Vor 77 Jahren befreiten US-Truppen das Konzentrationslager Mauthausen. Foto: nachgestellte Szene vom ersten Eintreffen amerikanischer Soldaten in Mauthausen, vermutlich 7. Mai 1945.

Foto: US National Archives and Records Administration

Auch dieses Jahr wurden Politiker und Politikerinnen der FPÖ nicht zur jährlichen Befreiungsfeier in das einstige KZ Mauthausen eingeladen. Schon vor Jahren hätten sich Überlebende dagegen ausgesprochen, sagt Willi Mernyi vom Mauthausen-Komitee. Daran wird sich in absehbarer Zeit wohl auch wenig ändern. Der Grund dafür sind nicht nur die ständigen rechtsextremen und rassistischen Einzelfälle. Es hat auch damit zu tun, dass die FPÖ keine Partei wie jede andere ist.

Mindestens 90.000 Menschen überlebten die Vernichtungsmaschinerie im KZ Mauthausen und in seinen mehr als 40 Außenlagern nicht. Mauthausen steht wie kein zweiter Ort in Österreich für die Schrecken des NS-Terrorregimes. Foto: Befreiungsfeier 2023.
Foto: Mauthausen Komitee

Die FPÖ wurde 1956 maßgeblich von ehemaligen Nationalsozialisten gegründet, die ersten beiden Parteichefs waren einst in der SS – jener Organisation, deren Name untrennbar mit Kriegsverbrechen, Massenmorden und der Shoa verknüpft ist. Die SS leitete Mauthausen und die anderen Lager, aus ihren Reihen kam das Wachpersonal.

Anton Reinthaller in seiner SS-Uniform.
Foto: APA

Anton Reinthaller, der erste Parteichef der Freiheitlichen, war schon vor dem sogenannten Anschluss einer der prominentesten Nazis Österreichs, 1941 wurde er in den Rang eines SS-Generals (Brigadeführer) befördert. Von Hitler persönlich bekam er einen SS-Ehrendegen überreicht.

Sein Nachfolger Friedrich Peter war Mitglied einer SS-Mordbrigade, die auch an Erschießungen von Kriegsgefangenen und Juden und Jüdinnen in der Ukraine beteiligt war. Peter stritt stets eine Beteiligung ab: "Ich habe seit 1941 bei der 1. SS-Infanteriebrigade ... meinen Dienst abgeleistet, aber weder innerhalb noch außerhalb dieses Zeitraumes an Erschießungen und Repressalien teilgenommen" ("Profil", 1975). Aussagen, die ihm kaum jemand abgenommen hat, aber es gibt bisher keine Beweise für seine Beteiligung an Verbrechen.

Friedrich Peter bei einer FPÖ-Veranstaltung, bei der auch Jörg Haider anwesend war.
Foto: Archiv

Peters SS-Vergangenheit machte ein Mann zum Thema, der selbst am 5. Mai 1945 von einer Division der 3. US-Armee aus dem KZ Mauthausen befreit wurde: Simon Wiesenthal.

Kickl gegen Simon-Wiesenthal-Preis

Seine Recherchen hat die FPÖ nicht vergessen, wie sich vor wenigen Jahren zeigte. Als Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) 2020 den Simon-Wiesenthal-Preis für Engagement gegen Antisemitismus ins Leben rief, sprach sich die FPÖ als einzige Partei im Parlament dagegen aus. Parteichef Herbert Kickl begründete dies damit, dass Wiesenthal Friedrich Peter "zu Unrecht verfolgt" habe.

Simon Wiesenthal machte die SS-Vergangenheit von Friedrich Peter zum Thema.
Foto: APA

Die Rolle Reinthallers in der Zeit des Nationalsozialismus wird von Freiheitlichen klein- und schöngeredet. 2016 trat der oberösterreichische FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner bei einer Gedenkveranstaltung für Reinthaller auf. In einem aktuellen FPÖ-Schulungsvideo wird Reinthaller als "umstritten" bezeichnet: als einer, der im freiheitlichen Lager als "hochanständiger Idealist" gesehen wurde, während er für die politischen Gegner "ein Nazi" war, heißt es darin.

Ein "Idealist", der führend dabei war, als die Nazis 1938 die Macht in Österreich übernahmen. Er gab den Einpeitscher in der Umsturznacht des 11. März, hielt eine Rede vom Balkon des Bundeskanzleramts herab. Tausende jubelten ihm zu, als er sie mit dem Hitlergruß grüßte. Danach zogen sie grölend durch die Wiener Innenstadt, verprügelten Juden und Jüdinnen und schlugen Auslagen von Geschäften ein. Tags darauf marschierten deutsche Truppen ein, und Reinthaller wurde Landwirtschaftsminister einer aus Nazis bestehenden Regierung.

