Wenn es um die Namensgebung von neu entdeckten Arten geht, werden Forscher gern kreativ. Ausgerechnet nach Sauron, dem Bösewicht aus der "Herr der Ringe"-Saga, benannte Blanca Huertas vom Natural History Museum in London eine neue Gattung von Schmetterlingen. Saurona zeichnen sich durch eine besondere Färbung ihrer Hinterflügel aus: Schwarz-weiße Augen auf orangem Grund erinnern mit einiger Fantasie an das allsehende, von einem Feuerring umgebene Auge, das Symbol Saurons und dessen alternative Erscheinungsform.

Saurons Auge aus "Herr der Ringe" war Inspiration für die Benennung einer neuen Gattung von speziell gemusterten Schmetterlingen namens Saurona.
Foto: B. Huertas, Trustees Natural History Museum

Anhand von DNA-Sequenzierungen schaffte es das internationale Forschungsteam, mehr Ordnung in die große, unübersichtliche Gruppe der Euptychiina zu bringen, die hauptsächlich im artenreichen Zentral- und Südamerika, aber auch zum Teil in Nordamerika vorkommen. Ihre Unterarten lassen sich kaum durch physikalische Merkmale unterscheiden.

"Diesen Schmetterlingen einen ungewöhnlichen Namen zu geben hilft, die Aufmerksamkeit auf diese unterschätzte Gruppe zu lenken", argumentiert Blanca Huertas. "Es zeigt, dass man selbst in einer Gruppe von sehr ähnlich aussehenden Arten Schönheit in der Eintönigkeit finden kann."

Wagemutige Motten

Dabei sind Lepidoptera, so die Fachbezeichnung für Schmetterlinge, alles andere als eintönig, sowohl was ihre optische Vielfalt als auch was ihren Artenreichtum betrifft. Woher Schmetterlinge überhaupt kommen und wie sie sich im Laufe der Evolution entwickelten, hat ein Forschungsteam rund um das Florida Museum of Natural History herausgefunden – ebenfalls unter anderem anhand von umfassenden DNA-Analysen.

Vor 100 Millionen Jahren begann eine Gruppe von wagemutigen Motten, am Tag statt nur in der Nacht zu fliegen. Schließlich konnten sie so von den nektarreichen Blumen profitieren, die sich zusammen mit den Bienen entwickelt hatten. Auf diese Wendung geht die Evolution aller Schmetterlingsarten zurück.

Über ihre weitere Entwicklung und Verbreitung war bisher nur wenig bekannt. Nun haben Forschende rund um Akito Kawahara vom Florida Museum of Natural History den weltgrößten Schmetterlingsstammbaum erstellt. Dazu haben sie die DNA von fast 2.300 Schmetterlingsarten aus 90 Ländern und 28 Sammlungen sequenziert, die 92 Prozent der Gattungen repräsentieren.

Seltene Fossilien

Aus den Daten rekonstruierten die Forschenden Migrationsbewegungen und Nahrungsgewohnheiten. Die Spuren führten schließlich nach Nord- und Zentralamerika, von wo aus die ersten Exemplare ihren Flug um den Globus starteten. Bohnenpflanzen dürften ihre erste Nahrungsquelle gewesen sein.

Mithilfe des größten Stammbaumes, der je erstellt wurde, sind Forschende zum Ursprung der ersten Schmetterlinge zurückgegangen.
Foto: Florida Museum photo by Kristen Grace and phylogeny by Hillis, Zwickl and Gutell

Basis für die nunmehr öffentlich zugängliche Datenbank waren elf seltene Schmetterlingsfossilien, die quasi als Kalibrierungspunkte des genetischen Stammbaums dienten. Aufgrund ihrer Fragilität sind nur wenige fossile Exemplare konserviert und mit ihren hauchdünnen Flügeln und Härchen mit äußerster Vorsicht zu behandeln.

Die Ergebnisse, die das Forschungsteam im Fachblatt "Nature Ecology und Evolution" vorstellte, erzählen eine ereignisreiche Geschichte: Demnach überwanden manche Gruppen unwahrscheinlich große Distanzen, während andere offenbar unbeeindruckt von den Veränderungen rund um sie herum an einem Platz verharrten.

Umwege und Langstrecken

Ausgehend vom damaligen Nord- und Zentralamerika bewegten sich die ersten Schmetterlinge zunächst nach Südamerika. Trotz der relativen Nähe von dort zu Südafrika nahmen die Tiere einen Umweg und wanderten über die einstige Landbrücke der Beringstraße nach Asien. Von dort aus zerstreuten sie sich in Richtung Südostasien, Mittlerer Osten und zum Horn von Afrika.

Sie schafften es sogar nach Indien, das damals eine isolierte Insel war, meilenweit umgeben von offenem Meer. Die Schmetterlinge fanden auch den Weg nach Australien, das noch mit der Antarktis verbunden war – dem letzten Überbleibsel des Superkontinents Pangäa. Es sei also möglich, dass Schmetterlinge einst, als die globalen Temperaturen wärmer waren, auch die Antarktis besiedelten, schloss das Forschungsteam.

Späte Ankunft in Europa

Weiter im Norden ging die Verbreitung weniger rasant vonstatten: Die Schmetterlinge blieben laut den Forschenden für bis zu 45 Millionen Jahre im westlichen Teil Asiens hängen, bevor sie nach Europa einwanderten. Die Gründe für diese Verzögerung seien unklar, erklärt Akito Kawahara. Die Auswirkungen sind jedoch bis heute sichtbar: "Europa hat nicht viele Schmetterlingsarten im Vergleich mit anderen Teilen der Welt, und die, die es hat, können oft woanders gefunden werden, etwa in Sibirien und Asien."

Als die Dinosaurier vor 66 Millionen Jahren hinweggerafft wurden, seien jedenfalls fast alle modernen Schmetterlingsfamilien bereits auf der Bildfläche erschienen – jeweils mit einer Vorliebe für eine bestimmte Pflanzengruppe. Als Urpflanzen der fruchtbaren Partnerschaft, die Schmetterlinge mit ihren blühenden Wirten eingingen, gelten Hülsenfrüchte wie Bohnen.

Die Verknüpfung molekularer, biologischer und geografischer Daten kann jedenfalls eine Grundlage für weitere vergleichende Schmetterlingsforschungen darstellen und bei der Einordnung – und nicht zu vergessen bei der Neubenennung – aktueller Arten helfen. Laut den Studienautorinnen und -autoren müssten aufgrund der Schmetterlingsahnenforschung mindesten 36 Stämme neu klassifiziert werden. (Karin Krichmayr, 16.5.2023)