Jake Sullivan, der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden.

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Washington/Wien – Inmitten großer Spannungen zwischen den USA und China hat es nach längerer Funkstille wieder ein hochrangiges Treffen beider Regierungen gegeben. Das Weiße Haus teilte am Donnerstag mit, der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, habe in Wien den obersten chinesischen Außenpolitiker Wang Yi getroffen. Die beiden seien am Mittwoch und Donnerstag in der österreichischen Hauptstadt zusammengekommen.

"Konstruktive Gespräche"

Bei den "freimütigen, sachlichen und konstruktiven Gesprächen" sei es unter anderem um Schlüsselfragen der bilateralen Beziehungen, um globale und regionale Sicherheitsfragen und Russlands Krieg gegen die Ukraine gegangen. "Dieses Treffen war Teil der laufenden Bemühungen um eine offene Kommunikation und einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Wettbewerb", hieß es aus dem US-Präsidentenamt. Die beiden Seiten seien übereingekommen, diesen "wichtigen strategischen Kommunikationskanal weiter offen zu halten".

Wang war früher Außenminister Chinas und ist inzwischen Direktor des Büros der Kommission für auswärtige Angelegenheiten des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas – und damit der Top-Diplomat des Landes.

Außenministerium: "Wichtig für die regionale und internationale Stabilität"

Das österreichische Außenministerium begrüßte das Treffen, in dessen Vorbereitung es nach eigenen Angaben eingebunden war. Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) sei mit Sullivan und Wang ebenfalls zusammengetroffen, hieß es in einer Mitteilung vom Donnerstag. "Offene und konstruktive Dialogkanäle zwischen den USA und China sind wichtig für die regionale und internationale Stabilität", hieß es vonseiten des Außenamts weiter. Wien werde als Ort des Dialogs auch in Zukunft für Treffen dieser Art zur Verfügung stehen.

Eine ranghohe Vertreterin der US-Regierung sagte in Washington, insgesamt seien die beiden über die zwei Tage verteilt mehr als acht Stunden lang zusammengesessen. Es sei das erste Treffen in diesem Format, nachdem Sullivan und der damalige oberster Außenpolitiker Chinas, Yang Jiechi, im Juni 2022 in Luxemburg miteinander gesprochen hätten.

USA: "Wir werden die Meinung des anderen nicht ändern"

Sullivan habe einmal mehr deutlich gemacht, dass beide Länder im Wettbewerb miteinander stünden, die USA aber keinen Konflikt wollten und bereit seien, bei bestimmten bilateralen und globalen Themen mit China zusammenzuarbeiten. "Wir werden die Meinung des anderen nicht ändern", sagte die US-Regierungsmitarbeiterin. Es sei aber Teil der Diplomatie, seinen Standpunkt zu erklären.

Die chinesische Botschaft in Washington bestätigte die Gespräche ebenfalls. "Die beiden Seiten hatten sich darüber ausgetauscht, wie man Hindernisse in der Beziehung zwischen China und den USA überwinden und eine Verschlechterung der Beziehungen vermeiden könnte", teilte die Botschaft am Donnerstag mit.

Spionagevorwürfe gegen Peking

Die Spionagevorwürfe gegen Peking hatten beide Länder zuletzt weiter entfremdet: Das US-Militär schoss einen mutmaßlichen chinesischen Spionageballon vor der amerikanischen Küste ab. Die USA warfen China vor, es habe damit Militäreinrichtungen ausspionieren wollen. Peking sprach dagegen von einem zivilen Forschungsballon, der vom Kurs abgekommen sei, und beschwerte sich, die Amerikaner hätten vollkommen überreagiert. Die USA sprachen von einem großen internationalen Spionageprogramm Chinas, was Peking ebenfalls zurückwies.

US-Außenminister Antony Blinken hatte wegen der Affäre einen damals bevorstehenden China-Besuch in letzter Minute abgesagt. Blinken traf Wang Yi zwar später im Februar am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz. Das Treffen sorgte allerdings nicht für eine echte Entspannung – und konkrete Pläne, Blinkens Reise nach Peking nachzuholen, sind bisher nicht bekannt. Blinken betont stets, er wolle nach China reisen, sobald die Umstände dafür gegeben seien.

Die US-Regierungsvertreterin sagte nun mit Blick auf das jüngste Spionage-Zerwürfnis, beide Seiten hätten anerkannt, dass der "bedauerliche Vorfall" zu einer Pause im gegenseitigen Austausch geführt habe. Sullivan habe den US-Standpunkt erneut klar gemacht. Man sei aber bereit, nun "nach vorne zu blicken".

Wang Yi, der oberste chinesische Außenpolitiker.
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Mit Blick auf einen möglichen Blinken-Besuch in Peking sagte sie, bei dem Gespräch in Wien sei es nicht um konkrete Terminabsprachen gegangen. Zu den Aussichten für ein möglichen Telefonat zwischen Biden und Chinas Präsident Xi Jinping sagte sie, auch hierzu gebe es terminlich nichts mitzuteilen.

Das erste ranghohe Treffen der USA und Chinas seit längerem fällt auch zusammen mit den Vorbereitungen der Amerikaner und ihrer Partner auf den nahenden G7-Gipfel in Japan. In der kommenden Woche steht ein Treffen der Staats- und Regierungschefs der sieben großen Wirtschaftsmächte in Hiroshima an. China gehört der Gruppe nicht an, dürfte in den Gesprächen dort aber eine bedeutsame Rolle spielen.

Ohne dass China ausdrücklich genannt wird, beziehen sich viele Gipfelthemen indirekt auf das politisch und wirtschaftlich mächtige Land. Peking machte im Voraus Front gegen die G7: Außenamtssprecher Wang Wenbin sagte am Donnerstag in Peking, die G7 sprächen von internationaler Ordnung, meinten aber westliche Normen. Es seien die Regeln "einer kleinen Clique, die die USA an erste Stelle stellen". (APA, 11.5.2023)