Autos, die die City ansteuern, sollen in Garagen parken – oder die Innenstadt nach 30 Minuten verlassen. So sehen zumindest die Pläne der Stadt aus.

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Seit Jahren hängt das Thema in der Luft: Durch den ersten Wiener Gemeindebezirk sollen künftig weniger Autos fahren. Dafür hat die rot-pinke Stadtregierung unter der Ägide von Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) im Vorjahr ein fertiges Konzept vorgelegt. Dieses harrt der Umsetzung. Warum eigentlich? Ein Überblick.

Frage: Was plant die Stadt Wien?

Antwort: Künftig sollen weniger Autos die Innenstadt ansteuern. Aktuell fahren an Werktagen laut Schätzungen des von der Stadt beauftragten Verkehrsplanungsbüros Traffix rund 53.000 Fahrzeuge in den ersten Bezirk. In Zukunft soll die Zahl um gut 30 Prozent auf 37.000 reduziert werden. Dafür will die Stadt eine Zufahrtsbeschränkung einführen.

Frage: Wie soll das gelingen?

Antwort: Kfz-Fahrer, die die City ansteuern, sollen diese binnen 30 Minuten wieder verlassen. Wer länger bleiben will, muss in eine Parkgarage fahren. Allerdings gibt es eine Reihe an Ausnahmen – für Ortsansässige mit Hauptwohnsitz im ersten Bezirk, Müllabfuhr, Taxis und Wirtschaftstreibende sowie Einsatzfahrzeuge. Alle anderen, die unerlaubt länger mit ihrem Fahrzeug im Bezirk verweilen, müssen mit einer Verwaltungsstrafe rechnen.

Frage: Wie will man das kontrollieren?

Antwort: Die Dauer des Aufenthalts wird, so das Konzept, anhand eines Videoüberwachungssystems geprüft. Bei jeder Einfahrt sollen wohl je drei Kameras installiert werden, die Kennzeichen fotografieren. Die Bilder sollen mit einer Datenbank abgeglichen werden, um zu ermitteln, ob das jeweilige Fahrzeug zu einem längeren Aufenthalt berechtigt ist. Befahren die Autos eine Parkgarage, wird das Kennzeichen ebenfalls erfasst.

Künftig soll es insgesamt acht Einfahrten in die City weniger geben.
Grafik: Der Standard

Frage: Woran hakt es?

Antwort: Die rote Verkehrsstadträtin Ulli Sima schiebt den Ball ans Verkehrsministerium von Leonore Gewessler (Grüne): Für die Umsetzung der Pläne bräuchte es eine Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO), die den Einsatz von Videoüberwachung rechtlich ermöglichen würde. Diese müsste auf Bundesebene beschlossen werden. Selbst wenn das geschehen sollte, bräuchte es noch weitere zwei bis zweieinhalb Jahre bis zur Umsetzung mitsamt den Ausschreibungen, schätzte das Verkehrsplanungsbüro Traffix im Vorjahr. Eine Umsetzung vor den kommenden Wien-Wahlen 2025 ist daher unrealistisch.

Frage: Was sagt das Verkehrsministerium?

Antwort: Grundsätzlich unterstütze man Maßnahmen für eine Verkehrsberuhigung, da diese ein wichtiger Schritt für den Klimaschutz seien, sagte ein Sprecher auf Anfrage zum STANDARD. Bisherige Erkenntnisse, etwa zum Datenschutz, würden für die nächste StVO-Novelle in Betracht gezogen, die entsprechenden Arbeiten laufen. Einen Zeitplan dafür gibt es aber nicht. "Selbstverständlich können bereits jetzt verkehrsberuhigende Maßnahmen mit anderen Mitteln als einer Videoüberwachung umgesetzt werden – das wird auch von anderen größeren Städten so gemacht", fügte der Sprecher hinzu.

Frage: Ist der Einsatz von Videoüberwachung datenschutzkonform?

Antwort: Laut einem Rechtsgutachten, das von Städtebund und Klimaschutzministerium in Auftrag gegeben worden war, ist das Konzept grundsätzlich vereinbar mit dem Datenschutz. In Fachkreisen herrschen allerdings Meinungsverschiedenheiten: So widerspricht die Grundrechts-NGO Epicenter Works dem Gutachten des Universitätsprofessors Nikolaus Forgó und Žiga Škorjanc von der Datenschutzberatungsfirma lexICT GmbH.

Frage: Was haben die Datenschützer auszusetzen?

