Am Samstag wird Camae Ayewa alias Moor Mother aus Philadelphia ihr aktuelles Album "Jazz Codes" ab 21 Uhr im Wiener Club Porgy & Bess live vorstellen.

Foto: Sam Lee

Während der letzten Jahre hat US-Künstlerin Camae Ayewa alias Moor Mother auf so gut wie jedem relevanten Avantgarde-, Elektronik- und Jazzfestival zwischen Krems, Krakau, Knoxville und Kioto gespielt, das ihrer auf Nische spezialisierten Hörerschaft geläufig ist. 2019 hätte sie es sogar fast zur damaligen Reihe "Hyperreality" der Wiener Festwochen auf die Sophienalpe geschafft, wenn nicht eine Krankheit dazwischengekommen wäre.

Nun wird die Soundpoetin im Rahmen der Wiener Festwochen die neue Reihe "Elective Affinities" eröffnen. Die kümmert sich von 13. Mai bis 16. Juni im Wiener Porgy & Bess mit Acts wie Franz Hautzinger, Serpentwithfeet oder Beatrice Dillon laut Programm nicht nur um "musikalische Offenheit und Ambition". Man hat auch geschmeckt, dass der Braten im Rohr etwas verbrannt riecht, und will mit diversen Acts den bei einem jüngeren Publikum derzeit wieder im Kurs stehenden Jazz mit "neuen Interpretationen, modernem R&B und zeitgenössischer Elektronik" fit für das 21. Jahrhundert machen.

ANTI- Records

Moor Mother ist dafür geradezu eine Idealbesetzung. In der jüngeren Vergangenheit hat die wandlungsfähige Künstlerin mit der dunklen, beschwörenden Stimme sowie als queere Afroamerikanerin auf traditionell männlich dominierten Avantgardefestivals verschiedenste musikalische Projekte präsentiert. Sie war die letzten Jahre mehr oder weniger dauernd unterwegs. Sie arbeitete, neben ihrer im körperlichen Raubbau betriebenen Solokarriere seit Fetish Bones von 2016, mit dem London Contemporary Orchestra, mit Rapper Elucid von Armand Hammer oder mit Free-Jazz-Altvater Roscoe Mitchell vom Art Ensemble of Chicago sowie den jungen Improvisateuren von Irreversible Entanglements.

Im Projekt 700 Bliss reimte sie zu schräger Clubmusik. Mit Justin Broadrick (Godflesh) und Kevin Martin (The Bug) standen als Zonal schwere Industrial-Dub-Beats auf dem Programm.

Eine Sichtung schwarzer Musiken

Ihren Stil beschreibt Moor Mother so: "Low fi / dark rap / chill step / blk girl blues / witch rap / coffee shop riot gurl songs / southern girl dittys / black ghost songs." Ihre beiden aktuellen Alben Analog Fluids of Sonic Black Holes von 2019 und Jazz Codes von 2022 drehen sich um die afrikanische Diaspora, Rassismus und eine Haltung, die sie als "Slaveship Punk" bezeichnet: "Don’t let death compliment you, no matter how ugly you feel." Zu Hip-Hop-Beats, Blues- und Gospel-Samples und brutalem Noise dazwischen haben sich auf Jazz Codes Livemusiker gesellt, die Moor Mother bei der Sichtung schwarzer Musiken unterstützen, die dank R&B und der Folgen etwas von der Bildfläche verschwunden sind. (Christian Schachinger, 12.5.2023)