Anton Reinthaller (rechts außen) am 11. März auf dem Balkon des Bundeskanzleramts.
Foto: Staatsarchiv

Nachdem diese Regierung bereits am 13. März 1938 wieder Geschichte war, wurde Reinthaller NSDAP-Reichstagsabgeordneter und ab 1939 bis Kriegsende Unterstaatssekretär im Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft in Berlin, 1942 zudem Landesbauernführer Niederdonau, wie Niederösterreich damals hieß. Als solcher trug er auch die politische Verantwortung für die vielen Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen, die auch in Niederösterreich in der Landwirtschaft arbeiteten, und den Diebstahl von Forstbesitz, der Juden und Jüdinnen gehörte. "Entjudung" nannten dies die Nazis.

Reinthaller besuchte Mauthausen

Der Historiker Bertrand Perz hat erst vor wenigen Jahren herausgefunden, dass Reinthaller im Jahr 1942 das KZ Mauthausen besuchte. An dem Tag wurden "zwei jüdische Flüchtlinge" erschossen, ein weiterer Mann starb im Elektrozaun, wie in einem Bericht vermerkt wurde.

1945 stand Reinthaller auf einer Kriegsverbrecherliste der Alliierten, kam 1950 in einem Volksgerichtsprozess jedoch glimpflich davon. Drei Jahre Haft waren mit der Untersuchungshaft erledigt. Er sei ein Idealist gewesen, der nur das Gute wollte, sagte er damals vor Gericht. An viele Ereignisse konnte er sich nicht erinnern, und er konnte prominente Fürsprecher gewinnen, nachdem andere ehemalige NSDAP-Mitglieder bei Politikern von ÖVP und SPÖ interveniert hatten. Sein Besuch in Mauthausen war kein Thema.

Tobias Portschy war FPÖ-Mitglied.
Foto: Archiv

In den Reihen der FPÖ tummelte sich mit Tobias Portschy ein weiterer einst hoher NS-Funktionär. Portschy war der ehemalige Gauleiter des Burgenlands und stellvertretender Gauleiter der Steiermark. Traurige Berühmtheit erlangte seine "Denkschrift zur Zigeunerfrage", in der er unter anderem die Einweisung von "Zigeunern" in Zwangsarbeitsanstalten sowie ihre Sterilisierung forderte. Er kriminalisierte Roma und entzog ihnen ihre Lebensgrundlage (Zwangsarbeit, Musizier-, Schulbesuchsverbot etc.). Portschy verfolgte aber auch sogenannte Asoziale: Seinen eigenen Cousin ließ er wegen "Gemeinschaftsunfähigkeit" ins KZ Mauthausen bringen, wo dieser 1939 starb. Nach dem Krieg war Portschy von 1959 bis 1991 Parteimitglied der FPÖ.

Giftgas Zyklon B an KZ Mauthausen geliefert

Bis in die 1990er-Jahre war auch der ehemalige Linzer Hitlerjugendführer Erich Slupetzky für die FPÖ tätig. Er kandidierte für die FPÖ bei der Linzer Gemeinderatswahl. Seine Familie wurde reich, indem sie das Giftgas Zyklon B an das Konzentrationslager Mauthausen lieferte, mit dem Häftlinge vergast wurden.

FPÖ hat ihre Geschichte nicht aufgearbeitet

Bisher hat die FPÖ wenig Interesse an der Aufarbeitung ihrer Geschichte gezeigt. Ein Ende 2019 veröffentlichter Bericht einer von den Freiheitlichen eingesetzten Kommission wurde von namhaften Historikern und Historikerinnen als unwissenschaftliche und "ziemlich oberflächliche Arbeit" kritisiert. Manche Inhalte weisen zudem Übereinstimmungen mit Wikipedia-Artikeln auf, Personen wie Portschy werden nicht erwähnt. Immerhin ist zu lesen, dass sich in den Reihen der FPÖ "mehr als bei den anderen Parteien ehemalige Nationalsozialisten in Führungspositionen fanden".

Am 23. Dezember 2019 stellte die FPÖ ihren Bericht vor, der scharf kritisiert wurde und als Blamage gilt.
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Es klingt absurd, aber der FPÖ gelingt es, von der fehlenden Aufarbeitung zu profitieren. Die SPÖ hat als erste Partei ihre Geschichte in Hinblick auf den Nationalsozialismus aufgearbeitet. Die ÖVP tat dies ebenfalls, aber bei weitem nicht so gründlich wie die Sozialdemokratie. So herrscht jetzt ein verzerrtes Bild vor, wonach die Nazis in der SPÖ untergekommen seien, was von der FPÖ rasch hochgehoben wird, wenn sie mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert wird. Werden Freiheitliche darauf angesprochen, kommt oftmals: "Und was ist mit den ehemaligen Nazis in der SPÖ?" (Markus Sulzbacher, 8.5.2023)