Linda Yaccarino wird Ende Juni CEO von Twitter.

Foto: APA/AFP/GETTY IMAGES/LAURA CAVAN

Sie gilt als einer der renommiertesten Expertinnen am Werbemarkt, sie beriet US-Präsidenten und arbeitete an der Covid-Impfkampagne in den USA mit: Linda Yaccarino, die neue Chefin von Twitter hat ihre größte Aufgabe aber noch vor sich. Sie muss hinter Musk aufräumen.

VIDEO: Rückschau – Elon Musks Twitter-Übernahme.
DER STANDARD

In sechs Wochen wird Yaccarino ihren Posten bei Twitter – oder der X Corp. – antreten. Dort wird sie als das Vertrauen der Werbewirtschaft wieder aufbauen müssen. Elon Musk hatte mit seinem erratischen Führungsstil und seinem Bekenntnis zur "absoluten Meinungsfreiheit" viele Großkunden verschreckt. Die Forbes 500 wollten ihre Produkte nicht mehr neben Hassrede, Verschwörungserzählungen und Falschmeldungen sehen. Damit ist es logisch, dass die Wahl auf Yaccarino fiel. Sie gilt als in der Branche bestens vernetzt. Und: Yaccarino ist auch ein Signal an die gemäßigteren Userinnen und User auf Twitter, denen der Ton auf der Plattform zuletzt zu sehr in die irrlichternde Ecke abdriftete.

Natürlich lässt sich jetzt noch nicht voraussagen, ob die 60-Jährige die Debattenkultur auf Twitter auf eine Ära vor Musk zurückdreht oder den Weg des Eigentümers weitergeht. Aber wer ist Yaccarino? Der Versuch einer Einordnung.

Steile Karriere in der Werbewirtschaft

Die gebürtige New Yorkerin hat ihre gesamte Karriere in der Werbewirtschaft verbracht. Zuletzt führte sie die globale Werbeabteilung von NBCUniversal. Das Unternehmen gehört zu den großen in der Medienbranche und umfasst die Fernsehsender NBC, CNBC, Syfy, MSNBC, History, das Filmstudio Universal Pictures, Themenparks, Streamingdienste und vieles mehr. Dort leitete Yaccarino ein 2.000 Mitarbeitende starkes Team, das laut ihrem Profil auf Linkedin mehr als 100 Milliarden US-Dollar an Werbeumsätzen generiert hat. Dort ging die designierte Twitter-Chefin Partnerschaften mit Apple News, BuzzFeed, Snapchat und Twitter ein und verantwortete sämtliche Anzeigenverkäufe auf globaler wie lokaler Ebene.

Im Jahr 2018 wurde Yaccarino von Präsident Donald Trump für eine zweijährige Amtszeit in seinen Rat für Sport, Fitness und Ernährung berufen. Als Vorsitzender des Werberats arbeitete Yaccarino außerdem 2021 mit der Biden-Regierung zusammen und hat eine Impfkampagne gegen das Coronavirus mitentwickelt. Auch Papst Franziskus war an der Kampagne beteiligt.

Gemeinnützige Werber

Die Absolventin der Pennsylvania State University und leidenschaftliche Football-Anhängerin leitet darüber hinaus das Ad Council, eine gemeinnützige Werbeagentur, die Werbekampagnen im öffentlichen Interesse gestaltet. Dazu gehören etwa Werbebotschaften zur Verhinderung von Waldbränden, gegen Alkohol am Steuer oder eine Kampagne zur Früherkennung von Schlaganfällen.

Salesforce

Ihre Karriere startete Yaccarino als Praktikantin in der Medienplanungsabteilung von NBCUniversal, wo ihre "Liebesaffäre mit der Medienbranche" begann, wie sie einem ihrer raren Interview berichtete. Später war sie 15 Jahre lang für den Unterhaltungskonzern Turner Entertainment tätig, bevor sie zu NBC zurückkehrte.

Nicht das erste Zusammentreffen mit Musk

Musk und Yaccarino haben bereits früher zusammengearbeitet, wie die "Washington Post" berichtet. Die beiden standen letzten Monat in Miami Beach gemeinsam auf der Bühne und hielten einen Vortrag mit dem Titel "Twitter 2.0: From Conversations to Partnerships", der als "intimes Gespräch" über die Rolle von Twitter in der Kultur und seine Zukunft für Vermarkter beworben wurde. NBCUniversal hat außerdem kürzlich seine Partnerschaft mit Twitter für die Olympischen Spiele 2024 in Paris erweitert.

Eine Absage an die Verschwörungserzähler

Die Amerikanerin ist aber nicht nur eine ausgewiesene Medienexpertin, sondern auch eine der Vorstandsvorsitzenden des Weltwirtschaftsforums. Bekannt ist das WEF vor allem für das jährliche Treffen von Spitzenpolitikern und globalen Wirtschaftsführern im schweizerischen Davos. Und: Das WEF gilt in den Verschwörerkreisen auf Twitter als eine der Wurzeln allen Übels.

Gerne wird hier die Erzählung von den "globalen Eliten" weiterverbreitet. Umso größer ist nun die Enttäuschung unter den Userinnen und Usern, die sich unter Musks Führung unter dem Denkmantel der Redefreiheit eine Bubble aus Hassrede und Verschwörungserzählung aufgebaut haben. Sie laufen gegen die Bestellung Yaccarinos Sturm. Musk hätte Twitter an das World Economic Forum verkauft, so der Vorwurf.

Elon Musk kündigt eine Fragerunde mit der neuen CEO von Twitter an.

Für die Nutzerinnen und Nutzer, die sich nicht an den extremen Rändern bewegen, ist Yaccarino ein Signal, dass Twitter wohl einen zivilisierteren Kurs einschlagen wird – so Elon Musk sie lässt. (Peter Zellinger, 13.5.2023)