Die NGO SOS Balkanroute hatte die Internierungsanlage im Flüchtlingslager Lipa als "das österreichische Guántanamo in Bosnien" bezeichnet.

Foto: APA/CHRISTINE ZEINER

Wien – Der Konflikt um den Bau einer Internierungsanlage im bosnischen Flüchtlingslager Lipa hat ein rechtliches Nachspiel. Das Internationale Zentrum für Migrationspolitik (ICMPD) des ehemaligen ÖVP-Politikers Michael Spindelegger verklagt die NGO SOS Balkanroute wegen Kreditschädigung beim Handelsgericht Wien. Man wolle weder die Meinungsfreiheit einschränken noch finanziellen Druck ausüben, betonte ein ICMPD-Sprecher. "Uns geht es ausschließlich um die Unterbindung von fortwährenden falschen Behauptungen."

"Weil wir uns einer wiederholten Kreditschädigung ausgesetzt sehen, wählen wir jenen Weg, den der Rechtsstaat dafür vorsieht: die Einbringung einer Klage auf Unterlassung und Widerruf", sagte der Sprecher. "Um die finanzielle Last so gering wie möglich zu halten, haben wir keine Geldforderungen wie zum Beispiel Schadenersatz geltend gemacht", betonte er. Darüber hinaus habe man sich am unteren gesetzlichen Rahmen für die Bewertung orientiert, die notwendig ist, um den vollen Instanzenzug ausschöpfen zu können.

NGO spricht von "Slapp-Klage"

SOS Balkanroute hat die angekündigte Klage des Internationalen Zentrums für Migrationspolitik (ICMPD) scharf kritisiert. Die "Slapp-Klage" sei nicht nur "ein politischer Einschüchterungsversuch, wie man diese sonst aus Ungarn, Russland oder Serbien kennt. Es ist auch ein Angriff auf die gesamte österreichische Zivilgesellschaft", so Obmann Petar Rosandic am Donnerstag per Aussendung.

Die Anwältin Maria Windhager, die die NGO vertritt, sieht einer Klage indes gelassen entgegen. Eine NGO dürfe "natürlich überspitzt formulieren, um sich Gehör zu verschaffen", sagte Windhager, die die NGO vertritt, der APA. "Und eine internationale Organisation muss sich auch scharfe Kritik gefallen lassen." Rosandic hatte die vom ICMPD in Lipa errichtete Internierungsanlage als "österreichisches Guantanamo" bezeichnet.

Spindelegger: Einrichtung noch nicht in Betrieb

Der NGO und ihrem Gründer Petar Rosandić werden Aussendungen, aber auch Postings in sozialen Medien seit dem 5. April vorgehalten. SOS Balkanroute hatte die ICMPD-Einrichtung als "das österreichische Guántanamo in Bosnien" bezeichnet und in diesem Zusammenhang eindrücklich die Schicksale von Migranten geschildert, die bei Pushbacks aus Kroatien nach Bosnien-Herzegowina malträtiert wurden. Zudem wurde das ICMPD als "ÖVP-nahe Organisation" charakterisiert.

ICMPD-Generaldirektor Spindelegger hatte die Vorwürfe bereits Mitte April als "völligen Humbug" zurückgewiesen. "Es gibt einen Vorwurf, dass Personen durch Pushbacks an der kroatischen Grenze in ein Lager gebracht werden, das wir angeblich errichten, wo dann mit Menschenrechtsverletzungen Leute festgehalten werden. Das ist völliger Unsinn. In keinem einzigen Fall gibt es jemanden, der in unserer Einrichtung, die wir dort hergestellt haben, untergebracht ist, weil sie noch gar nicht in Betrieb ist", betonte der frühere ÖVP-Vizekanzler.

ICMPD sieht Ehrenbeleidigung

Die Aussendungen und Postings "sind insgesamt grob irreführend, unvollständig und teilweise unwahr und kreditschädigend", begründete das ICMPD die nunmehrige Klage. Auch würden diverse Aspekte zur Aufgabe und Rolle des ICMPD "falsch wiedergegeben". Konkret wird darauf verwiesen, dass der Zubau im Auftrag der EU erfolgte, ICMPD nicht Betreiber der Anlage sei, sondern nur Errichter. Die Einrichtung habe Platz für zwölf Personen, und sie können dort höchstens 72 Stunden angehalten werden.

"Zahlreiche Behauptungen in diesem Zusammenhang stellen auch eine Ehrenbeleidigung dar, indem ICMPD vorgeworfen wird, das Leid von Menschen zu forcieren und keinen Wert auf Rechtsstaatlichkeit zu legen", heißt es vom Errichter. Diesbezüglich wurde auch betont, dass ICMPD "eine internationale Organisation ohne parteipolitische Ausrichtung" sei. Dies beweise alleine schon der Umstand, dass sie von 19 Staaten getragen wird, darunter die Türkei, Deutschland, Portugal und Bosnien-Herzegowina. (APA, red, 9.5.2023)