Schon vor 300.000 Jahren haben Menschen in Europa ihre Spuren hinterlassen, und zwar durchaus auch buchstäblich, wie eine Entdeckung im paläolithischen Fundstellenkomplex Schöningen in Niedersachsen zeigt: Dort nämlich hat ein internationales Forschungsteam die ältesten bekannten menschlichen Fußabdrücke Deutschlands entdeckt. Die Fußspuren stammen wahrscheinlich von Homo heidelbergensis und sind von zahlreichen Abdrücken unterschiedlicher Säugetierarten umgeben. Zusammen mit weiteren Untersuchungsergebnissen zeichnen sie ein detailreiches Bild der damaligen Lebensumstände für Mensch und Tier.

Beim Marsch am Ufer eines Sees ist die Homo-heidelbergensis-Familie bei jedem Schritt tief in den Schlamm eingesunken.
Foto: J. Serangeli/Senckenberg

Zwischen Nashörnern und Elefanten

Die Fußabdrücke wurden möglicherweise von einer Kleinfamilie der Heidelberger Menschen hinterlassen, die sich an einem von Gräsern und offenen Birken- und Kiefernwäldern gesäumten, wenige Kilometer langen und einige Hundert Meter breiten See aufhielt. An dessen schlammigen Ufern fanden sich damals Herden von Elefanten, Nashörnern und Paarhufern ein, um zu trinken oder zu baden.

"So oder so ähnlich könnte es vor 300.000 Jahren im niedersächsischen Schöningen ausgesehen haben", erläutert Flavio Altamura, Erstautor der nun im Fachjournal "Quaternary Science Reviews" erschienenen Studie. "Wir haben erstmalig die fossilen Fußabdrücke von zwei Fundorten in Schöningen detailliert untersucht", so der Forscher vom Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment an der Universität Tübingen.

Junge Menschen

Die Spuren der Tiere und der menschlichen Vorfahren lieferten dem Team, zusammen mit den Informationen aus sedimentologischen, archäologischen, paläontologischen und paläobotanischen Analysen, zahlreiche Erkenntnisse über die Paläoumwelt und die einst in diesem Gebiet lebenden Säugetiere. Zwei der drei menschlichen Spuren in Schöningen ordnen die Wissenschafter und Wissenschafterinnen jungen Individuen zu, die in einer kleinen altersgemischten Gruppe den See und dessen Ressourcen nutzten.

"Je nach Jahreszeit waren rund um den See Pflanzen, Früchte, Blätter, Triebe und Pilze verfügbar. Unsere Funde bestätigen, dass die ausgestorbene Menschenart sich an See- oder Flussufern mit flachem Wasser aufhielt. Das ist auch durch andere Fundstellen mit Homininen-Fußabdrücken des Unter- und Mittelpleistozäns bekannt", sagte Altamura. Die Spuren in Schöningen zeigen eine Momentaufnahme eines Familienalltags und können über das Verhalten und die soziale Zusammensetzung der Homininen-Gruppe Auskunft geben.

Ob die Begegnung mit den riesigen Dickhäutern damals tatsächlich so entspannt ablief? Fakt ist jedenfalls, dass Europäische Waldelefanten etwa zur selben Zeit ebenfalls ihre Spuren im Uferschlamm hinterlassen haben.
Foto: Benoît Clarys/Senckenberg

Familienausflug statt Jagdgesellschaft

Auch über das räumliche Zusammentreffen und die Koexistenz mit den Elefantenherden und anderen, kleineren Säugetieren konnten die Forschenden ihre Schlüsse ziehen. "Es handelt sich aufgrund der Spuren auch von Kindern und Jugendlichen wohl eher um einen Familienausflug als um eine Gruppe erwachsener Jagender", fasst Altamura die Ergebnisse der Untersuchungen zusammen.

Neben den menschlichen Fußabdrücken analysierte das Team eine Reihe von Elefantenspuren, die dem ausgestorbenen Europäischen Waldelefanten (Palaeoloxodon antiquus) zuzuordnen sind. Der Riese mit geraden Stoßzähnen dürfte damals eines der größten Landtiere gewesen sein.

Größer als das Wollhaarmammut

Ausgewachsene Bullen erreichten ein Körpergewicht von bis zu 13 Tonnen und überragten wahrscheinlich auch das Wollhaarmammut (Mammuthus primigenius) – im Schlamm hinterließen sie Hinweise auf ihre beeindruckenden Ausmaße. "Die von uns entdeckten Elefantenspuren in Schöningen erreichen eine beachtliche Länge von 55 Zentimetern", sagte Jordi Serangeli, Grabungsleiter in Schöningen.

In einigen Fällen fanden die Forschenden sogar Holzfragmente in den Spuren, die von den Tieren in den – damals weichen – Boden gedrückt worden waren. "Eine Spur stammt zudem von einem Nashorn – Stephanorhinus kirchbergensis oder Stephanorhinus hemitoechus – und ist der erste Fußabdruck dieser Art aus dem Pleistozän, der in Europa gefunden wurde", so Serangeli. (red, 12.5.2023)