Der ehemalige US-Präsident war dem Ende April gestarteten Zivilprozess ferngeblieben.

New York/Washington – Der Zivilprozess gegen den früheren US-Präsidenten Donald Trump wegen Vergewaltigungsvorwürfen der Journalistin E. Jean Carroll steuert auf sein Ende zu. Carrolls Anwältin Roberta Kaplan rief die Geschworenen am Montag in ihrem Schlussplädoyer vor einem Bundesgericht in New York dazu auf, Trump zu verurteilen: "Niemand steht über dem Gesetz, nicht einmal ein früherer Präsident."

Kaplan erinnerte daran, dass die 79-jährige Carroll während des Prozesses zwei ganze Tage lang ausgesagt und dabei "Frage um Frage um Frage" beantwortet habe. Von Trump hätten die Geschworenen – sechs Männer und drei Frauen – dagegen "nicht viel gehört".

Trump nicht anwesend

Der Ex-Präsident war dem Ende April gestarteten Zivilprozess ferngeblieben; er war auch nicht verpflichtet zu erscheinen. Während des Prozesses wurden jedoch Aufnahmen einer Befragung Trumps durch Kaplan im Oktober gezeigt. Der 76-Jährige hatte Carrolls Vorwürfe dabei erneut entschieden zurückgewiesen und betont, die frühere Kolumnistin des Magazins "Elle" sei "nicht sein Typ".

Allerdings verwechselte Trump bei der Befragung auf einem ihm gezeigten Foto aus den 90er-Jahren Carroll mit seiner Ex-Frau Marla Maples. Kaplan nutzte dies nun in ihrem Schlussplädoyer, um die Aussagen des Ex-Präsidenten in Zweifel zu ziehen. Die Wahrheit sei, dass Carroll "genau sein Typ war", sagte die Anwältin.

Tonaufnahme im Präsidentschaftswahlkampf

Kaplan verwies auch auf eine kurz vor der Präsidentschaftswahl 2016 publik gewordene Tonaufnahme, in der Trump damit geprahlt hatte, er könne Frauen ungefragt küssen und ihnen zwischen die Beine greifen. Das sei Trumps "Vorgehensweise", sagte die Anwältin: "Er glaubt, Stars wie er können damit durchkommen."

Trumps Anwalt Joe Tacopina dagegen sagte, der Ex-Präsident habe Carroll nie vergewaltigt: "Sie ist nie zur Polizei gegangen, weil es nie passiert ist." Hätte Trump die Frau in einer Umkleidekabine eines Kaufhauses vergewaltigt, wäre er "sofort festgenommen worden", so der Anwalt. Die Geschworenen müssten ihren "gesunden Menschenverstand" einsetzen.

Carroll wirft Trump vor, sie im Frühjahr 1996 in der Umkleidekabine eines New Yorker Luxuskaufhauses vergewaltigt zu haben. Öffentlich machte sie ihren Vorwurf erst 2019, als Trump Präsident war. Trump bezichtigte Carroll der Lüge und erklärte, sie sei "nicht sein Typ". Carroll verklagte den Präsidenten daraufhin wegen Verleumdung und später in einer zweiten Klage wegen der mutmaßlichen Vergewaltigung selbst sowie erneut wegen Verleumdung. Sie verlangt Schadenersatz in nicht genannter Höhe.

Geschworene beraten

Die Geschworenen müssen nun entscheiden, wem sie mehr Glauben schenken, es steht Aussage gegen Aussagen. Augenzeugen oder andere Beweismittel, die Carrolls Schilderungen direkt stützen könnten, gibt es nicht. Während des Zivilprozesses sagten aber zwei Freundinnen Carrolls aus, die Journalistin habe ihnen kurz nach der mutmaßlichen Tat von einem Angriff Trumps berichtet.

Ein Urteil kann jederzeit fallen, wenn die Geschworenen am Dienstag ihre Beratungen aufnehmen. Da es sich um ein Zivilverfahren und nicht um einen Strafprozess handelt, droht Trump auch im Falle einer Verurteilung keine Gefängnisstrafe.

Trump ist im Verlauf der Jahrzehnte von zahlreichen Frauen des sexuellen Fehlverhaltens bis hin zur Vergewaltigung beschuldigt worden. Der Republikaner, der bei der Präsidentschaftswahl 2024 erneut antreten will, hat solche Vorwürfe stets zurückgewiesen. Strafrechtlich belangt wurde er nie. (APA, red, 9.5.2023)