Die Heilungschancen von fortgeschrittenem Bauchspeicheldrüsenkrebs sind nach wie vor sehr schlecht.

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Bauchspeicheldrüsenkrebs ist eine der tödlichsten Krebsarten mit einer Fünf-Jahres-Überlebensrate von rund zehn Prozent. In Österreich erkranken jährlich rund 2.000 Personen daran. Damit ist der Pankreastumor nach Dickdarm- und Magenkrebs die häufigste Krebsart des Verdauungstrakts.

Im Frühstadium ist eine Heilung der Erkrankung durch Operation und nachfolgende Chemotherapie möglich. Im fortgeschrittenen Stadium geht es meist nur noch um eine Lebensverlängerung. Entsprechend resümiert eine Überblicksarbeit im führenden Fachblatt "The Lancet" aus dem Jahr 2020, dass neue Strategien für das Screening von Hochrisikopatienten zur Erkennung von Pankreastumoren in früheren Stadien dringend erforderlich seien, um eine klinisch bedeutsame Wirkung zu erzielen.

KI erkennt Risiko besser

Ein Team um Chris Sander (Harvard Medical School) und Søren Brunak (Uni Kopenhagen) hat nun eine Deep-Lerning-KI entwickelt, die dazu beitragen kann, die Überlebenschancen deutlich zu erhöhen, indem Risikopatienten früher identifiziert werden. Laut ihrer Publikation, die kürzlich im Fachmagazin "Nature Medicine" erschien, kann die KI ausschließlich anhand der Patientenakten Menschen mit einem erhöhten Risiko für Bauchspeicheldrüsenkrebs erkennen. Die Prognose der Krebserkrankung wird dadurch bis zu drei Jahre vor der eigentlichen Diagnose mit hoher Genauigkeit möglich.

Um die KI zu trainieren, nutzten die Forschenden Krankheitsgeschichten von neun Millionen Menschen aus den USA und Dänemark, von denen 28.000 Bauchspeicheldrüsenkrebs entwickelten. Auf Basis der Trainingsdaten ermittelte die KI Muster, die für Menschen mit Bauchspeicheldrüsenkrebs typisch sind. Die Forschenden betonen, dass viele der Symptome keine direkte Verbindung zur Bauchspeicheldrüse aufwiesen oder von dieser ausgingen.

Die von der KI ermittelten Risikofaktoren, links der dänischen und rechts der US-Kohorte.
Grafik: Sander, Brunak et al., Nature Medicine, 2023

Verbesserung der Entscheidungsfindung

Das US-dänische Team untersuchte diverse Varianten der KI-Modelle auf ihre Fähigkeit, Individuen mit einem erhöhten Risiko für die Manifestation einer Krankheit über verschiedene Zeiträume hinweg – sechs Monate, ein Jahr, zwei Jahre und drei Jahre – zu identifizieren. Jede Ausführung des KI-Algorithmus übertraf in puncto Genauigkeit bei der Prognose der Entwicklung eines Pankreaskarzinoms deutlich die gegenwärtigen Schätzungen zur Krankheitsinzidenz in der Gesamtbevölkerung.

"Eine der bedeutendsten Entscheidungen, mit denen Ärzte tagtäglich konfrontiert werden, besteht darin zu ermitteln, wer ein hohes Risiko für eine Erkrankung aufweist und wer von weiterführenden Untersuchungen profitieren würde", resümiert Ko-Studienleiter Chris Sander. "Ein KI-Werkzeug, das gezielt die Personen mit dem höchsten Risiko für Pankreaskrebs identifizieren kann, die den größten Nutzen aus weiteren Tests ziehen würden, könnte maßgeblich zur Verbesserung der klinischen Entscheidungsfindung beitragen."

Neue Hoffnung auf Immuntherapie

Was aber tun bei fortgeschrittenem Pankreastumor? Bei anderen Krebsarten haben Immuntherapien, bei denen Medikamente eingesetzt werden, die als Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICIs) bekannt sind, in den letzten Jahren die Behandlung revolutioniert. ICIs wirken, indem sie das Immunsystem einer Person speziell gegen mutierte Versionen von Proteinen (sogenannte Tumor- oder Neoantigene) "scharf machen", die ausschließlich von Krebszellen exprimiert werden.

Bauchspeicheldrüsenkrebs spricht nach dem bisherigen Kenntnisstand nicht auf ICIs an. Dies liegt vermutlich zum Teil daran, dass diese Tumore weniger dieser Neoantigene exprimieren als andere Tumorarten und daher weniger wahrscheinlich eine starke Immunantwort von Antitumor-T-Zellen auslösen.

Personalisierte mRNA-Impfung

Ein Team um Vinod Balachandran (Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York) beschreibt ebenfalls diese Woche im Fachblatt "Nature" einen in Phase I erprobten klinischen Ansatz, bei dem ein mRNA-Impfstoff namens adjuvantes autogenes Cevumeran, der für maximal 20 individuelle Neoantigene des jeweiligen Patienten maßgeschneidert wird, für eine personalisierte Immunantwort sorgen. Die Impfstoffgabe erfolgte neun Wochen nach der Operation in Kombination mit Chemotherapie und Immuntherapie.

Bei der Hälfte der damit behandelten Patienten zeigte sich eine deutliche Reaktion der T-Zellen, was darauf hindeutet, dass der Impfstoff eine verbesserte Immunreaktion hervorrufen kann. Nach einer 18-monatigen Nachbeobachtungszeit korrelierten die erhöhten Immunreaktionen bei den Patienten mit einer längeren Zeitspanne bis zum Rückfall, während bei Patienten, die nicht auf den Impfstoff ansprachen, die Krankheit im Median 13,4 Monate nach der ersten Bewertung fortschritt.

Diese Ergebnisse zeigen laut Balachandran und Kollegen das Potenzial individualisierter mRNA-Impfstoffe bei der Behandlung von fortgeschrittenem Pankreaskarzinom und würden so ihre allgemeine Wirksamkeit als therapeutisches Mittel bei der Behandlung der Krankheit belegen. Die Autoren merken an, dass diese frühen Ergebnisse trotz der begrenzten Stichprobengröße darauf hindeuten, dass größere Studien mit solchen Impfstoffen gerechtfertigt seien.

Offene Kostenfrage

Für die Phase II hoffen die Forschenden, die Dauer für die Herstellung des Impfstoff und der Verabreichung deutlich unter neun Wochen zu drücken, was die Therapiechancen verbessern sollte. Zudem gibt es wohl auch bei den Kosten weiteren Verbesserungsbedarf: Der Firma Biontech sei es zwar gelungen, die ursprünglichen Kosten pro Dosis von 350.000 US-Dollar deutlich zu senken, wie die "New York Times" berichtete. 100.000 US-Dollar sind aber immer noch ein sehr hoher Preis. (Klaus Taschwer, 15.5.2023)