"Begonnen hat alles mit meinen Eltern. Sie haben das Geschäft 1974 im 7. Bezirk gegründet, wobei ich erwähnen möchte, dass während der Anfangszeit primär in unserer Wohnung gearbeitet wurde. Die erste richtige Niederlassung befand sich dann an der Adresse Burggasse 61. Anfängliche Aufträge für Fotos kamen damals in erster Linie von Kindergärten und Schulen. Später folgten Passbilder und Porträts, Ende der 70er-Jahre kam das Ablichten von Hochzeitsgesellschaften hinzu.

Mich hat Fotografie immer schon interessiert. Mein Vater war vor der Eröffnung des Studios im Bereich der 'Kolportage' bei der 'Kronen Zeitung' tätig, als Organisator, wenn man so will. Dort konnte ich mir immer wieder ein paar Schilling dazuverdienen. Als ich genug Geld zusammen hatte, kaufte ich mir meine erste Kamera, eine Canon TLB, natürlich analog. Durch sie hat mich das Fotovirus endgültig gepackt, und ich wechselte vom Gymnasium auf die Grafische Lehr- und Versuchsanstalt, wo ich vier Jahre lernte. Es folgte ein Jahr Praxis und schließlich die Meisterklasse für Fotografie. Das war 1981. Ein paar Jahre später übernahm ich die Geschäftsleitung. Das lief irgendwie fließend.

Mir taugt die Abwechslung

Weinwurm vor seinem Studio im ersten Bezirk.
Foto: Michael Hausenblas

Später dann hatte das Unternehmen drei Standbeine, eines davon war ein Souvenirgeschäft in Schönbrunn, dann gab es ein Hochzeitsmodengeschäft auf der Mariahilfer Straße und auch noch das Studio, wobei dieses aus drei Filialen im 6., 10., und 7. Bezirk bestand. Das war zu Zeiten der analogen Fotografie. Heute fotografieren wir ausschließlich digital. Analog ist bei uns nur mehr der Drucker.

Die Belegschaft des Unternehmens umfasste einst 21 Menschen. Heute gibt es nur mehr das Studio, in dem wir zu zweit arbeiten, ich und meine Frau. Das passt gut so. Seit zwei Jahren sind wir im 1. Bezirk ansässig, auf gut 200 Quadratmetern gleich beim Ronacher. Die Frequenz hier ist besser. Und die Lage. Die Burggasse ist mittlerweile eine einzige Verkehrshölle, und wir hätten sehr viel Geld in den Standort investieren müssen. Wir bezahlen hier genauso viel Miete wie damals in Neubau. Vielleicht haben wir dort auch jahrelang zu viel bezahlt.

Mir taugt die Abwechslung, die der Job mit sich bringt, wobei mir Porträts schon besonders am Herzen liegen. Jeder Mensch ist anders, man muss sich auf jeden einstellen. Wir fotografieren kaum Models, das bedeutet, die Herausforderung besteht darin, für Entspannung zu sorgen. Die zu finden fällt manchen Leuten schwer, schließlich müssen sie sich vor der Kamera nach außen präsentieren.

Ich sage immer, zehn Prozent des Porträts bestehen aus Handwerk, 90 Prozent aus Psychologie. Ich muss mit der Kundschaft warm werden und herausfinden, was sie eigentlich braucht. Das klappt so gut wie immer. Viele sind mit sich selbst nicht zufrieden. Sie wollen zwar nicht besser aussehen, als sie es tun, aber zumindest gut. Es gibt ja niemanden, der makellos ist, und das ist mehr als in Ordnung. Ein makelloser Mensch ist stinklangweilig. Makel gehören zum Charakter, und der gehört zum Bild dazu. Gleichzeitig muss man Makel auch nicht negativ wirken lassen.

Wegen des Psychologiefaktors ins Fotostudio

Wofür mein Herz weniger schlägt, ist die Produktfotografie. Bei Katalogaufnahmen geht es mehr oder weniger meistens um dasselbe. 70 Prozent fotografieren wir im Businessbereich, die Rede ist von Pressebildern, Porträts für Bewerbungen und dergleichen. Der Rest besteht aus Passbildern, Familienfotos, Innenaufnahmen und Produktbildern. Hochzeiten sind eher ein kleiner Part und basieren meist auf Mundpropaganda.

Ich sehe das Aufkommen der Digitalfotografie und damit einhergehend die Entwicklung, dass heutzutage so gut wie jeder und jede eine Kamera in Form eines Smartphones dabeihat, als Chance und Herausforderung. Wir sind sehr früh in die Digitalfotografie eingestiegen, vor gut 25 Jahren. Heute werden in jeder Sekunde weltweit ein paar Millionen Bilder geschossen. Für uns bedeutete das alles, noch stärker auf Service zu setzen, auf Qualität sowieso. Einfach so einen Filter über ein Bild zu legen, das spielt’s bei uns nicht. Die nächste Herausforderung für die Branche ist auch schon da, ich spreche von der KI. Aber das ist eine andere Geschichte.

Warum man in Zeiten von Super-Smartphones und Digi-Kameras noch immer zu uns ins Studio kommen soll? Nun, da muss ich wieder den Psychologiefaktor ins Spiel bringen. Wir wissen, wie jemand gut ausschaut. Nicht jedes Bild, das einem Porträtierten gefällt, taugt auch anderen, also Kunden des Auftraggebers oder anderen ‚Benutzern‘ des Bildes. Das gilt zum Beispiel für ein Businessporträt, aber auch für ein Geschenk innerhalb der Familie. Ihre Großmutter sieht Sie vielleicht ganz anders, als Sie selbst das tun. Kurz gesagt, es geht nicht nur um ein gutes Bild, sondern um die Aussage, die darin steckt. Da ist der Profi im Vorteil. Bei uns muss das Ergebnis für die Kundschaft stimmen. Diesen Druck haben Hobbyfotografen eher nicht.

Porträts sind die Leidenschaft von Weinwurm.
Foto: Michael Hausenblas

Kein Nostalgiker

Ob früher alles besser war? Ich sehe mich als Menschen, der in der Zukunft lebt und das gern tut. Die Vergangenheit sehe ich als bewältigt und abgehakt. Ich bin an dem interessiert, was auf uns zukommt. Klar sind schöne Erinnerungen etwas Wunderbares, aber ich würde mich keinesfalls als Nostalgiker bezeichnen.

Ich denke, die Erziehung war früher eine andere, ob das besser war oder nicht, kann ich nicht sagen. Früher sind die Kinder in der Straßenbahn aufgestanden, wenn eine ältere Dame keinen Sitzplatz fand. Heute ist es umgekehrt. Was besser ist? Ich weiß es nicht. Da maße ich mir kein Urteil an. Meine Enkelkinder würden wahrscheinlich aufstehen, wenn eine betagtere Person eine Sitzgelegenheit sucht. Sagen wir es so, ich habe ein traditionelleres Verhaltensbild vor Augen, also lautes Telefonieren in den Öffis muss ich auch nicht haben. Es gibt Grenzen gegenüber anderen." (Michael Hausenblas, 7.5.2023)