Im Gastblog zeigt Marianne Buchegger, welche verschiedenen Formen der Erwachsenenvertretung zur Verfügung stehen.

Anna macht sich Sorgen. Seit zwei Monaten ist klar, dass ihre Mutter an Demenz erkrankt ist. Es hat einige Jahre an Überzeugungsarbeit gebraucht, um die Mutter zu den Abklärungsuntersuchungen zu überreden. Anna hat sich dabei nie wohl gefühlt – sie wollte nicht diejenige sein, die ihrer Mutter sagt, was zu tun ist. Gleichzeitig war es nicht anders möglich. Die Mutter hatte zunehmend Schwierigkeiten, im Alltag allein zurecht zu kommen oder Termine zu planen und einzuhalten.

Die Untersuchungen ergaben eine beginnend mittelgradige Demenz. Anna seufzt. Die Sozialarbeiterin und die Psychologin, ihre Freundinnen und ihr Mann haben ihr gesagt, dass es jetzt notwendig ist über eine Erwachsenenvertretung für die Mutter nachzudenken. Zum Schutz der Mutter.

Anna ist sich nicht sicher, ob sie das machen kann. Sie als Vertreterin ihrer Mutter, das fühlt sich komisch an. Anna spürt eine große Traurigkeit in sich. Sie ist doch die Tochter, sie wünscht sich ihre Mutter zurück.

Situation in Österreich

Seit 2018 gilt in Österreich das zweite Erwachsenenschutzgesetz. Durch dieses Gesetz wurde die rechtliche Vertretung von Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen und/oder psychischer Erkrankung an die UN- Behindertenrechtskonvention angepasst und der Autonomie und Selbstbestimmung der vertretenen Person ein zentraler Stellenwert eingeräumt. In Österreich ist derzeit (Stand 12/2022) für 61.730 Menschen eine Erwachsenenvertretung registriert. Dies bedeutet jedoch nicht, dass diese 61.730 Menschen nicht mehr über ihr Leben bestimmen dürfen.

"Bei jeder Form der Vertretung stehen der Wille oder der mutmaßliche Wille, sowie die Autonomie des Vertretenen im Zentrum. Im Idealfall ist es so, dass der Erwachsenenvertreter oder der Vorsorgebevollmächtigte nur dann einspringt, wenn die vertretene Person dies benötigt und wünscht." Erzählt Ulrike Schröer, Sozialarbeiterin beim Gerontopsychiatrischen Zentrum und beim Psychosozialen Dienst in Wien.

Eine Erwachsenenvertretung soll idealerweise genau dort helfen, wenn dies gewünscht oder benötigt wird.
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Mit der Vorsorgevollmacht, der gewählten und gesetzlichen Erwachsenenvertretung stehen An- und Zugehörigen drei unterschiedliche Varianten der Vertretung zur Verfügung. "Natürlich hadern Angehörige immer wieder mit dieser Aufgabe. Viele sind sich nicht sicher, ob sie das machen können oder auch wollen. Die entscheidende Frage ist, wie tragfähig ist die Beziehung zwischen dem Angehörigen und dem Menschen, den er oder sie vertreten soll? Wie hat ihre gemeinsame Geschichte ausgesehen? War sie geprägt von einem offenen, wertschätzenden Miteinander oder wurde eher nicht miteinander gesprochen? Wie konnten Konflikte ausgetragen werden? All dies bespreche ich mit Angehörigen in den Beratungen." sagt Schröer weiter.

Kontinuierliche Begleitung und Beratung der An- und Zugehörigen im gesamten Prozess – von der Errichtung einer Vertretung über den Zeitraum der Vertretung hinweg – ist unerlässlich, um einer Überforderung vorzubeugen. Immer wieder geht es darum, die neue Rolle und die damit verbundenen Verpflichtungen und Aufgaben zu klären, sie in Einklang mit der "angestammten" Rolle zum Beispiel jener der Ehefrau, des Ehemannes, der Tochter oder des Sohnes zu bringen.

Gerichtliche Erwachsenenvertretung

Herr Müller wohnt seit über 50 Jahren in einer kleinen Wohnung im ersten Stock des Hauses im fünften Wiener Gemeindebezirk. Er ist seit langem alleine, seine Lebensgefährtin ist vor einigen Jahren verstorben, Kinder hatten sie keine. Herr Müller hat einen Bruder, der in Deutschland in einem Seniorenheim lebt. Kontakt haben die beiden nur zu Weihnachten und an ihren Geburtstagen. Im Haus herrscht seit ein paar Jahren hohe Fluktuation, sodass kaum mehr ein Kennenlernen möglich ist.

Herr Müller zieht sich in seine Wohnung, in seine Welt zurück. Er geht nur mehr zum Einkaufen außer Haus. An einem dieser Einkaufstage regnet es stark. Als Herr Müller vom Einkaufen nach Hause kommt, rutscht er auf den Stiegen aus und stürzt. Es ist früher Vormittag, gefunden wird er um 15 Uhr von einer Nachbarin, die mit ihrem Kind nach Hause kommt.

Die Rettung wird verständigt, Herr Müller kommt ins Krankenhaus. Dort wird zusätzlich zu einem Oberschenkelhalsbruch auch eine mittelgrade Demenz festgestellt. Eine Mitarbeiterin des Entlassungsmanagements wendet sich an das Vertretungsnetz, um die Möglichkeiten einer Erwachsenenvertretung für Herrn Müller zu besprechen.

Nicht immer gibt es An- oder Zugehörige, die die Vertretung übernehmen können oder wollen. Wie in der Geschichte von Herrn Müller gibt es in Österreich etwa 33.000 Personen, die eine gerichtliche Erwachsenenvertretung haben. In der Regel sind dies Notare oder Rechtsanwälte, aber auch speziell ausgebildete Privatpersonen oder Angehörige. "Wir sehen häufig, dass Notare und Rechtsanwälte wenig Bezug oder Wissen zu Demenzen oder psychischen Erkrankungen haben" berichtet Schröer. "Das kann zu Missverständnissen und Fehleinschätzungen führen und den eigentlich guten Gedanken der Autonomie in den Hintergrund rücken. Wünschenswert wäre es, wenn auch Notaren und Rechtsanwälten automatisch beratende Organisationen oder Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter an die Seite gestellt werden würden. Leider fehlen dazu die finanziellen Ressourcen."

Grundsätzlich mangelt es an personellen, finanziellen und zeitlichen Ressourcen, um alle An- und Zugehörigen, aber auch gerichtliche Erwachsenenvertreterinnen und Erwachsenenvertreter in ihren Aufgaben entsprechend zu begleiten und zu beraten.

In einer idealen Welt würde es diese Ressourcen geben, mehr noch – Inklusion würde umfassend gelebt werden. Dafür kämpfen wir. Demenz geht uns alle an. (Marianne Buchegger, 17.5.2023)