In Spanien kommt es immer wieder zu Protesten für das Recht auf Abtreibung – aber auch dagegen.

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Was lange währt, wird endlich gut. Das spanische Verfassungsgericht hat am Dienstag – 13 Jahre nachdem der konservative Partido Popular (PP) Beschwerde einreichte – die Fristenregelung für Schwangerschaftsabbrüche für rechtens erklärt. Damit ist es in Spanien endgültig legal, eine Schwangerschaft innerhalb der ersten 14 Wochen zu unterbrechen.

Besteht Gefahr für das Leben oder die Gesundheit der Frau oder liegen schwerwiegende Anomalien beim Fötus vor, ist ein Abbruch bis zur 22. Woche legal. Minderjährige Frauen dürfen ab dem 16. Lebensjahr selbst entscheiden, ohne elterliche Genehmigung. Das Urteil spricht von der "Freiheit und Würde" der Frau.

Neue Mehrheitsverhältnisse im Gericht

Diese Regelung wurde 2010 von der damaligen sozialistischen Regierung unter José Luis Rodríguez Zapatero eingeführt. Die Entscheidung wurde von den hohen Richtern immer wieder hinausgeschoben.

Erst als jetzt ein Teil des Gerichts erneuert wurde und sich damit die Mehrheitsverhältnisse von konservativen Richtern hin zu fortschrittlichen Richtern verschoben, nahm sich das Verfassungsgericht des "Gesetzes über sexuelle und reproduktive Gesundheit und den freiwilligen Schwangerschaftsabbruch" – so der offizielle Name – an. Die Verfassungsbeschwerde des PP wurde mit sieben zu vier Stimmen abgelehnt.

Freiheit, Sicherheit und Würde

Das Gesetz aus dem Jahr 2010 löste die seit 1985 gültige Indikationsregelung ab. Damit war Abtreibung nur in drei Fällen erlaubt: bei schwerer Gefahr für die körperliche oder geistige Gesundheit der schwangeren Frau, nach einer Vergewaltigung und bei körperlichen oder geistigen Missbildungen oder Defekten des Fötus.

Bei einem Großteil der Abtreibungen beriefen sich die Frauen auf die Gefahr für ihre psychische Gesundheit. Kliniken, die Abtreibungen vornahmen, wurden immer wieder von Abtreibungsgegnern angezeigt. Die Fristenregelung schuf endlich Rechtssicherheit für Frauen und Kliniken.

Konservative Richter üben Kritik

Die vier konservativen Richter, die für die Annahme der Verfassungsbeschwerde des PP stimmten, haben ein Minderheitsvotum vorgelegt. Für sie ist das Verfassungsgericht mit der Entscheidung über seine Kompetenzen hinausgegangen. Anstatt sich auf die Prüfung der Verfassungsklage des PP zu beschränken, habe die fortschrittliche Mehrheit "ein neues Recht anerkennt", nämlich "das Recht der Selbstbestimmung der Frau hinsichtlich der Abtreibung". Ein solches Recht gebe es nicht.

Für den spanischen Ministerpräsidenten und Chef der Linkskoalition aus Sozialisten und Linksalternativen, Pedro Sánchez, ist das Urteil "ein Tag zum Feiern". Die Fristenregelung habe Spanien "in die europäische Normalität geführt" und fördere "die individuelle Freiheit für Frauen und damit die Gleichberechtigung", fügte er hinzu.

Mit Blick auf die 13 Jahre, die seit Verfassungsbeschwerde vergangen sind, resümierte Sánchez: "Die Zukunft hat dem Fortschritt recht gegeben." Das scheint auch der PP zu ahnen. Die Konservativen schweigen sich zum Urteil aus. Denn Umfragen im Superwahljahr mit Kommunal- und Regionalwahlen am 28. Mai und Parlamentswahlen im Dezember zeigen, dass längst auch die überwältigende Mehrheit der rechten Wählerinnen und Wähler für ein Recht auf Abtreibung sind. (Reiner Wandler aus Madrid, 10.5.2023)