäft mit Signa wurde in deren Auftrag intensiv überprüft; es gab nicht den geringsten Anhaltspunkt in diese Richtung." Überdies gibt auch Dietenberger an, dass er den heutigen Signa-Retailchef Berninghaus zum Zeitpunkt der Rewe-Russland-Expansion nicht gekannt habe. Zwar sei Dietenberger einst Gesellschafter jener Marta Holding gewesen, die Rewe bei ihrer Russland-Expansion unterstützte. Aber: "An den damaligen Verhandlungen waren zahlreiche Menschen beteiligt, viele davon Rechtsanwälte." Niemals seien sich Dietenberger und Berninghaus gegenübergesessen – es habe schlicht keinen Kontakt gegeben.

DER STANDARD betont ausdrücklich, dass bei Stephan Fanderl und Peter Dietenberger die Unschuldsvermutung gilt. (Joseph Gepp, 3.5.2023)