Richard Hörmann (61) ist seit 1986 im Konzertgeschäft tätig und Geschäftsführer des Veranstalters Barracuda Music, an dem der studierte Tontechniker 4,5 Prozent hält. Hörmann ist Vater zweier erwachsener Kinder.
Foto: Robert Newald

Zwischen einem Telefonat mit dem Manager von Paul McCartney und einem Termin beim Steuerberater spricht Konzertveranstalter Richard Hörmann über hohe Ticketpreise, Corona und verlorene Millionen durch die Pleite der Commerzialbank Mattersburg, bevor es am nächsten Tag nach London geht. Dabei tritt der 61-Jährige seit der Pandemie bereits etwas kürzer, aber die Pension hat auf ihn nach bald 40 Jahren im Geschäft nur wenig Anziehungskraft.

STANDARD: Sie sind selbst schon auf der Bühne gestanden vor tausenden Zuschauern?

Hörmann: Vor vielen Tausend nicht, aber ich habe in einer Jugendband gespielt. Unser größter Erfolg war in Hoheneck, da waren 2000 Besucher. Wir machten das, um die weiblichen Fans zu beeindrucken. Aber ich habe dann die Seiten gewechselt und wurde Veranstalter.

STANDARD:Viele finden die Ticketpreise exorbitant, vor allem seit Corona. Was sind die Ursachen?

Hörmann: Der Treiber ist immer die Künstlergage. Als wir zu Schillingzeiten Richtung 500 Schilling gingen, haben schon alle gesagt, das ist der totale Wahnsinn. Es heißt in unserer Branche immer, der Künstler ist gierig und nimmt zu viel. Aber es gehören zwei dazu. Wenn AC/DC von einem Veranstalter drei Millionen bekommen, vom nächsten fünf Millionen, werden sie nicht den um drei Millionen nehmen. Das schlägt auf die Tickets. Das ist ein Ringelspiel, das sich nicht stoppen lässt.

STANDARD: Wie groß ist der Anteil der Künstlergagen?

Hörmann: Nehmen wir das ausverkaufte Stadion mit 100 Euro von 60.000 Besuchern. Das sind sechs Millionen Euro Umsatz, von dem die Hälfte an die Produktion geht. Das sind der Künstler und alles, was dazugehört – Ton, Licht, Bühne. Der Rest sind Steuern und Abgaben. Für die großen Künstler wie Elton John, Springsteen oder auch die Stones muss man in die Tasche greifen.

STANDARD: Schauen Leute bei kleineren Konzerten mehr auf den Preis?

Hörmann: Im Clubsegment von 1000 bis 5000 Besuchern sind sie preissensibler. Der Superstar in der Stadthalle wird sein Ticket verkaufen. Wir versuchen die magische Grenze von 99 Euro nicht zu überspringen. Im breiten Segment sehen wir nicht zu hohe Preise. Wir machen etwa 400 Veranstaltungen im Jahr. Man sieht ja nur die 40 größten, die oft höhere Preise haben.

STANDARD: Machen wir einen Zeitsprung: Haben Sie Anfang 2020 geahnt, was auf Sie zukommt?

Hörmann: Nein, das hat niemand geahnt in der Branche. Ich war im Februar in London, wo es schon etwas losging, aber das hat keinen interessiert. Niemand hat sich das in dieser Dimension vorstellen können, dass wir zwei Jahre lang auf null sind.

STANDARD: Und dass man es überleben kann. Dank der staatlichen Hilfen wie Kurzarbeit, oder?

Hörmann: Keine Frage. Wir haben knapp 50 Mitarbeiter, die wir behalten haben.

STANDARD: Dann kam die Pleite der Commerzialbank Mattersburg. 34 Millionen Euro hat das Barracuda gekostet, ihre Klagen wurden abgewiesen.

Hörmann: Ja, da ist nicht viel anzufügen – auch das konnte sich niemand vorstellen. Es hat uns an einem wunden Punkt erwischt, da wir zu dem Zeitpunkt die Kartengelder hatten für die Shows während der Corona-Zeit. Und genau zu der Zeit macht die Bank einen Abgang.

