Die Niederösterreicherin Michaela Polleres ist auf der Matte anpassungsfähig. Das lässt ihre Gegnerinnen oft und oft unterliegen.

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Für Aaron Fara ist nur ein klar gewonnener Kampf befriedigend.


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Im Judo geht es innerhalb von vier Minuten um alles oder nichts. Nur eine falsche Bewegung, und der Kampf ist vorbei. In dieser kurzen Zeit heißt es die Gegnerin, den Gegner blitzschnell zu durchschauen. Eine Eigenschaft, die Michaela Polleres perfekt beherrscht. Der Beweis: die Silbermedaille bei den Olympischen Spielen in Tokio in der Klasse bis 70 Kilogramm, mit der sie übrigens Vereinsgeschichte schrieb. Mittlerweile gehen dank ihr die Silberne bei Olympia 2021, Bronze bei Welt- sowie Europameisterschaften und mehrere Podestplätze bei Grand Slams auf das Konto des Judoclubs Wimpassing.

Früher Wechsel

Bei der laufenden WM in Doha will die Niederösterreicherin gemeinsam mit ihrem Vereinskollegen Aaron Fara (Klasse bis 100 Kilo) die beachtliche Medaillensammlung erweitern. Eine entscheidende Rolle spielt dabei ihr Trainer Adi Zeltner, der als Judo-Fanatiker bekannt ist. Mit acht Jahren wechselte Michaela Polleres aufgrund fehlender Trainingspartner von ihrem Stammklub in Peisching bei Neunkirchen zum Judoverein nach Wimpassing.

Dass sie anfangs als Jüngste und Langsamste nicht zu den Topathletinnen in der Gruppe zählte, davon war schnell nichts mehr zu erkennen. Für jeden Gegner, jede Gegnerin hatte sie sofort eine Taktik parat. "Michi eignete sich schnell den Links- sowie Rechtsgriff an. Das machte sie total anpassungsfähig und heute zu einer Weltklassekämpferin", sagt Zeltner.

Hinzu komme, dass Polleres genau wisse, wie sie sich auf der Matte bewegen muss. Luxusbewegungen wie Extraschritte vermeide sie, um so ökonomisch wie möglich zu kämpfen. Angstgegnerinnen habe die aktuelle Nummer drei der Welt keine. Mit Headcoach Yvonne Snir-Bönisch und Heimtrainer Zeltner wird für jede Gegnerin akribisch an einem Plan getüftelt. Zeltner: "Ich sitze am Tag vor dem Wettkampf vier bis fünf Stunden an Gegner- und Technikanalysen. Das nimmt schon einige Zeit in Anspruch."

Liebe zum Detail

Der Coach schickt jedem seiner Schützlinge exakte Gegnerdetails sowie mehrere Varianten an Wurftechniken. "Oft sind das mehrere Seiten an Analysen und Informationen. Ich kenne im Judo sonst keinen, der sich diese Arbeit antut", sagt Fara. Zeltner sei detailverliebt.

Neue Techniken werden im Judo so gut wie nicht mehr erfunden. Minimale Feinheiten im Griffkampf oder der Zugbewegung machen oft den großen Unterschied aus. In Tokio 2021 führte dieser schließlich zur ersten Olympiamedaille für den niederösterreichischen Verein.

Polleres und Fara haben eines gemeinsam: Zu ihren Spezialwürfen zählen eng am Körper durchgeführte Aushebetechniken. "Mittlerweile kennen die Gegner aber Aaron und seine Techniken. Zur perfekten WM-Vorbereitung hat er in letzter Zeit auf den Trainingslagern vier bis fünf Varianten trainiert und ausprobiert", sagt Zeltner. Eine Herangehensweise, die Fara persönlich meistens nicht als zielführend sieht. "Ich bin ein spezieller Fall. Ich kann für gewöhnlich nie zu viel Judo auf einmal machen. Ich brauch da meinen Ausgleich. Mich findet man dann häufig in der Kraftkammer. Je breiter ich werde, desto besser."

Ippon werfen

Der 25-Jährige hat eine ganz andere Kampftaktik: reingehen und Ippon werfen. Nur wenn der ausgebildete Masseur seine Kämpfe mit der höchsten Wertung beendet, ist er mit sich und seinem Arbeitstag zufrieden. Ein Gefühl, das er erst seit kurzem wieder kennt. Und das, obwohl er bereits früh als Talent galt. 2016 dominierte der Niederösterreicher in seiner Altersklasse seine Gewichtskategorie. Damals erkämpfte sich der Junior den EM-Titel in Malaga. Weitere Topplatzierungen folgten.

Doch plötzlich verschwand Fara von den Siegerpodesten. Gegner durchschauten seinen Kampfstil, Regeländerungen kamen ihm nicht zugute. Ein Sieg und einmal Bronze bei Grand Slams in diesem Jahr ließen die Gedanken an ein Karriereende aber wieder vergehen. "Ich habe zurück zu meinem alten Stil gefunden. Mein körperbetontes Werfen funktioniert, die Leute haben wieder Angst vor mir."

Druck machen Fara die jüngsten Erfolge aber nicht. Auch Polleres weiß, wie mit der Favoritenrolle umzugehen ist: "Mit den Medaillen kommt das Selbstvertrauen. Ritual habe ich keines, jeder Wettkampftag sollte aber die gleiche Struktur haben."

Dass der Verein aus Wimpassing eine Größe im Judo ist, beweisen Lukas Reiter uns Lisa Grabner. Reiter verstärkt in der Gewichtklasse bis 73 Kilogramm Österreich im Teambewerb. Mit Grabner (bis 57 Kilogramm) steht eine weitere EM-Dritte bei den Juniorinnen in den Startlöchern. (Laura Rieger, 8.5.2023)