Wenn Charles III. am Samstag als erster Monarch seit sieben Jahrzehnten Westminster Abbey betritt, um gekrönt zu werden, öffnet sich ein Fenster in die Vergangenheit. Teile der Zeremonie reichen als Rituale weit in eine längst vergangene Welt zurück, zum Teil bis zur Krönung von William I. oder gar darüber hinaus. Der Normanne William, der als "der Eroberer" in die Geschichtsbücher einging, besiegte 1066 in der Schlacht von Hastings den letzten gekrönten König der Angelsachsen, Harold Godwinson.

VIDEOVORSCHAU: Was für Charles' Krönung geplant ist.
DER STANDARD

Fast tausend Jahre

Am Weihnachtstag des Jahres 1066 ließ sich William in Westminster Abbey zum König krönen. Die unter Edward dem Bekenner errichtete Kirche war erst genau ein Jahr zuvor eingeweiht worden, und möglicherweise hatte bereits Harold Godwinson dort im Jänner 1066 seine Krone erhalten. Jedenfalls wurden seither alle englischen und britischen Monarchen hier und im Nachfolgebau gekrönt, mit zwei Ausnahmen: Der minderjährige Edward V. wurde beseitigt, bevor er die Krone erhielt, Edward VIII. wiederum dankte ab, und sein Bruder George VI. erbte sowohl den Thron als auch den bereits durchorganisierten Krönungstermin.

Die St Edward's Crown ist das zentrale Stück der Insignien.
Foto: APA/AFP/BUCKINGHAM PALACE

Nach Edward dem Bekenner ist auch die St Edward’s Crown benannt, die das zentrale Objekt bei der Krönung Charles’ sein wird. Zwar ist sie als Wappenkrone des Vereinigten Königreichs allgegenwärtig, dennoch ist Charles erst der siebte Monarch, der mit ihr gekrönt wird. Obwohl ihr Name anderes vermuten ließe, stammt sie nämlich erst aus dem Jahr 1661, nachdem die Monarchie nach dem Cromwell’schen Intermezzo wiederhergestellt wurde. Unter dem Lord Protector wurden die Kronjuwelen verkauft und eingeschmolzen, weshalb neue Insignien nach Vorbild der Originale hergestellt werden mussten.

Aber auch bereits unter John Lackland soll 1216 der königliche Schatz der Erzählung nach bei der Überquerung des Wash in Ostengland schon einmal verloren gegangen sein, wovon das Wortspiel "King John lost his cloth in the wash" zeugt.

Alter Krönungslöffel

Aus diesen Gründen stammt kaum ein Objekt bei der Krönung Charles’ aus der Zeit vor der Stuart-Restauration – lediglich drei Schwerter aus dem frühen 17. Jahrhundert und der Coronation Spoon überlebten. Der vergoldete Silberlöffel stammt aus dem 12. Jahrhundert und wird bei der Salbung des Monarchen mit einem heiligen Öl eingesetzt. Unter Cromwell wurde er 1649 um 16 Shillings verkauft und nach dem Ende des Protektorats wieder an den Hof zurückgegeben.

Die vogelförmige Ampulla enthält das Salböl, das mit dem Coronation Spoon aufgetragen wird.
Foto: APA/AFP/MATT DUNHAM

Schon 1671 wurden die neuen Kronjuwelen Ziel eines Raubversuchs des Cromwell-Anhängers Thomas Blood. Die Krone wurde dabei zwecks einfacheren Abtransports mit einem Hammer geplättet.

Ebenfalls nach Edward dem Bekenner benannt ist der Coronation Chair, der aber ebenso wie die Krone nichts mit dem Namensgeber zu tun hat. Der Krönungssessel stammt vielmehr aus dem Jahr 1296. Damals wurde er von Edward I. in Auftrag gegeben, um den von ihm aus Schottland geraubten Stone of Scone unter der Sitzfläche zu verwahren. Sowohl der Sessel als auch der schottische Schicksalsstein haben eine bewegte Geschichte aufzuweisen.

Krönungsstuhl und sagenhafter Stein

Der Coronation Chair – das älteste britische Möbelstück, das noch für den ursprünglichen Zweck verwendet wird – trägt deutlich sichtbare Narben seiner Vergangenheit: Die einstige Vergoldung ist bis auf wenige Reste abgeblättert, gegen eine Gebühr konnte man auf ihm Platz nehmen, und Schüler der Westminster School schnitzten ihre Namen in die Rückenlehne. Für die Feiern zum fünfzigsten Regierungsjahr Victorias wurde der Sessel dunkel lackiert und danach wieder von dieser kulturellen Schande befreit. 1914 wurde er bei einem Bombenanschlag von Suffragetten beschädigt.

Der Coronation Chair zeigt die Spuren seiner langen Geschichte.
Foto: Reuters/Dan Kitwood

Der Stone of Scone wiederum ist der historische Krönungssitz der schottischen Könige. Seine Entwendung hinterließ tiefe Spuren im Nationalstolz der Schotten. 1950 wurde er von schottischen Studenten gestohlen, dabei zerbrach er in zwei Teile. 1996 wurde er an Schottland zurückgegeben und wird seither in Edinburgh aufbewahrt. Für die Krönung kehrt er vorübergehend zum Coronation Chair zurück. Um den Stein ranken sich Sagen, und erst kürzlich wurden neue Details wie die Gravur der römischen Zahlzeichen XXXV entdeckt. Gipsreste lassen auf die Herstellung eines bisher unbekannten Abgusses schließen.

Weltuntergang

Wie viele Krönungen Westminster Abbey noch beherbergen wird, wird die Zukunft weisen. Diese hat aber einer Inschrift auf dem Cosmati-Mosaikfußboden vor dem Hochaltar zufolge ein Ablaufdatum: Demnach endet das Universum im Jahr 19.683 nach der Schöpfung. Da diese nach den Berechnungen des in Westminster Abbey beigesetzten Bischofs James Ussher im Jahr 4004 v. u. Z stattfand, bleiben noch 13.656 Jahre für künftige Monarchen. (Michael Vosatka, 5.5.2023)