Hier haben die Frauen das Sagen: Wer in der Volksopern-Version von "Die lustigen Weiber von Windsor" an krampfigen Feminismus und Männerbashing denkt, wird eines Besseren belehrt.

Foto: Barbara Palffy/Volksoper

Wenn vom Falstaff die Rede ist, denkt man sofort an Giuseppe Verdi. Mit seinem letzten Bühnenwerk schuf der 80-jährige Komponist ein wahres Meisterwerk der Opera buffa. Allerdings war Verdi nicht der Erste, der sich mit dem trink- und raufsüchtigen Sir verewigt hat: Auch Otto Nicolai vertonte Shakespeares The Merry Wives of Windsor.

Als typische Vertreterin der deutschen Spieloper hatte es das Werk in den letzten Jahren nicht gerade leicht. Das Genre galt lange als altmodisch und verstaubt – obwohl Nicolai sein Handwerk u. a. in Italien lernte und dort sogar die Mailänder Scala eroberte. Nun scheint es, als würde die in Verruf geratene Spieloper eine leise Renaissance erleben: Erst kürzlich wagte sich das Theater an der Wien an Webers Freischütz, nun legt die Volksoper mit Otto Nicolais Lustige Weiber von Windsor nach. Den Stoff hat Nicolai, der übrigens als Hofkapellmeister am Kärntnertortheater wirkte und die Wiener Philharmoniker gründete, in eine herrliche Musik voller Humor, Komik und Poesie gepackt. 1849 hatte das Werk in Berlin Premiere und verschwand nach einer kurzen Erfolgswelle von den Spielplänen.

Unfug und Verwirrungen

Die Geschichte ist rasch erzählt: Frau Fluth und ihre Nachbarin Frau Reich beschließen, sich gegen die Avancen Falstaffs zu wehren und ihm eine Lektion zu erteilen. Außerdem soll Anna, Reichs Tochter, verheiratet werden. Es gibt gleich drei Anwärter, was naturgemäß zu gröberen Tumulten, Verwirrungen und jeder Menge Unfug führt. Allerdings bieten Nicolais Weiber mehr als nur Liebesgeschichten und Heiratssachen. In Wien hat die junge niederländische Regisseurin Nina Spijkers gemeinsam mit Bühnenbildnerin Rae Smith die Handlung ins Jahr 1918 verlegt, als der Adel abgeschafft wurde, Frauen erstmals wählen und Mädchen aufs Gymnasium gehen durften. Auch an der Volksoper haben Frauen das Sagen. Es geht um Selbstbestimmung und Emanzipation, Wahlfreiheit und weiblichen Widerstand. Wer jetzt an krampfigen Feminismus und Männerbashing denkt, wird rasch eines Besseren belehrt.

Spijkers, die in einer Theaterfamilie aufgewachsen ist und bisher vor allem in ihrer Heimat tätig war, bringt Nicolais Werk hinreißend komisch, flockig leicht und mit jeder Menge Tempo auf die Bühne. Dass die drei Stunden wie im Flug vergehen, ist ihrem ausgezeichneten Gespür für Witz und Timing zu verdanken, das glücklicherweise ganz ohne abgeschmackte Schenkelklopfer und peinliche Possen auskommt.

Wie der Name schon verrät, lebt das Genre nicht nur vom Gesang, sondern auch vom Spiel der Protagonisten auf der Bühne. Nicolais virtuose Melange aus deutscher Spieloper, buffonesker Komödiantik und raffinierter Italianità, der Ben Glassberg und das Orchester jede Menge Esprit und Raffinesse entlocken, gestaltet das Ensemble mit überschäumender Spielfreude. Anett Fritschs Koloraturen (Donizetti lässt grüßen) sind das reinste Vergnügen, während Stephanie Maitlands geschmeidiger Alt zu Höchstform aufläuft. Köstlich, wie sich die beiden in ihrer ersten Arie über Falstaff unterhalten und dabei ihre Köpfe durch ein Nacktgemälde stecken. Da kann es schon passieren, dass die Hand mit dem Brief plötzlich aus dem Popsch der Porträtierten schaut.

Falstaff voll im Saft

Als Falstaff in Gestalt von Martin Winkler die Bühne betritt, gibt es kein Halten mehr: Winkler, der die Generalprobe wegen Stimmproblemen abbrechen musste, zeigt sich wieder voll im Saft. Als ehemaliger Ritter und Sir hat er die besten Zeiten freilich hinter sich. Winkler spielt den Bier saufenden, rülpsenden Schwerenöter mit Plauze und fettigem Haar so brillant komisch, dass es eine Gaudi ist.

Auch die übrigen Männer bekommen ihr Fett weg: Daniel Schmutzhard muss mit Herrn Fluths rasender Eifersucht klarkommen, während sich der schönstimmige Herr Reich (Aaron Pendleton) mit den beiden Hochzeitsanwärtern seiner Tochter, Junker Spärlich und Dr. Cajus (zum Schreien: Carsten Süss und Alexander Fritze), herumschlägt. Glücklicherweise gibt es für Anna (lieblich: Lauren Urquhart) und ihren Auserwählten Fenton (strahlend: JunHo You) doch noch ein Happy End: Beim Mondaufgang im Wald von Windsor schweben Magic Mushrooms von der Decke, die Harfe spielt, und die Liebe siegt. Zum Schluss gibt es rauschenden Applaus und Bravorufe für Ensemble, Orchester, Dirigent und Leading Team. (Miriam Damev, 15.5.2023)