Das AKW Saporischschja ist die größte Nuklearanlage Europas.

Foto: AP

Kiew/Moskau – Es ist nicht das erste Mal seit dem russischen Überfall auf die Ukraine, dass Raffael Grossi auf die gefährliche Lage um das Atomkraftwerk Saporischschja in der Südostukraine aufmerksam macht. Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) hat zuletzt im März das AKW besucht, das unweit der Frontlinie liegt.

Am Wochenende warnte Grossi eindringlich vor einer "zunehmend unberechenbaren Lage" um die größte Nuklearanlage Europas: "Ich bin sehr besorgt über die sehr realen Risiken für die nukleare Sicherheit", gab er über die IAEA-Website an. Man müsse "jetzt handeln, um das Risiko eines schweren Nuklearunfalls" zu vermeiden, hieß es in dem Schreiben. Das AKW wird von Russland kontrolliert, erst am Freitag hatte der von Moskau eingesetzte Gouverneur Jewgeni Balizkij die Evakuierung der nahe gelegenen Stadt Enerhodar angeordnet. Denn der ukrainische Beschuss hätte in den vergangenen Tagen zugenommen. Die IAEA setzt sich seit Monaten für ein Sicherheitsabkommen für den Betrieb des Kraftwerks ein, bisher ohne Erfolg.

Allein am Samstag gab es nach Angaben örtlicher Behörden 75 Angriffe in Saporischschja. Die lokale Militärverwaltung teilte mit, dass 16 Siedlungen entlang der Frontlinie von Artillerie- und Flugabwehrgranaten getroffen worden seien, es habe jedoch keine Opfer gegeben.

Prigoschin erhält Munition

Mehrere Hundert Kilometer weiter nordöstlich gehen die Kämpfe um die Stadt Bachmut weiter. Der Chef der dort stationierten russischen Söldnergruppe Wagner gab am Sonntag bekannt, dass Moskau ihm die notwendige Munition für eine Fortsetzung der Kämpfe nun zugesichert habe. Zuvor hatte Jewgeni Prigoschin angekündigt, seine Truppen ab Mittwoch abzuziehen, weil es nicht genug Nachschub gäbe. In dem Machtkampf mit der russischen Führung hatte Prigoschin bereits angekündigt gehabt, ein Angebot des Chefs der russischen Teilrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, anzunehmen: Dieser hatte erklärt, Männer seiner Truppe Achmat könnten in Bachmut die Stellungen der Wagner-Söldner übernehmen. Russland kontrolliert fast alle Teile der Stadt. Ukrainische Truppen harren aber weiter aus, um dem Gegner vor der geplanten eigenen Gegenoffensive so viele Verluste wie möglich zuzufügen.

Am Sonntag war nach ukrainischen Angaben auch die Region Mykolajiw im Süden Ziel der russischen Streitkräfte. Langstreckenbomber hätten in der Nacht mit fünf Marschflugkörpern vom Typ Kh-22 eine Industrieanlage angegriffen.

Umstrittener Autor aus Koma aufgewacht

Unterdessen ist der russische Schriftsteller Sachar Prilepin am Sonntag aus dem Koma aufgewacht. Der nationalistische Autor wurde am Samstag Opfer eines Autobombenanschlags in Nischni Nowgorod.

Bei der Explosion wurde sein Fahrer getötet, er selbst überlebte schwerverletzt. Prilepin ist vehementer Verfechter des russischen Angriffs auf die Ukraine, der Kreml machte für den Anschlag die Führung in Kiew und westliche Staaten verantwortlich. (red, 7.5.2023)