Ein laufendes Projekt der Cambridge-Universität behält den "Klimakiller" Bitcoin genau im Auge.

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Von den Turbulenzen des letzten Kryptowinters einmal abgesehen hat Bitcoin ein langfristiges Problem: Spätestens seit dem Wechsel des größten Konkurrenten Ethereum auf eine umweltfreundlichere Funktionsweise haftet der ältesten Kryptowährung endgültig der Ruf eines Klimasünders an. Die Diskussion wurde zuletzt von der "New York Times" mit einer Eigenrecherche befeuert, wonach der Energiebedarf der Bitcoin-Gewinnung mit dem von Millionen US-Haushalten gleichzusetzen ist.

Eine präzisere Erhebung bietet nun der Cambridge Bitcoin Electricity Consumption Index (CBECI). Das laufende Projekt an der Cambridge-Universität visualisiert den Energiebedarf des Bitcoin-Netzwerks und versucht den Stromverbrauch für ein breites Publikum greifbarer zu machen. Mit der Aussage, dass Bitcoin derzeit auf einen jährlichen Verbrauch von 132,98 Terawattstunden zusteuert, mag man allein zwar wenig anfangen können. Wenn man sich damit aber vor Augen führt, dass das ungefähr dem Doppelten dessen entspricht, was ganz Österreich im Vorjahr an Strom verbraucht hat, dann lassen sich die Größenordnungen in einem ersten Schritt schon ein wenig besser einordnen.

Gemessen am weltweiten Energieverbrauch (167.716 Terawattstunden) verbraucht das Netzwerk der größten Kryptowährung nur 0,19 Prozent davon, was wiederum dem jährlichen Stromverbrauch aller in den USA privat genutzten Fernsehgeräte entspricht. Naheliegend scheint auch ein Vergleich zu Gold, weil Bitcoin immer wieder als digitales Äquivalent zum Edelmetall gesehen werden möchte. Die Herausgeber des Index kommen dabei zu dem Schluss, dass der jährliche Energieaufwand für Bitcoin und der für das Schürfen von Gold nahezu gleichauf liegen (132,98 Terawattstunden gegenüber 131 Terawattstunden). Auch diese Zahlen sind aber mit Vorsicht zu genießen.

Probleme der Vergleichbarkeit

"Der Vergleich des Energieverbrauchs eines Peer-to-Peer-Digital-Cash-Netzwerks mit dem eines ganzen Landes kommt einem Vergleich von Äpfeln mit Birnen gleich", sagt Bitcoin-Experte Matthias Reder von der Grazer Firma Coinfinity. Er vermisst in der notwendigen Diskussion zum Energiebedarf von Bitcoin den richtigen Maßstab. "Sinnvoller wäre es beispielsweise, dieses Zahlungsmittel mit einem anderen Werteübertragungssystem zu vergleichen, etwa mit dem 'SEPA Instant'-Transaktionssystem, weil es auch die Funktionalität der Buchung und Wertstellung in der Zahlung beinhaltet", sagt Reder. Das Problem dabei bleibt allerdings, dass sich keine validen Zahlen aus dem bestehenden Bankensystem ableiten lassen, die man mit den Werten von Bitcoin vergleichen könnte.

Zu einem ähnlichen Befund kommt Krypto-Ökonom und WU-Professor Alfred Taudes. Auch wenn der Index aus Cambridge noch am seriösesten sei, bleibe das Problem bestehen, "dass all diese Vergleiche auf Schätzungen beruhen und dementsprechend eine große Bandbreite aufweisen können", sagt Taudes und fügt hinzu: "Ein Vergleich mit Ländern mag plakativ sein, ist aber grober Unsinn."

Nicht ohne Proof of Work

Unabhängig von der Höhe des Energieverbrauchs steht eine Änderung des Konsensmechanismus von Bitcoin offenbar nicht zur Debatte. NGOs und Politiker haben in der Vergangenheit schon oft eine Änderung des Codes nach dem Vorbild von Ethereum gefordert. Was man dabei nicht zu wissen scheint: Der Code von Bitcoin lässt sich nicht zentral auf Knopfdruck ändern. "Die einzige Chance, das Netzwerk zur Änderung des Konsensmechanismus zu bringen, ist das Einbringen eines Änderungsvorschlags, der dann abgestimmt wird. Ist der Großteil der Bitcoin-Miner der Ansicht, dass das eine gute Idee ist, wird das geändert", sagt Taudes.

