Auch im Generalkonsulat in Berlin wurden Stimmen abgegeben.

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Erdal ist seiner staatsbürgerlichen Pflicht schon nachgekommen. "Ich hatte Glück und musste nicht lange anstehen", sagt der junge Berliner Bäcker über seinen Besuch im türkischen Generalkonsulat in der deutschen Hauptstadt.

Und wen hat er gewählt? "Erdoğan", meint Erdal freimütig. Denn: "Er ist die starke Stimme in der Türkei und hat uns in Deutschland nie vergessen." So denken viele seiner Landsleute, die einen türkischen Pass haben und in Deutschland leben. Auf sie hofft der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan.

Deutschland hat gewählt

In der Türkei wird am Sonntag gewählt, in Deutschland ist dies schon erledigt. Von 27. April bis 9. Mai konnten Wahlberechtigte an den 16 General- und Honorarkonsulaten ihre Stimme abgeben. In keinem anderen Land weltweit ist die Community der Auslandstürkinnen und -türken so groß wie in Deutschland. Dort leben rund 2,9 Millionen Menschen mit türkischem Migrationshintergrund, 1,5 Millionen sind wahlberechtigt.

Von ihrem Wahlrecht haben diesmal besonders viele Gebrauch gemacht. Nach Angaben der türkischen Botschaft gaben 732.000 Frauen und Männer ihre Stimme ab. Die Wahlbeteiligung lag somit bei 48,8 Prozent, das ist mehr als 2018.

Damals beteiligten sich 45,7 Prozent der Wahlberechtigten an den Präsidenten- und Parlamentswahlen. Mit deutlicher Mehrheit wählten sie Erdoğan. Er erhielt 64,8 Prozent der Stimmen. Insgesamt hatte Erdoğan nur 52,6 Prozent bekommen. Auf Erdoğans AKP entfielen in Deutschland 56,3 Prozent, insgesamt waren es 42,5 Prozent.

Konservatives Milieu

"Die religiös-konservativen Milieus sind in Deutschland überproportional vertreten und gut organisiert, was ihre Mobilisierung erleichtert", sagt Yunus Ulusoy vom Zentrum für Türkei-Studien in Essen. Das habe unter anderem mit der Arbeitsmigration seit den Sechzigerjahren zu tun. Damals kamen vor allem aus dem ländlich geprägten anatolischen Kernland Türkinnen und Türken nach Deutschland, nicht aus den Küstenregionen wie Istanbul, Ankara oder Izmir, wo säkulare und oppositionelle Milieus stark sind.

"Viele türkische Mitbürger erleben in Deutschland immer noch täglich Diskriminierung, Erdoğan gilt als jener Mann, der ihre Interessen vertritt", sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete Macit Karaahmetoğlu.

Er fürchtet, dass ausgerechnet die deutschen Grünen Erdoğan "in die Karten gespielt haben". Deren Chefs, Ricarda Lang und Omid Nouripour, hatten eine Wahlempfehlung für Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu abgegeben.

Nicht gut, findet auch CDU-Bundestagsabgeordnete Serap Güler: "Das ist Futter für die Propagandamaschinerie Erdoğans." Der türkische Innenminister Süleyman Soylu von der AKP hat schon vor einem "Putsch" aus dem Ausland gewarnt. (Birgit Baumann aus Berlin, 12.5.2023)