Mitarbeiter der Spurensicherung inspizieren einen der Tatorte in der Nähe von Mladenovac – nur zwei Tage nach dem Massaker an einer Schule in Belgrad.

Foto: Reuters / Antonio Bronic

Für das Gedenken an die Toten von Belgrad blieb nicht viel Zeit: Gerade erst hatte am Freitag die dreitägige Staatstrauer begonnen, nachdem am Mittwoch ein 13-Jähriger neun Menschen – acht Schülerinnen und Schüler sowie einen Wachmann – in einer Schule getötet haben soll. Und schon wurde Serbien erneut von einer Amokmeldung erschüttert. In drei Dörfern nahe Mladenovac, etwa 40 Kilometer südöstlich von Belgrad, soll ein 21-Jähriger insgesamt acht Menschen erschossen haben. 14 weitere wurden bei dem Angriff in der Nacht auf Freitag verletzt.

Angefangen hat laut serbischen Medien alles in der Ortschaft Dubona, mit einem Streit zwischen dem Mann und einem Bekannten, einem jungen Polizisten. Demnach verließ der Tatverdächtige im Anschluss den Schauplatz, kehrte allerdings wenig später mit einem Gewehr zurück und eröffnete das Feuer auf den Polizisten sowie auf andere Personen, die zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Der Polizist soll unter den Toten sein, ebenso seine jüngere Schwester. Die Opfer seien nichts ahnend auf einer Bank im Zentrum des Dorfes gesessen, als der Täter auf sie schoss – offenbar aus einem Auto heraus.

Die Toten von Dubona waren aber nicht die letzten Opfer des mutmaßlichen Amokschützen. Dieser setzte seine Fahrt fort und schoss auch noch in zwei weiteren Dörfern – beide im Umkreis von nur wenigen Kilometern – auf Menschen. Die Behörden leiteten eine Fahndung ein, an der rund 600 Polizisten beteiligt waren. In der Nähe von Kragujevac, rund 140 Kilometer südlich von Belgrad, wurde der Tatverdächtige schließlich im Haus seines Onkels festgenommen.

Bildungsminister tritt zurück

Bildungsminister Branko Ružic erklärte am Sonntagabend seinen Rücktritt. Der 47-jährige Sozialist hatte zunächst das Internet, Videospiele und "westliche Werte" für die Tat eines 13-Jährigen vom Mittwoch verantwortlich gemacht.

Serbiens Präsident Aleksandar Vučić sprach am Freitag auf einer Pressekonferenz von einem "Terrorakt" und einem "Angriff auf das ganze Land". Er gehe von einer "langen Haftstrafe" aus.

Ruf nach Todesstrafe

Vučić liebäugelte sogar mit einer Wiedereinführung der Todesstrafe. Laut eigenen Angaben hatte er im Vorfeld der Pressekonferenz bereits mit der Regierung über das Thema beraten, sei dort mit seinem Ansinnen aber auf Ablehnung gestoßen. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete von noch einer weiteren Aussage des Präsidenten zum Strafmaß für die Täter: "Diese Monster werden nie wieder das Tageslicht sehen", erklärte Vučić demnach. "Weder das kleine Monster noch das kleine ältere Monster." Sollte er mit dem "kleinen Monster" den Verdächtigen vom Mittwoch gemeint haben, dann übersieht er – vermutlich bewusst – eine Tatsache, die im Land seit Tagen für Debatten sorgt: Der 13-Jährige, dem das Schulmassaker von Belgrad zur Last gelegt wird, ist noch nicht strafmündig.

Allerdings legte Vučić seinen Auftritt vor der Presse nicht einfach nur als Plädoyer für möglichst hohe Strafen an, sondern versprach auch harte Maßnahmen gegen den überbordenden privaten Waffenbesitz in seinem Land: "Wir werden eine fast vollständige Entwaffnung Serbiens vornehmen", erklärte der Präsident. Das Innenministerium wurde demnach angewiesen, sofort Änderungen beim Waffengesetz einzuleiten.

Gefährliches Kriegsgerät

Derzeit befänden sich rund 400.000 Schusswaffen in privaten Händen – Jagdgewehre ausgenommen. Andere Quellen sprechen von insgesamt 700.000. Das aber sind freilich nur die legal gehaltenen Waffen. Die Dunkelziffer könnte weitaus höher liegen, Fachleute gehen von rund einer Million illegaler Waffen im Land aus. Auch im Haus des tatverdächtigen 21-Jährigen fand die Polizei nach eigenen Angaben ein größeres Arsenal.

Vučić will die Zahl der legalen Waffen drastisch reduzieren und die Strafen für deren unerlaubten Besitz erhöhen. Darüber hinaus sollen 1200 zusätzliche Polizisten eingestellt werden und für mehr Sicherheit an den Schulen sorgen.

In Serbien und anderen Staaten des Westbalkans werden nach wie vor große Mengen an Schusswaffen vermutet, die nach den Wirren der Zerfallskriege im ehemaligen Jugoslawien in den 1990er-Jahren in private Hände gelangt sind. Über den Schwarzmarkt kommen sie zum Teil auch in andere Teile Europas. Auch die Waffe des Attentäters, der im November 2020 in Wien vier Menschen tötete, wurde im ehemaligen Jugoslawien hergestellt. (Gerald Schubert, 5.5.2023)