
Eine von tausenden Bronzen, die aus dem alten Königreich Benin (Nigeria) geraubt wurden und nun zurückgegeben werden sollen.
Der über Jahre geführten Debatte zur Rückgabe von Objekten, die britische Invasoren 1897 aus dem damaligen Königreich Benin stahlen und an Museen verhökerten, folgten zuletzt einige Rückgaben oder Ankündigungen solcher. Mitten in diese gewissermaßen gerade erst angelaufene Entkolonialisierung öffentlicher und institutioneller Sammlungen platzte eine Nachricht, die teils für Irritation sorgt und Fragen aufwirft.
Bereits am 23. März hatte Muhammadu Buhari, der Ende Mai aus dem Amt scheidende Präsident Nigerias, eine Erklärung im Amtsblatt veröffentlichen lassen, wonach der Oba von Benin offiziell als Eigentümer und Verwalter der einst geraubten Artefakte anerkannt werde. Dem "vorgeschlagenen Gesetz" zufolge seien sowohl jene Objekte zu übereignen, "die bereits repatriiert wurden", als auch "diejenigen, die noch repatriiert werden müssen".
Jetzt "exklusives Privateigentum"
Der traditionelle Herrscher von Benin, Oba Ewuare II, plant, die Bronzen in einem königlichen Museum oder Palast aufzubewahren, heißt es. Die Unterbringung im staatlichen Edo Museum of West African Art (Benin City), dessen Bau von der deutschen Regierung mit bis zu vier Millionen Euro subventioniert werden sollte, wäre damit vom Tisch. Sofern es bei der Eigentumsübertragung an den Oba bleibt – denn derzeit ist die rechtliche Situation unklar. Würde Buharis Ende Februar gewählter Nachfolger Bola Tinubu das Dekret bestätigen, wäre der Oba jener Ansprechpartner, mit dem es allfällige Fragen zu klären und künftige Verhandlungen zu führen gelte.
In einem Gastbeitrag in der FAZ hatte die Schweizer Ethnologin Brigitta Häuser-Schäublin am Wochenende die Leichtfertigkeit kritisiert, mit der Deutschland "die Vereinbarung zur Eigentumsübertragung" an Nigeria formuliert habe. Laut der emeritierten Professorin an der Universität Göttingen münde die Rückgabe nun "in einem Fiasko", zumal "aus öffentlichem Gut" nun "exklusives Privateigentum" würde. Sowohl das Auswärtige Amt als auch die Kulturstaatsministerin waren um Beruhigung bemüht. Man peile Gespräche mit Nigerias neuer Regierung an.
Historisches Unrecht
Tatsächlich war die mit der Übergabe von zunächst 20 Benin-Bronzen (von insgesamt rund 1.100) im Dezember 2022 vollzogene Rückgabe zur Behebung historischen Unrechts an keine Bedingungen geknüpft: sieht man von der gemeinsamen Absichtsbekundung ab, dass die Öffentlichkeit weiterhin Zugang zu den Benin-Bronzen haben solle. Als Vertragspartner fungierte die nigerianische Museumskommission NCMM (National Commission for Museums and Monuments), mit der westliche Museen seit Jahren über die Benin Dialogue Group Austausch pflegen.
Unstimmigkeiten auf nigerianischer Seite, genauer zwischen der Regierung, dem Königshof und auf Landesebene, sind für involvierte Fachleute kein Novum. Vielmehr waren sie seit Jahren Teil der Debatte und das in Bau befindliche Edo-Museum der Versuch einer für die Beteiligten praktikablen Lösung. Von nigerianischer Seite seien noch keine offiziellen Mitteilungen bekannt, wurde von deutscher Seite betont. Spätestens mit dem Antritt des neuen Präsidenten Ende Mai darf eine Klärung erwartet werden.
Umgang mit Besitz
Das wird im Hinblick auf künftige Ansprech- und Vertragspartner dann auch für Österreich von Relevanz sein, wo rund 220 Benin-Objekte im Weltmuseum verwahrt werden. Dessen Direktor Jonathan Fine steht seit vergangenem Jahr einem international und interdisziplinär besetzten Gremium vor, das Richtlinien für den Umgang mit im Besitz von Bundesmuseen befindlichen Objekten aus kolonialen Kontexten und für das Vorgehen bei Rückgabeforderungen erarbeitet. Sie sollen noch im Juni vorgelegt werden.
Darüber, dass Fine eine unabhängige Restitutionskommission, wie sie im Zuge des vor bald 25 Jahren eingeführten Kunstrückgabegesetzes geschaffen wurde, als absolut geeignetes Modell sehe, ließ er nie Zweifel aufkommen. Die Politik folgte bei ihren Entscheidungen dabei stets den Empfehlungen der Kommission. Eine Vorgabe, wie die Rechtsnachfolger einst in der NS-Zeit Bestohlener mit ihrem Eigentum zu verfahren haben, gibt es bekanntlich nicht.
Barbara Plankensteiner, die Leiterin der Benin Dialogue Group, verwies darauf, während der Restitutionsverhandlungen sei stets betont worden, "dass die Rückgabe kein Ende, sondern den Anfang einer neuen Kultur der Zusammenarbeit darstellt". Nun müssten die Verhandlungen in Nigeria abgewartet werden, um in engem Austausch mit den Verantwortlichen vor Ort weitere Entwicklungen zu begleiten.
(Olga Kronsteiner, 10.5.2023)