Aus den Sauropoden rekrutieren sich eine ganze Reihe von Superstars der Dinosaurierwelt: Brachiosaurus, Apatosaurus (früher Brontosaurus) oder Titanosaurus – sie alle erreichten Ausmaße, die die modernen Riesen, Elefanten oder Giraffen, geradezu zwergenhaft erscheinen lassen. Dass sich die gewaltigen Reptilien einen bis zu 60 Tonnen schweren Körper leisten konnten, liegt vor allem an ihren im Vergleich zu Säugetieren niedrigeren Stoffwechselraten, die weniger Nahrungsaufnahme erforderten.

Bei allen Nachteilen, die diese massiven Leiber mit sich brachten, müssen sie den Tieren auch handfeste Vorteile verschafft haben; gewisse Aspekte dieses Riesenwuchses waren offenbar zweckmäßig genug, um niedrige Reproduktionsraten, Überhitzungsgefahr und fortwährenden Hunger aufzuwiegen. Das ergibt sich alleine schon aus der Tatsache, dass Sauropoden im Verlauf ihrer Evolution mehrmals unabhängig voneinander zu riesenhafter Größe heranwuchsen.

Gigantismus war trotz aller Nachteile anscheinend ein Erfolgsrezept der Evolution.
Illustr.: APA/AFP/NATURE PUBLISHING GROUP, TRAVIS TISCHLER

Häufiger Riesenwuchs

Nun aber zeigte eine vergleichende Untersuchung, dass aus der Entwicklungsgeschichte der Sauropoden sogar noch viel häufiger Giganten hervortraten als bisher gedacht. Wahrscheinlich, so berichtet der Paläontologe Michael D'Emic von der Adelphi University in New York, entwickelte sich Riesenwuchs bei den Sauropoden rund um den Globus über 30-mal im Verlauf von 100 Millionen Jahren.

Um die Entwicklung der Körpergröße von Sauropoden zu analysieren, stellte D'Emic die Umfänge von Hunderten von gewichtstragenden Knochen dem errechneten Gewicht der jeweiligen Tiere gegenüber. Anschließend bediente er sich einer Methode namens "ancestral state reconstruction", mit deren Hilfe er die rekonstruierten Körpergrößen von fast 200 Sauropodenarten in ihrem Stammbaum verortete.

Unabhängige Superlative

Die Resultate zeigten nicht nur, dass die Sauropoden ihre außergewöhnlichen Körperumfänge schon früh in ihrer Evolution erreicht haben müssen. Die im Fachjournal "Current Biology" veröffentlichten Daten lieferten auch deutliche Hinweise darauf, dass mit jeder neuen Sauropodenfamilie, die sich entwickelte, eine oder mehrere Entwicklungslinien unabhängig von einander körperliche Superlative hervorbrachten.

Die Grafik zeigt Entwicklungslinien von sechs Sauropodengruppen, deren maximale Körpermaße jene von Säugetieren überschritten haben.
Grafik: Michael Daniel D’Emic/Cell Press

"Bevor sie zusammen mit den anderen Dinosauriern (mit Ausnahme der Vögel) am Ende der Kreidezeit ausstarben, entwickelten die Sauropoden ihre unvergleichliche Größe insgesamt drei Dutzend Mal", erklärte D'Emic. "Diese größten Sauropoden unterschieden sich ökologisch voneinander, da sie unterschiedlich geformte Zähne und Köpfe und verschieden proportionierte Körper besaßen. Das deutet darauf hin, dass sie die 'Große Körper'-Nische auf unterschiedliche Weise besetzten."

Widerspruch zum Copeschen Gesetz

Das spiegelte sich ebenso in den Knochen der Riesen wider: Mikroskopische Untersuchungen der konservierten Gebeine ergaben, dass die verschiedenen Sauropodenarten unterschiedliche Wachstumsraten aufwiesen. Wahrscheinlich gab es daher auch Unterschiede beim jeweiligen Stoffwechsel. Ein ähnliches Muster konnte schon bei jenen Säugetieren beobachtet werden, die nach dem Aussterben der Dinosaurier schnell Riesenwuchs entwickelten.

Die Ergebnisse widersprechen dem sogenannten Copeschen Gesetz, wonach sich bei Lebewesen im Laufe der Evolution eine langsame Tendenz zur Zunahme der Körpergröße zeigt. Die Studie weist laut D'Emic vielmehr darauf hin, dass Tiere je nach ökologischem Kontext und den zufällig vorhandenen Nischen unterschiedliche Körpergrößen erreichen – was in großem Maßstab betrachtet recht zufällig erscheinen kann. In einem nächsten Schritt will D'Emic herausfinden, warum bestimmte Sauropodenlinien ihre überdimensionalen Ausmaße entwickelt haben, während andere kleiner geblieben sind. (tberg, 9.5.2023)