Dieser Text ist Teil eines RONDO-Design-Schwerpunkts zum Thema "Die kleinen Wahrzeichen Wiens".

Schriftstellerin Sabine Gruber: "Die Waagen sind Speicher der Erinnerung"

Designer Tino Valentinitsch: "Die Würfeluhr ist frühes Social Design"

Foto: Katharina Gossow

"Mein Verhältnis zu Laternen in Wien ist ein wenig problematisch und belastet. Da kann die Laterne allerdings nichts dafür. Es handelt sich um eine Problematik, mit der ich das Stadtbild seit Jahren konfrontiert sehe. Wenn die alten Gaslaternen imitiert und mit neuesten Leuchttechniken ausstattet werden, hat man meiner Meinung nach als Gestalter oder Gestalterin aufgegeben.

Genau das passierte vielerorts in der Stadt. In anderen Ländern, zum Beispiel in spanischen Städten, ist der Zugang ein ganz anderer. In Barcelona verfügt so gut wie jeder Platz über eine besondere und moderne Leuchte. Ich denke, das hat generell mit der Bedeutung von Städtebau und öffentlichem Raum zu tun. Die Kultur ist in Wien seit jeher eine andere, das gilt auch für die Ausschreibung von Wettbewerben. Bei uns wird sehr viel auf das Pragmatische heruntergebrochen. Die Folge ist, dass man auf das Alte zurückgreift, also auf das bestehende Repertoire. Klar gibt’s auch modernere Leuchten in der Stadt, aber die liegen im Spektrum von ganz okay bis eben nicht okay.

Eine gute Laterne sollte Charakter ausstrahlen, sagt Architektin und Stadtplanerin Sabine Pollak.
Foto: Katharina Gossow

Skulpturaler Effekt

Zwischen der Nachkriegszeit und den 1980er-Jahren existierten in Wien zwar ein paar ganz gute Lampentypen, dann hat sich die Situation allerdings wieder zurückentwickelt. Ich finde, man sollte einfach mehr Mut zum Experiment zeigen und auch mehr junge Leute einladen, etwas auszuprobieren. Es geht um die Weiterentwicklung von Konstruktionen und die Wahl der Materialien. Was spricht zum Beispiel dagegen, dass eine Straßenlaterne über mobile Funktionen verfügt, so wie das bei einer Leselampe der Fall ist?

Eine gute Laterne soll natürlich gutes Licht spenden, aber nicht überbeleuchten. Das ist eh klar. Leuchten sind eher große Elemente in der Stadt, und meiner Meinung nach sollten sie in Fragen der Formgebung Charakter ausstrahlen. Gute Lampen sehen wie Charaktere aus, die in der Gegend herumstehen, so wie Menschen, Tiere oder Pflanzen. Man könnte auch von einem gewissen skulpturalen Effekt sprechen.

Die Lampe auf dem Foto fällt nicht auf. An der geht man in der Regel einfach vorbei. Ich hatte dieses Modell bislang noch nicht einmal richtig auf dem Radar. Sie ist einfach nur altmodisch. Es ist natürlich nachvollziehbar und richtig, dass man alte Lampen stehen lässt, aber noch einmal: Dass man sie nachbaut und mit modernen Leuchtmitteln füllt – das macht man einfach nicht.

Als Angehörige der Architektenzunft ist man natürlich geschädigt. Man schaut ständig nach den Dingen der Stadt. Das kann ganz schön anstrengend sein. Unterm Strich finde ich die Möblierung der Stadt Wien nicht gelungen, vor allem nicht gewachsen. Gewachsen wäre sie, wenn sie sich aus einer Logik heraus über die Jahrhunderte entwickelt hätte. Wir leben mit einem Sammelsurium aus ein paar alten Dingen, neuen Objekten, die das Alte imitieren, und neuen Dingen. Natürlich gehören Entwürfe wie die eines Otto Wagner bewahrt und erhalten. Das versteht sich doch von selbst. Es geht darum, dass eine Stadt so viel Energie aufbringen sollte wie eben zu Zeiten eines Wagner und sagt, ‚wir wollen die besten Leute holen, für die besten Dinge in der Stadt‘." (Aufgezeichnet von: Michael Hausenblas, 20.5.2023)