Plötzlich kommt man an ihnen nicht mehr vorbei. BYD, Great Wall, BAIC, Nio, SAIC – Chinas Autobauer fahren mit der E-Mobilität ins Rampenlicht. Beim großen Nachbarn Deutschland hat sich der Marktanteil der aus dem Reich der Mitte gelieferten Elektroautos im ersten Jahresviertel auf gut 28 Prozent mehr als verdreifacht. Auch hierzulande sind die Stromer aus China schon.

BYD ist so ein Beispiel, Dominator bei E-Autos in China selbst und der einzige Player, der als Batteriehersteller begonnen hat. Das Auto, aus dem die Träume gebaut sind – BYD ist die Abkürzung für Build Your Dreams, ausgesprochen Bi-Wai-Di –, kommt von einem der größten E-Auto-Bauer der Welt. Atto 3, Tan, Hang, die ersten Modelle sind in Österreich seit Jahresanfang zu haben – zu begutachten in einem eigenen Flagshipstore in der Shopping City Süd oder bei Partnerhändlern.

Im Sommer wollen die Chinesen in Österreich mit einem kompakten E-Auto zum Preis von 30.000 Euro anrollen. Der BYD Dolphin würde dann abzüglich Förderungen bei der magischen 25.000-Euro-Grenze landen. Ein E-Auto für die kleinere Geldbörse – vielleicht für den Massenmarkt, während die Konkurrenz noch heftig darum strampelt, ein solches Modell ins Rennen schicken zu können.

Der BYD Dolphin auf einer internationalen Automesse in Bangkok.
Foto: REUTERS/Athit Perawongmetha

Zweifellos: Der Autobauer hat Großes vor. Im vergangenen Vierteljahr hat der Konzern seinen Gewinn um 411 Prozent gesteigert – auf 4,1 Milliarden Yuan (536,3 Millionen Euro). Auch mit dem Umsatz ging es steil bergauf – um fast 80 Prozent auf 120,2 Milliarden Yuan. BYD hat in den vergangenen drei Monaten 550.000 E-Autos an die Konsumenten gebracht, 440.000 davon in China.

Liebe zu den Stromern wächst

Befeuert von Programmen wie dem Fit-for-55-Paket in der EU oder dem Inflation Reduction Act in den USA wächst die Liebe zu den Stromern weltweit. China hat das durch üppige Subventionen befeuert – und sich mittlerweile zum Spitzenreiter bei E-Autos vorgearbeitet. Zweitgrößer Markt ist Europa, gefolgt von den USA. 60 Prozent der weltweiten Verkäufe spielten sich im Vorjahr im Reich der Mitte ab. Im Kampf gegen die Luftverschmutzung in den Großstädten hatte die Volksrepublik 2017 eine Offensive gestartet und den Autoherstellern eine Quote für den Verkauf von E-Autos vorgeschrieben. Ausländische Autobauer konnten die staatliche Förderung nur nutzen, wenn die Wagen in Kooperation mit einem chinesischen Partner gebaut wurden. Ein Schachzug, von dem in erster Linie chinesische Unternehmen wie BYD profitierten.

Digitales Erlebnis

Chinas Kunden erwarten ein digitales Rundumerlebnis im Auto, in diesem Bereich haben chinesische Autobauer derzeit die Nase vorn. BYD-Austria-Manager Danijel Dzihic sprach in der "Bezirkszeitung" von "elektrischen Christbäumen" zu einem vernünftigen Preis, in den Autos sei "einfach alles drinnen".

Lange wurden chinesische Autos in Europa im günstigsten Fall belächelt. Sie fielen bei Sicherheitstests durch und blamierten sich nicht selten bei der Qualität. Mit dem Elektroauto wurden die Karten neu gemischt. Plötzlich gelten chinesische Hersteller als Technologieführer. BYD oder Nio wollen die Welt erobern.

Für den Atto 3 wird auch hierzulande kräftig geworben. Günstiger als die Konkurrenz ist er mit einem Preis von gut 40.000 Euro aber auch nicht.
Foto: REUTERS/Nick Carey

Doch wer steckt hinter dem Konzern mit den großen Ambitionen? BYD ist in Shenzhen ansässig. 2010 gab der Hersteller dort ein strahlendes Börsendebüt. Der US-Großinvestor Warren Buffett hat wieder einmal ein glückliches Händchen bewiesen, seit seinem Einstieg 2008 hat sich der Aktienwert vervielfacht. Es kam nicht aus dem Nichts.

Ambitioniertes Ziel

BYD-Gründer Wang Chuanfu hatte 2013 mit Trommeln, sphärischen Engelsklängen, Naturfilmen und Hightech-Diagrammen das neue Modell Qin aus seinem Hause vorgestellt. Es sollte als Plug-in-Hybrid in die Zukunft weisen. "Die Erfahrung der Fahrer ist die wichtigste Triebkraft hinter unserer Innovation", sagte der damalige Pionier. Er hatte ein klares Ziel: in China die Elektrorevolution in der Autoindustrie anzuführen. Laut "Capital Daily" konzipierte BYD 2008 sein erstes vollhybrides Auto, F3DM.

