Mitglieder der Proud Boys wurden wegen "aufrührerischer Verschwörung" verurteilt.

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In der juristischen Aufarbeitung des Sturms auf das US-Kapitol am 6. Jänner 2021 ist ein weiterer wichtiger Schritt erfolgt: Die zwölf Geschworenen eines Bundesgerichts in Washington, D.C. haben vier Mitglieder der rechtsradikalen Miliz Proud Boys schuldig gesprochen. Was heißt das genau, und welche Verfahren sind noch offen? DER STANDARD beantwortet die wichtigsten Fragen.

Frage: Was genau ist am Donnerstag geschehen?

Antwort: Vier Mitglieder der Proud Boys – ihr ehemaliger Anführer Henry "Enrique" Tarrio sowie Ethan Nordean, Joseph Biggs und Zachary Rehl – wurden wegen "aufrührerischer Verschwörung" schuldiggesprochen. Dafür drohen ihnen bis zu 20 Jahre Haft. Der fünfte Angeklagte Dominic Pezzola wurde freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft warf ihnen vor, sich verschworen zu haben, um die Machtübergabe von Donald Trump an Joe Biden zu verhindern. Auch wurden sie unter anderem dafür schuldiggesprochen, ein offizielles Verfahren behindert zu haben. Allein dafür könnte es weitere 20 Jahre Haft geben. Das Strafausmaß wird zu einem späteren Zeitpunkt verkündet.

Frage: Wie wichtig war dieses Verfahren für die Aufarbeitung des Kapitol-Sturms?

Antwort: Der mit knapp vier Monaten längste Prozess in Sachen Kapitol-Sturm ist ein Meilenstein in der Aufarbeitung. Bereits Ende November wurde Stewart Rhodes, Anführer einer anderen rechtsextremem Miliz, der Oath Keepers, ebenfalls wegen "aufrührerischer Verschwörung" schuldiggesprochen. Die beiden Urteile sind deshalb so wichtig, weil dieser Strafbestand äußerst selten und nur schwer zu belegen ist.

Dafür muss die Anklage nachweisen, dass zwei oder mehr Menschen sich verschworen haben, um die Regierung der USA zu stürzen oder um sich mit Gewalt ihrer Autorität zu widersetzen. Das bisher letzte Mal klagte das Justizministerium vor rund zehn Jahren christliche Fundamentalisten der "Hutaree"-Gruppe wegen "aufrührerischer Verschwörung" an. Ein Richter wies die Klage allerdings wegen fehlender Beweise ab.

Das letzte Mal, dass jemand in den USA für diesen Strafbestand verurteilt wurde, war im Jahr 1995. Der ägyptische Islamist Umar Abd ar-Rahman und neun Mitangeklagte wurden der "aufrührerischen Verschwörung" schuldiggesprochen, weil sie geplant hatten, die UN-Zentrale, ein FBI-Gebäude und zwei Tunnel sowie eine Brücke in New York mittels Explosionen zu zerstören.

Frage: Wie viele Verfahren gibt es noch im Zusammenhang mit dem Kapitol-Sturm?

Antwort: Laut der Nachrichtenagentur AP werden 1.010 Menschen Vergehen im Zusammenhang mit dem 6. Jänner 2021 vorgeworfen. US-Justizminister Merrick Garland zufolge hat es bislang mehr als 600 Verurteilungen gegeben. Mehr als 230 Personen wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt, darunter der auch als "Schamane" bekannte Jacob Chansley, der 2021 wegen Behinderung eines Kongressverfahrens zu einer Haftstrafe von 41 Monaten verurteilt wurde. Die wohl wichtigste Person wurde aber noch nicht zur Verantwortung gezogen.

Frage: Und die wäre?

Antwort: Donald Trump natürlich. Ihm wird ja vorgeworfen, seine Anhänger zum Kapitol-Sturm angestachelt zu haben. Bisher wurde er dafür nicht strafrechtlich belangt, der vom Justizministerium ernannte Sonderermittler Jack Smith arbeitet aber daran. Dem ist Ende April ein wichtiger Etappenerfolg geglückt: Nach langem Rechtsstreit hat Ende April Trumps einstiger Vizepräsident Mike Pence als Zeuge vor einem Bundesgericht in Washington, D.C., ausgesagt. Er könnte in einem möglichen Prozess gegen Trump ein wichtiger Zeuge sein, da er in entscheidenden Momenten am 6. Jänner 2021 in Trumps Nähe war.

Trump übrigens, um zurück zum aktuellen Urteil zu kommen, hatte 2020 bei einem TV-Duell mit Biden gesagt: "Proud Boys – haltet euch zurück und haltet euch bereit." (Kim Son Hoang, 5.5.2023)