Antwort: Das Gutachten würde nicht ausreichend in die Tiefe gehen, findet Epicenter Works. So erlaube die Rechtslage der Polizei, auf Videomaterial im öffentlichen Raum zuzugreifen. Deswegen wäre es auch möglich, Passanten zu überwachen – anders als etwa bei Section-Control-Anlagen auf der Autobahn, die schon jetzt Kennzeichen abfotografieren. Das sei gerade im ersten Bezirk problematisch, da dort häufig demonstriert wird. Die Datenschützer verweisen zudem auf ein älteres, verworfenes Konzept, das ohne Überwachung ausgekommen wäre.

Laut einem Rechtsgutachten ist das Konzept mit der Videoüberwachung grundsätzlich vereinbar mit dem Datenschutz.
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Frage: Welches alte Konzept?

Antwort: Die damalige grüne Verkehrsstadträtin Birgit Hebein stellte noch vor der letzten Wien-Wahl 2020 ein Konzept für Verkehrsberuhigung in der City vor. Dieses hätte statt Kameras vorgesehen, dass die Polizei regelmäßig mittels Planquadraten die geplanten Ausnahmen des Einfahrtverbots kontrolliert. Ausnahmen waren für Anrainer, Firmen im Ersten oder Hotelgäste vorgesehen. Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) erteilte dem Vorhaben des grünen Juniorpartners aber eine klare Absage: Damals wurden unter anderem Datenschutzgründe genannt. Aus Sicht von Epicenter Works würden alle Argumente, die damals für das Aus genannt wurden, auch für das jetzige Konzept gelten.

Frage: Wie ist der aktuelle Stand der Dinge?

Antwort: "Es geht seit Monaten nichts weiter", kritisiert eine Sprecherin von Stadträtin Sima die grüne Verkehrsministerin. Zwischen Sima und Gewessler habe es in der Causa Verkehrsberuhigung mit Kameraüberwachung auch noch "keine Gespräche" gegeben, heißt es zum STANDARD. Das neue Konzept stehe und falle mit der von Wien geforderten StVO-Novelle durch den Bund. Gewessler würde mit ihrer Blockadehaltung eine wichtige Klimaschutzmaßnahme blockieren. Ein Verkehrsberuhigungskonzept mit Einfahrtsverboten, aber ohne Kameraüberwachung – wie Gewessler vorschlägt – ist für die Stadt "kein Thema". Auch eine Zwischenlösung "ist nicht angedacht", sagte die Sima-Sprecherin. Damit dürfte feststehen, dass der Verkehr in den ersten Bezirk bis mindestens zum Jahr 2025 – oder länger – nicht eingeschränkt wird.

Bis mindestens 2025 dürfte der Status quo rund um die Einfahrten in die Wiener Innenstadt vom Ring aus erhalten bleiben.
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Frage: Wie sieht es zwischenzeitlich mit den Zufahrten in die Wiener Innenstadt aus?

Antwort: Das Konzept von Sima sieht vor, dass auch die Zufahrtsmöglichkeiten in die Innenstadt reduziert werden: Statt aktuell 34 Ein- und Ausfahrtsmöglichkeiten soll es künftig nur noch 26 geben – also um acht Zufahrten weniger (siehe Grafik). Dieses Vorhaben soll aber ebenfalls erst mit der Einführung des kamerabasierten Modells umgesetzt werden. Derzeit deutet nichts darauf hin, dass die Zahl der Zufahrten vorab reduziert wird.

Frage: Welche Rolle spielt die ÖVP im Zerren um die neue Regelung?

Antwort: Markus Figl (ÖVP), der Bezirksvorsteher der Inneren Stadt, setzt sich seit Jahren für eine Verkehrsberuhigung ein. 2020 unterstützte er noch das Konzept von Hebein, ehe er den Alleingang der grünen Vizebürgermeisterin bei der Präsentation kritisierte. 2022 stellte er mit Hebein-Nachfolgerin Sima die Verkehrsreduktionspläne mit Videoüberwachung vor. Mit dem neuen Konzept werden auch zahlreiche Parkplätze überflüssig: Was mit diesen passiert, ist aber noch ebenso wenig bekannt wie die Zahl der Stellplätze, die umgestaltet werden. Kritisch zu den Plänen äußerte sich hingegen Rainer Trefelik, Handelsobmann der Österreichischen Wirtschaftskammer: Er vermisse als Unternehmer ein "ordentlich durchdachtes Konzept". Es brauche jedenfalls mehr Garagenparkplätze. (Muzayen Al-Youssef, David Krutzler, 17.5.2023)