Hier gibt es nichts zu sehen. Aber zu riechen! In Pamela Rosenkranz' "House of Meme" duftet es rauchig wie in einer Brandruine.
Foto: Wolfgang Lackner

Flatulenzen im Museum? Im Zweifel waren es immer die anderen. Die norwegische Künstlerin und Geruchsforscherin Sissel Tolaas hält mit einem Sauerkrautdrink dagegen, der Darmwinde provozieren will. Die kann man sodann in eine Sammelsitzvorrichtung entlassen, von wo aus sie wieder an den Raum abgegeben werden.

Das Museum als von seinen Besucherinnen und Besuchern parfümierter Palast der Winde: Das ist eine Steilvorlage für allerlei Kunstfurz-Witzeleien, von Tolaas aber auch als Untersuchung unserer Kommunikationswege gedacht. Auch über die in der Luft zirkulierenden Geruchsmoleküle tauschen wir (zwangsläufig) Informationen aus. Man lernt das wenig später auf die noch härtere Tour: In Territory Denial (Gebietsverweigerung) spielt Clara Ursitti auf Praktiken an, mit denen Menschen aus dem öffentlichen Raum vertrieben werden. In dem Fall steht ein kaum erträglicher Geruch nach Verwesung wie eine Mauer im komplett leeren Raum.

Wie riechen Mütter und Väter?

Odor. Immaterielle Skulpturen titelt die aktuelle, in Kooperation mit dem Museum für Gegenwartskunst Siegen entstandene Schau im Innsbrucker Ferdinandeum. Es riecht hier nicht nur nach Tod und Verwesung, sondern auch nach Müttern und Vätern, nach Mottenkugeln und nach kolonialer Ausbeutung. So radikal wie möglich wollten die Kuratoren Florian Waldvogel und Thomas Thiel die Aufmerksamkeit auf die Macht der Gerüche lenken, visuelle Anhaltspunkte sind deshalb auf ein Minimum reduziert.

Nun lässt sich einwenden, dass Kunst für gewöhnlich zwar betrachtet werden will, aber in unzähligen Fällen auch zum Schmecken, Hören, Fühlen oder Riechen einlädt. Oder wenigstens so tut, als ob. Man denke etwa an Marcel Duchamps zum Ready-Made erklärte Pariser Luft. Man denke aber auch an das grassierende Phänomen immersiver Kunstschauen.

Ein Appell ans Riechen

Insbesondere dazu stellen die Skulpturen in Odor einen krassen Gegenentwurf dar. Sie appellieren ausschließlich ans Riechorgan, freilich in dem Bewusstsein, dass der Geruchssinn von allen fünf Sinnen am direktesten mit jenem Teil des Gehirns verknüpft ist, das auch für die Verarbeitung von Emotionen zuständig ist. Gerüche wecken Gefühle und Erinnerung und nehmen damit Einfluss auf die Wahrnehmung.

Das bestätigt sich, wenn Carsten Höller den Geruch seiner verstorbenen Eltern künstlich "nachbaut" und in einen der neun Ausstellungsräume einspeist. Was des einen intimste Erinnerung, ist dem anderen eigentlich fremd. Und hat trotzdem etwas seltsam Anrührendes.

Politischer wird es, wenn Oswaldo Maciá mit dem Duft von Kardamom und Balsambaum auf die Kolonialgeschichte referiert oder Teresa Margolles ein Leichentuch aufbahrt: Es hat einmal anonyme Mordopfer bedeckt, die in dem Stoff nicht nur visuelle, sondern auch olfaktorische Spuren hinterließen. In Pamela Rosenkranz’ House of Meme verstärken wiederum cyanblaue Fenster-Illusionen den Eindruck, als befinde man sich in einer Brandruine. So riecht es nämlich auch.

Defekte Klimaanlage, ein Glücksfall

Auch die Nachbildung des Geruchs von geruchlosen Pockenviren kann nur eine Illusion sein. Luca Vitone spielt damit auf die Perfidie biologischer Kriegsführung an. In der Dauerausstellung um die Ecke stößt man nicht zufällig auf eine Albin-Egger-Lienz-Darstellung des Tiroler "Freiheitskampfes" von 1809. Andreas Hofer war ein erbitterter Impfgegner.

Geruchskunst verträgt sich im Übrigen nicht gut mit klimatisierten Museumsräumen, weshalb die Schau zunächst in einer Gewerbebrache geplant war. Dann wurde die Klimaanlage im Ferdinandeum defekt. Eigentlich ein Horrorszenario, für Odor aber ein Glücksfall. (Ivona Jelcic, 9.5.2023)