STANDARD: Anders als in der Veranlagung üblich wurde das Risiko nicht gestreut. Wegen der höheren Zinsen?

Hörmann: Nicht wegen der Zinsen, das hatte praktische Gründe. Das Nova Rock ist im Burgenland, und die Bank war quasi gegenüber. Das ist historisch gewachsen.

STANDARD: Würde es Barracuda noch geben ohne den Einstieg von CTS Eventim Anfang 2020?

Hörmann: Das ist sehr schwer zu beurteilen. Wäre es nicht Eventim geworden, wäre es ein anderer Partner geworden. Es hätte aber einen Financier gebraucht.

STANDARD: Warum haben Sie einen größeren Partner gesucht?

Hörmann: Ab dem Jahr 2000 hat sich das mit dem Konkurrenten Live Nation aus den USA geändert. Die haben alles zusammengekauft und den Markt bereinigt, zuerst in Amerika, dann auch in Deutschland. Wir sind international nichts, daher muss man sich mit anderen zusammenschließen.

STANDARD: Wie viel Umsatz macht Barracuda im Jahr?

Hörmann: Genau kann ich es nicht sagen, aber unter 50 Millionen sind es sicher nicht. Wir haben das Nova Rock, das Frequency, und wir haben Gastronomie und Infrastruktur, das haben wir aufgeteilt. Ewald Tatar (Geschäftsführer der Barracuda Holding, Anm.) hat mit dem Nova Rock auf jeden Fall das größte Event. Wir verkaufen rund eine Million Tickets im Jahr.

Musiker leben laut Konzertveranstalter Hörmann heute sehr gesundheitsbewusst. Ob er dabei speziell an Präsidentschaftskandidat Dominik Wlazny alias Marco Pogo von der Gruppe Turbobier (zu sehen beim Nova Rock 2022) gedacht hat, sei dahingestellt.
Foto: APA/FLORIAN WIESER

STANDARD: Hat Baraccuda in Österreich fast ein Monopol?

Hörmann: Das sehen wir anders, weil man Live Nation nicht unterschätzen darf. Wir haben im Vorjahr mit den Stones oder Guns n’ Roses und Ed Sheeran große Stadionshows gehabt, heuer wird es aber mehr von Live Nation geben. Somit kann man nicht von einem Barracuda-Monopol sprechen.

STANDARD: Wie groß ist der Kuchen mit Livekonzerten verglichen mit Streaming, Tonträgern und Rechten?

Hörmann: Als die CD rauskam und groß wurde, war der Anteil gegenüber den Livekonzerten das Zehn- bis Hundertfache. Eine Tournee diente zur Promotion der CDs. Heute ist es umgekehrt. Wir sehen die Entwicklung problematisch, wovon werden die Künstler in Zukunft leben? Andererseits kann jeder heute mit einem Laptop Musik machen.

STANDARD: Wie wichtig sind österreichische Künstler?

Hörmann: Rund zehn Prozent gehen an Österreicher. Nach Ambros und Fendrich, die das Stadion gefüllt haben vor 20, 25 Jahren, war Flaute. Jetzt haben wir Bilderbuch, Pizzera & Jaus, Parov Stelar, Volksmusikanten. Es gibt jede Menge nationaler Acts, die gut funktionieren.

STANDARD: Was war mit Falco?

Hörmann: Falco hat nicht verkauft. Die Tourneen haben nie gut funktioniert. Man kennt das eine Video vom Donauinselfest, aber da hat keiner für Tickets bezahlt.

STANDARD: Wie kommt man an die Künstler? Ist es nur Geld?

Hörmann: Man braucht auch Credibility in der Branche, um die erste Hürde zu überwinden. Der Kontakt geht über den Agenten. Der zweite Schritt ist, ob er glaubt, dass du glaubwürdig bist. Da haben wir schon einen Vorteil, weil wir viel Glaubwürdigkeit aufgebaut haben.