Ein solcher ist aber weit und breit nicht in Sicht. Indem Bitcoin am "Proof of Work"-Verfahren festhält, will man nämlich die Sicherheit und Dezentralität des Netzwerks gewährleisten, die "Proof of Stake", wie es Ethereum betreibt, nicht zugetraut wird. "Der Algorithmus von Proof of Stake funktioniert so ähnlich wie das Bankensystem heute: Diejenigen, die mehr Kapital im System haben, haben lediglich durch Bereitstellung von Token zur Absicherung von Transaktionen auch mehr Chancen, Erlöse zu erzielen, wodurch das Risiko besteht, dass die Vermögensverteilung über die Zeit ungleicher wird. Bei Proof of Work hingegen ist immer externer Ressourceneinsatz notwendig, um Token zu erhalten", sagt Taudes.

Vorausgesetzt sollte auch sein, dass ein digitales Zahlungsnetzwerk Strom braucht. Den Strombedarf per se als schlecht hinzustellen ist für den Krypto-Ökonomen ohnehin nicht nachvollziehbar: "Wenn E-Mobilität als Zukunft des Transportwesens gesehen wird, warum soll dann ein Zahlungsmittel, das Strom braucht, schlecht sein?" Der entscheidende Faktor kann also nicht sein, ob Strom verbraucht wird oder nicht, sondern welcher.

Grünere Wege

Was bei Ethereum zu einer Reduktion des Energieverbrauchs um 99 Prozent geführt hat, scheint für Bitcoin-Miner also keine Lösung zu sein. Nach zunehmender Kritik scheint sich dennoch etwas zu bewegen. Der Bitcoin Mining Council, der knapp die Hälfte aller globalen Bitcoin-Miner repräsentiert, hat im Oktober des Vorjahres auf Basis einer Umfrage bekanntgegeben, dass man den Anteil erneuerbarer Energien bei der Bitcoin-Gewinnung mittlerweile auf 59,4 Prozent schätzt. Unabhängig nachprüfbar ist freilich auch dieser Wert nicht.

Zwei wesentliche Trends scheinen sich jedenfalls abzuzeichnen, wie sich Bitcoin in Zukunft "grüner" positionieren könnte. Zum einen wäre es vorstellbar, dass das Bitcoin-Netzwerk überschüssige Energie nutzen könnte. Das liegt daran, dass Bitcoin-Mining an sich sehr mobil ist und Miner in der Lage sind, weltweit preisgünstige Standorte zu finden, um auf ungenutzte Energiequellen zuzugreifen. "Man muss keine Fabrik bauen, im Prinzip reicht ein Schiffscontainer, in dem die Mining-Rigs drinstehen und weltweit überall ins Netz gehen können", sagt Reder. Im Gegensatz zu anderen Industrien müssten Bitcoin-Miner also nicht mit anderen Nutzern um Ressourcen konkurrieren, sondern könnten einfach ungenutzte Energie aufnehmen, die ansonsten verschwendet würde.

Allein die Energieübertragungsverluste in den USA belaufen sich jährlich auf 206 Terawattstunden, was dem 1,6-fachen Verbrauch des Bitcoin-Netzwerks entspricht. Auch aus dem Bereich der erneuerbaren Energien könnten genügend Überschüsse genutzt werden. Allein in China kam es letztes Jahr während starker Regenzeiten zu einer Überkapazität von 105 Terawattstunden, die nicht genutzt werden konnte.

Zum anderen könnten sich Bitcoin-Miner ein "Abfallprodukt" zunutze machen: und zwar die Energie, die bis jetzt noch beim Abfackeln von Erdgas (Gas-Flaring) freigesetzt wird. Anstatt die Umwelt mit Methan zu schädigen, das im Rahmen der Ölförderung in die Atmosphäre geblasen wird, könnte man dieses Nebenprodukt zu einem wertvollen Rohstoff für die Bitcoin-Gewinnung umwandeln. Das Cambridge Centre for Alternative Finance geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass durch dieses Abbrennen jährlich rund 688 TWh an Energie freigesetzt werden. Allein damit ließe sich der derzeitige Strombedarf des Bitcoin-Netzwerks etwas mehr als fünfmal decken.

Schmutzige Spuren

Der Optimismus, der Bitcoin weitgehend als Produkt erneuerbarer Energien darstellen möchte, ist natürlich mit großer Vorsicht zu genießen. Mit dem Hinaufschnellen des Bitcoin-Kurses in luftigere Höhen nimmt auch wieder die Gefahr zu, in alte Muster zurückzufallen. "Je höher der Wert des Bitcoins ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass auch fossile Energien wieder attraktiv werden, um bei diesem Spiel mitzumachen", gibt Bitcoin-Experte Reder zu bedenken.

Aufgrund der hohen Preiselastizität muss man also davon ausgehen, dass sich der Anteil erneuerbarer Energien bei der Bitcoin-Gewinnung zwar im Interesse der Miner und nicht zuletzt der Umwelt durchaus weiter erhöhen dürfte. Ein gewisser Anteil an fossilen Brennstoffen wird sich aber auch in Zukunft immer wieder daruntermischen. (Benjamin Brandtner, 5.5.2023)