Einer muss es ja machen: Die Grundierung seiner Werke findet Daniel Richter fad, ab da werde es immer lustiger.
Foto: Filmladen Filmverleih

So beschaulich hätte man sich den Arbeitsalltag von Daniel Richter nicht vorgestellt. Wenn der Malerstar gerade nicht in seinem Atelier arbeitet, bereitet er eine Ausstellung in einer der Galerien vor, die ihn vertreten, eröffnet eine Vernissage oder ist auf einem fancy Dinner zu Gast. Aus.

Zumindest sind das die – zugegeben erwartbaren – Einblicke, die durch die neue Dokumentation von Regisseur Pepe Danquart in das Leben des norddeutschen Künstlers gewährt werden. Aber wo bleiben die wilden Partys? Die sinnsuchenden Zusammenbrüche? Die wortstarken Diskussionen? Das Dozieren vor seinen Studierenden an der Akademie der bildenden Künste in Wien? Sein Leben abseits des Studios? Gibt es das überhaupt?

Den Eindruck, dass dies nicht der Fall ist, könnte man fast bekommen. Denn die zweistündige Doku spielt zu etwa 90 Prozent an Richters Arbeitsplatz. Das lichtdurchflutete Berliner Atelier ist bis auf Tische voller Malutensilien ordentlich und aufgeräumt. Abgenutzte Perserteppiche liegen auf dem mit Farbflecken übersäten Boden, inmitten des geräumigen Studios steht ein Schreibtisch. Richter sitzt entweder dort und zeichnet, betrachtet seine Gemälde vom Sofa aus oder arbeitet an den großen Leinwänden, die an den Wänden lehnen.

Cute! Außer seiner Galeristin bekommt Richter selten Besuch. Dafür leisten ihm seine zwei Papageien Gesellschaft.
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Schmähtandler mit Struktur

Spontan passiert in Richters Malprozess wenig, sein Vorgehen wirkt strukturiert und vorbereitet. Zumindest in seinem Kopf. Gelingt ihm eine Linie nicht so, wie er sich das vorgestellt hat, flucht er und bessert sie aus – bis sie sitzt.

Zeitgleich grundiert er stets mehrere Bilder, spachtelt hauchdünne Farbflächen übereinander, setzt mit behandschuhten Händen Highlights aus intensiver Kreidefarbe. Man verfolgt das akribische Schaffen einer poppig-abstrakten Serie, die auf das Motiv zweier Kriegsversehrter von einer Fotografie aus dem Jahr 1916 basiert. Schwere Inhalte mit leichter Malerei verbinden, so sein Credo.

Außer seiner Galeristin bekommt Richter selten Besuch. Dafür leisten ihm seine zwei Papageien Gesellschaft, die ihn auf Schritt und Tritt verfolgen und für Cuteness sorgen. Zwischendurch macht der Künstler mit der getönten Brille und sportlicher Malerkluft mal einen Kopfstand zur Entspannung.

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Vom Rebellen zum Star

Musik läuft fast durchgehend in seinem Atelier, seine umfangreiche Schallplattensammlung reicht von Klassik bis Reggae. Leider tanzt der sympathische Künstler, der seit 2006 an der Akademie die Klasse für erweiterten malerischen Raum leitet, nur einmal. Dafür pfeift er gerne vor sich hin. Charmant!

Die meiste Zeit spricht der 60-Jährige – der übrigens deutlich jünger rüberkommt – über sein Schaffen. Dies tut der politische Künstler, der in der Punk- und Hausbesetzerszene in Hamburg groß wurde und früher Plattencover für Bands wie Die Goldenen Zitronen gestaltete, von denen er im Film auch ein Konzert besucht, auf eloquente Weise.

Er erinnert sich an seinen Weg vom Rebellen zur Kunstakademie, an der er erst mit 30 Jahren zu studieren begann, und sein anfängliches Zögern. Er habe nicht damit gerechnet, dass er einmal von seiner Arbeit leben könne und diese anderen Menschen wichtig sein könnte, sagt Richter im Film bescheiden.

Zwischendurch macht der Künstler mit der getönten Brille und sportlicher Malerkluft mal einen Kopfstand zur Entspannung.
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Unterm Strich ist es Öl auf Leinwand

Heute zählt er zu den bedeutendsten Künstlern der Gegenwartsmalerei, seine Werke befinden sich im MoMA in New York und der Wiener Albertina. Richters großformatige Werke, die zwischen figurativer und abstrakter Bildsprache pendeln, werden heute zu siebenstelligen Summen verkauft. Die Auktion bei Christie’s zeigt dies in der Doku exemplarisch an der Versteigerung des Gemäldes Tarifa.

"Unterm Strich sind es nur Bilder. Das ist nur Malerei, Öl auf Leinwand", sagt Richter kritisch und uninteressiert zugleich.

Als einordnende Stimmen kommen Künstlerkollegen wie Jonathan Meese und Tal R sowie der Kunstsammler Harald Falckenberg zu Wort. Oft schweifen diese Protagonisten allerdings etwas sehr ins Allgemeine ab. Und auch obwohl Meese als Gast immer für Amüsiertheit sorgt, stellt sein Auftritt einen etwas zu präsenten Anteil dar.

Insgesamt ist die Doku für eingefleischte Fans geeignet – für andere eher eine spröde Sache. (Katharina Rustler, 5.5.2023)