Wärmebild mit Austernpilzen (Pleurotus eryngii). Die kühlsten Bereiche sind dunkelblau, die mittleren Temperaturen gelb. Orange und Rot zeigen die wärmsten Bereiche an.

Radames J. B. Cordero

Pilze gelten als die großen Hoffnungsträger im Kampf gegen die Klimakrise. Jene Ökosysteme, die aus Pflanzen-Pilz-Symbiosen bestehen (wie unsere Wälder), speichern weltweit 350 Gigatonnen Kohlenstoff im Boden, während jene pflanzenbewachsenen Flächen ohne diese sogenannten Ektomykorrhiza nur 29 Gigatonnen Kohlenstoff binden. Zudem zählen Speisepilze zu den besonders klimaneutralen Proteinlieferanten.

Nun entdeckten Forschende eine weitere Eigenschaft von Pilzen, die in jedem Fall in Sachen Mikroklima von Bedeutung ist – und erstaunlicherweise erst jetzt bemerkt und genauer beschrieben wurde: Ein Forscherteam hat eher per Zufall herausgefunden, dass Pilze und andere Pilze, einschließlich Hefe und Schimmelpilze, kühler sind als ihre Umgebung. Diese neue Erkenntnis wurde prompt für einen kleinen Lifehack genützt, also eine originelle praktische Anwendung.

Zufallsentdeckung im Wald

Die eigentliche Entdeckung gelang dem Mikrobiologen Radamés Cordero von der Johns Hopkins University, der bei einem Waldspaziergang während der Covid-19-Pandemie die neue Wärmekamera seines Labors ausprobierte. Mit seinem Kollegen Arturo Casadevall wollte er mithilfe der Infrarot-Wärmebilder eigentlich nur untersuchen, ob und wie die dunklen Pigmente einiger Pilze deren Oberflächentemperatur beeinflussen und diese stärker erwärmen.

Doch bei der Auswertung von rund 20 verschiedenen Wildpilzarten zeigte sich zur Überraschung der Forscher, dass allesamt zum deutlich kühler waren als ihre Umgebung, wie die die Mikrobiologen kürzlich im US-amerikanischen Fachblatt "PNAS" berichteten, "Proceedings of the National Academy of Sciences". Im Labor fand das Team um Cordero und Casadevall dann heraus, dass einige Arten nur ein oder zwei Grad Celsius kühler waren als ihre Umgebung, während Austernpilz Pleurotus ostreatus sich um fast sechs Grad von der Umgebungstemperatur unterschied.

Wasser als Kühlflüssigkeit

Darüber hinaus waren 19 Arten von Schimmelpilzen und Hefen ebenfalls kühl, und zwar insbesondere in der Nähe des Zentrums ihrer Kolonien. Selbst bei Lufttemperaturen nahe dem Gefrierpunkt waren die Kolonien etwa ein Grad Celsius kälter. Die Temperaturen der einzelligen Pilze waren eine Überraschung, da sie im Vergleich zu Pilzen eine viel geringere Oberfläche pro Volumen haben, um Wärme zu verlieren. Das deutet darauf hin, dass dieses Phänomen im Pilzreich weit verbreitet ist, wie die Forschenden vermuten.

Den Grund für diese bis jetzt kaum untersuchte Kühlfähigkeit der Pilze kennen vermutlich alle, die schon einmal ein Pilzgericht zubereitet haben: Sie enthalten sehr viel Wasser, was sie in der Pfanne oder im Kochtopf erheblich schrumpfen lässt. Dieses Wasser geben sie in der pilzartigen Form des Schwitzens ab, was ihre Temperatur senkt. Das bestätigten Cordero und sein Team, indem sie Pilze dehydrierten oder ihr Kühlvermögen bei unterschiedlichen Luftfeuchtigkeiten maßen.

Die komplexe Lamellenarchitektur an der Unterseite der Pilzkappen vergrößert die Oberfläche für eine solche Kühlung. Pflanzenblätter kühlen sich auf ähnliche Weise selbst, indem sie Wasser durch Poren abgeben. Doch diese Methode gilt als weniger effektiv.

Fungi fungieren als Kühlmittel

Was es den Pilzen bringt, so kühl zu bleiben, ist unklar. Es könnte die Entwicklung oder die Freisetzung von Sporen aus den Pilzkappen begünstigen, oder es könnte einfach sein, dass sie eine niedrigere Temperatur bevorzugen, wie Casadevall im Interview mit "Science News" vermutet. In jedem Fall ließe sich diese Fähigkeit nützen – etwa für ein Picknick, wie Cordero und Casadevall in einem Lifehack demonstrierten.

So stellten sie eine kleine Styroporschachtel mit einem halben Kilogramm Champignons in einen größeren Styroporbehälter und ließen mittels Computerlüfter Luft durch die Champignonbox zirkulieren. War der Ventilator an, sank die Temperatur des größeren Behälters innerhalb von 40 Minuten um zehn Grad Celsius und blieb eine halbe Stunde lang auf diesem Niveau. Wasser kann man damit nicht zum Frieren bringen, aber ein paar Bier ließen sich damit ohne Weiteres kühlen. Und das Kühlmittel ergibt danach zudem eine klimaneutrale Speise. (tasch, 8.5.2023)