STANDARD: Sind Sie beruflich viel unterwegs?

Hörmann: Ja, früher war ich nur 100 Tage pro Jahr in Wien. Ich möchte bei allen Events dabei sein und gehe als einer der Letzten aus der Halle. Der Rest geht für Termine drauf.

STANDARD: Jetzt reisen Sie weniger?

Hörmann: Ja. Mir hat Corona das Leben gerettet, weil von einem Tag auf den anderen Schluss war. Ich kam aus London zurück, und es war Lockdown. Erst da habe ich gemerkt, dass ich vorher am Anschlag war.

STANDARD: Haben Sie Kontakt zu den Künstlern, der über das Berufliche hinausgeht?

Hörmann: Es gibt eine Handvoll wie Tom Jones oder Pink, mit denen ist man ein Stück des Weges gegangen. Da freut man sich, wenn man sie wiedersieht, auch abseits der Musikgeschichte. Sonst ist der Betrieb schon sehr corporate geworden.

STANDARD: Keine Afterpartys?

Name: Afterpartys sind längst Geschichte, weil die Künstler nur noch ins Fitnesscenter gehen und vegetarisch essen. Wenn die früher etwas Grünes bestellt haben, ist es nicht ums Essen gegangen. Das hat sich komplett aufgehört, das sind jetzt alle Gesundheitsfreaks der ersten Güte.

Hörmanns besondere Leidenschaft gehört der Burg Clam, wo er seit den 1990ern Konzerte veranstaltet.
Foto: Wolfgang Stecher

STANDARD: Sie haben die Konzerte auf der Burg Clam in Oberösterreich bekannt gemacht. Wie kam es dazu?

Hörmann: Die haben das zuerst selber gemacht, aber nicht professionell genug, da sie zu wenig Zeit hatten. In den Jahren 2000 bis 2005 war der Markt extrem volatil. Gagen gingen ins Unendliche, die Ticketpreise nicht. Da hat es einige Veranstalter erwischt. Auch die Clam ging in Konkurs, und das wollten wir nicht brach liegen lassen und haben es wieder hochgefahren.

STANDARD: Was macht den Reiz aus?

Hörmann: Wir haben dort wirklich einzigartige Voraussetzungen. Wir haben Künstler dort hingebracht, die es sonst nicht gab: Pink hat dort gespielt, Elton John hat gespielt – also Künstler, die man nicht bei einer 9000er-Location erwarten würde. In der letzten Saison hatten wir 75.000 Zuschauer, das ist für so eine kleine Location nicht gerade wenig.

STANDARD: Zu welcher Musik entspannen Sie?

Hörmann: Das ist sehr stimmungsabhängig. Es gibt Phasen, in denen ich im Auto Volbeat höre, aber auch R ’n’ B oder Soul. Was ich nicht höre – oder wenig –, ist Klassik, da kenne ich mich zu wenig aus. Das habe ich auch versucht zu veranstalten, bin aber kläglich gescheitert. Dasselbe gilt für Volksmusik. Ich mag aber Grönemeyer oder Westernhagen.

STANDARD: Streamen Sie auch Musik, oder sind sie Hi-Fi-Enthusiast?

Hörmann: Da ich Tontechnik studiert habe, kenne ich mich ein bisserl aus. Ich habe eine Streaminganlage, aber das ist schrecklich, kein Dynamikbereich, nicht zum Anhören. Ich habe mit meinem Sohn einmal dasselbe Stück von CD und von Spotify angehört. Da merkt man natürlich einen Unterschied.

STANDARD: Freuen Sie sich auf die Pension?

Hörmann: Ich kenne wenige in der Branche, die ausgestiegen sind. Viele arbeiten noch mit 80, weil das Musikgeschäft faszinierend ist. In Clam sind wir dabei, einen neuen Zehnjahresvertrag zu schmieden. Warum soll ich das nicht machen? (Alexander Hahn, 14.5.2023)