2018 fand die letzte konventionelle, geflügelte Wäscheshow von Victoria's Secret statt, unter anderem mit den Models Josephine Skriver, Elsa Hosk und Jasmine Tookes.

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Zwei Jahrzehnte lang war die alljährliche Dessous-Show des Wäscheherstellers Victoria's Secret auf den US-Sendern ABC und CBS ein Quotenhit. Im Dezember 2018 aber flimmerte die Show ein letztes Mal über die Bildschirme. Und 2019 war nach zunehmender Kritik am überkommenen Marketingkonzept der Marke und an sinkenden Umsätzen Schluss: Models in Push-up-BHs und Engelsflügeln über einen Laufsteg zu schicken entsprach nicht mehr dem Zeitgeist.

In den Jahren zuvor war immer wieder auf die frauenfeindliche Unternehmenskultur bei dem Wäschehersteller und die Machenschaften ihrer Macher hingewiesen worden. Der langjährige Marketingchef Ed Razek soll Models und Mitarbeiterinnen belästigt und gemobbt, der ehemalige Unternehmenschef Lex Wexner zusammen mit Razek Models an ihren Freund Jeffrey Epstein vermittelt haben. Die dunklen Seiten hinter der Marke waren unter anderem in der Dokumentation "Victoria's Secret: Engel und Dämonen" thematisiert worden.

Seither ist hinter den Kulissen einiges passiert. Im Jahr 2020 verkaufte der Konzern L Brands 55 Prozent der Anteile des Unternehmens an die New Yorker Firma Sycamore Partners. Der unter Sexismusmus-Vorwürfen stehende Chef Lex Wexner, der 1963 L Brands gegründet und die Marke Victoria's Secret 1982 übernommen hatte, trat von seinem Posten zurück – 2020 folgte ihm Sarah E. Nash als Chefin des Verwaltungsrats.

Neue Strategie

Und die Marke? Sie versucht sich seither an einer Neupositionierung, die die Kundinnen von heute abholt. Also wurden das Größensortiment und die Produktpalette erweitert und die Marketingstrategie geändert. Beworben wird die Wäsche nun von einem "VS Kollektiv", von Frauen wie der Fußballspielerin Megan Rapinoe, der indischen Schauspielerin Priyanka Chopra Jonas oder dem "Curvy"-Model Paloma Elsesser, der Freestyle-Skifahrerin Eileen Gu und dem Transgender-Model Valentina Sampaio.

Jetzt soll auch die Show neu erfunden werden – in Form eines Dokumentarfilms in Spielfilmlänge, der im September Premiere haben soll. Der Streifen ist unter dem Titel "The Victoria's Secret Tour" angekündigt. Darin entwickeln vier Modedesignerinnen, Supriya Lele aus London, Jenny Fax aus Tokio, Melissa Valdes aus Bogotá und Bubu Ogisi aus Lagos, gemeinsam mit einer Gruppe an Kreativen jeweils eine Kollektion – die während einer Modenschau gezeigt wird. Daneben ist ein Live-Event geplant.

Doch ob die neue Marketingoffensive der Marke die jahrzehntelange Politik des Unternehmens tatsächlich vergessen lässt? Auf Social Media wird die Glaubwürdigkeit der Neuerfindung von Victoria's Secret immer wieder angezweifelt. Anfang 2024 jedenfalls soll das Buch zweier britischer Journalistinnen herauskommen. Es heißt "Selling Sexy: The Unstoppable Rise and Inevitable Fall of Victoria's Secret". Das Unternehmen wird noch häufiger mit seiner Vergangenheit konfrontiert werden. (red, 15.5.2023)