Know-how in Sachen Batterien

Einer der Vorteile des Herstellers, der auch wiederaufladbare Batterien und andere Teile für Mobiltelefone herstellt: BYD hat als Batteriehersteller begonnen und stellt damit alle vier Schlüsselkomponenten eines E-Autos selbst her, nämlich Batterie, E-Motor, Steuergerät und Halbleiter, analysieren die Experten des ÖAMTC und zeigen sich in einem Testbericht zum Atto 3 voll des Lobes für das Modell.

Die BYD-Zentrale in Shenzhen.
Foto: REUTERS/Yilei Sun

Aufgelegt schien der Erfolg nicht: Vor gut zwanzig Jahren stellte Gründer Wang Chuanfu, ein studierter Chemiker, seine Pläne für seine BYD-Gruppe vor, den angeschlagenen staatlichen Automobilhersteller Xian Qinhuan Automobile und damit die Lizenz zum Autobauen zu erwerben. Bis dahin hatte man Batterien produziert, vor allem für Mobiltelefone, nun stieg man – zeitgleich mit Tesla – ins Autogeschäft ein. Seine Logik: die benzinschluckenden Verbrennungsmotoren in den Autos durch Batterien zu ersetzen. Für die BYD-Aktionäre, die dachten, sie hätten in einen langweiligen Batterieproduzenten investiert, dürfte die Strategie eher abwegig geklungen haben. Warren Buffett hat sie überzeugt, er hat 232 Millionen Dollar in BYD investiert. Wang zählt mittlerweile zum illustren Kreis der wirklich Reichen in China.

Von Peking nach Shenzhen

Der heute 57-Jährige kam laut "Financial Times" als zweitjüngstes von acht Kindern in einer Familie zur Welt, die alles andere als wohlhabend war. Als Student erhielt er zunächst einen Platz an einem Forschungsinstitut für Nichteisenmetalle in Peking, wo er später auch unterrichtete. Damals begann in Peking die Idee zu reifen, dass Chinas aufstrebende Batteriehersteller mit Japan konkurrieren sollten. Mitte der 1990er-Jahre zog Wang nach Shenzhen. Die Stadt war im Wandel – von einem verschlafenen Fischerdorf zu einem globale Produktionszentrum. Der Zuzug der Menschen aus dem ländlichen Raum verhalf den Fabriken zu den billigen Arbeitskräften, die sie brauchten, um mit den Konkurrenten in Japan, Südkorea und Taiwan mithalten zu können. Wang gründete eine kleine Fabrik, die anfangs wiederaufladbare Batterien herstellte.

Wang Chuanfu im Jahr 2019 auf der Automesse in Schanghai.
Foto: AP/Ng Han Guan

BYD hat auf das bekannte Erfolgsmodell vieler ostasiatischer Hersteller gesetzt: Man versuchte, japanische und US-amerikanische Produkte zu zerlegen und die Technologien nachzuahmen. Wang hatte dereinst erklärt, dass BYD in den Anfangsjahren, in denen man Batterien und andere Komponenten für Siemens, Nokia und Motorola herstellte, eine wichtige Lektion in Sachen Produktion gelernt habe: Scheinbar harmlose Probleme bei kleinen Teilen hatten, wenn sie sich bei vielen Zulieferern häuften, einen erheblichen Effekt – die Mobiltelefone funktionierten nicht. BYD kümmerte sich fortan um die Technologie von den fertigen Batterien bis zu den Lithium- und Nickelminen. Heute wird die Kontrolle der Lieferkette von den Mineralien bis zu den Computerchips, die in den Fahrzeugen verwendet werden, von Fachleuten als Weltklasse klassifiziert.

Seit Jahren ist die Gruppe auch in der Produktion von Solarfarmen und LED-Leuchttechnik für Straßenbeleuchtungen und von batteriebasierten Stromspeichersystemen aktiv, baut auch Elektrobusse und E-Sattelzüge und Gabelstapler und fertigt neben Batterien auch Gehäuse und Tastaturen für Handys. Die Zahl der Beschäftigen in der gesamten Gruppe: rund 570.000. Im ersten Quartal 2023 überholte BYD Auto den deutschen Autobauer VW zum ersten Mal bei den Verkaufszahlen in China (VW beschäftigt weltweit im gesamten Konzern rund 673.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen). Seine Benziner hat BYD mittlerweile eingemottet.

Bescheidener Vorsitzender

Was Wang Chuanfu selbst betrifft, so wird er als Workaholic beschrieben. "Er hat gesagt, dass es so etwas wie eine Work-Life-Balance für seine Generation von chinesischen Geschäftsführern nicht gibt", erinnert sich eine Führungskraft aus der Automobilindustrie in der "FT". Doch Wang habe auch eine rücksichtslose Ader bewiesen. Intern wird er demnach als "der Vorsitzende" tituliert. Andererseits sei er "das ruhige, bescheidene Genie, an dem man auf der Straße vorbeigehen könnte, ohne es zu bemerken", sagte Michael Dunne, ein ehemaliger GM-Manager und China-Experte. "That would be a mistake." (Regina Bruckner, 14.5.2023)