Allzu lange war Mittwochvormittag die Öffentlichkeit im Großen Schwurgerichtssaal nicht zugelassen.

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Wien – Am Mittwoch stand beim Amtsmissbrauchsprozess gegen vier hochrangige (Ex)-Beamte des damaligen Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) und der Asylbehörde BFA jener Mann im Mittelpunkt, der aus Sicht der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) durch die Angeklagten amtsmissbräuchlich Asyl in Österreich bekommen hat: der frühere syrische Brigadegeneral Khaled A., der unter dem Verdacht steht, als Leiter eines Regime-Gefängnisses Kriegsverbrechen begangen zu haben.

Der Mann war nach seiner Desertion vom israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad zunächst nach Frankreich gebracht worden, wo er um Asyl ansuchte. Da die Kooperation mit dem französischen Nachrichtendienst offenbar nicht so reibungslos wie erhofft verlief, vereinbarte der Mossad mit dem heimischen BVT die "Operation White Milk". A. sollte nach Österreich gebracht werden, hier Asyl bekommen und vom Mossad abgeschöpft werden können.

"Operation White Milk"

Die WKStA ist überzeugt, dass dieser Deal illegal gewesen ist: Da der Soldat bereits in Frankreich im Asylverfahren gewesen ist, hätte er in Österreich nie einen Schutzstatus bekommen dürfen. Die vier Angeklagten und ihre Verteidiger argumentieren dagegen, dass das im Rahmen einer geheimdienstlichen Gefälligkeit für die Israelis alles zulässig gewesen sei.

A. selbst ist am Mittwoch im Großen Schwurgerichtssaal des Landesgerichts für Strafsachen Wien wenig gesprächig. Auf die Fragen von Petra Schindler-Pecoraro will er nicht recht antworten. "Ist Ihr Asylaberkennungsverfahren mittlerweile rechtskräftig abgeschlossen?", will die Vorsitzende des Schöffensenats beispielsweise wissen. "Zurzeit habe ich keinen Asylstatus", lautet die Antwort. "Haben Sie noch Berufungsmöglichkeiten, oder ist das rechtskräftig?" – "Ich weiß es nicht", lässt der Zeuge übersetzen.

"Angst um mein Leben"

Damit ist sein Redefluss auch bereits gestoppt. Auf alle weiteren Fragen antwortet er monoton, dass er bereits mit der Staatsanwältin gesprochen habe und weitere Auskünfte nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit geben möchte. Auch die Frage, ob er neben dem Drittangeklagten einen der anderen Männer kenne, will A. nicht beantworten. "Ich habe Angst um mein Leben und das meiner Familie", gibt der Zeuge bekannt. "Die Frage, on Sie nur Herrn L. kennen, halte ich nicht für eine lebensgefährliche Frage", stellt Schindler-Pecoraro dazu fest.

Um irgendetwas weiterzubringen, schließt der Senat dann aber doch die Zuhörerinnen und Zuhörer aus und setzt die Befragung des Generals hinter verschlossenen Türen fort.

Martin W. laut ehemaligem BVT-Vizechef "einfach überfordert"

Im Anschluss sagte der damalige stellvertretende BVT-Direktor als Zeuge aus. Er war seinerzeit für den damals kurzfristig verhinderten angeklagten und aktuell nicht verhandlungsfähigen Ex-Abteilungsleiter Martin W. eingesprungen und statt diesem dienstlich nach Israel gereist. Dort soll er angeblich die Kooperationsvereinbarung mit dem Mossad zwecks Umsetzung der "Operation White Milk" abgeschlossen haben, was der frühere BVT-Vizechef vor Gericht aber entschieden in Abrede stellte: "Die Quelle, dass ich diese Kooperationsvereinbarung gemacht habe, ist Martin W. Das ist sein Storytelling. Die Frage ist, ob man die Glaubwürdigkeit des Herrn W. nicht hinterfragen sollte."

An diesem ließ der Zeuge nämlich kaum ein gutes Haar: "Wenn ich drei Abteilungsleiter gehabt hätte wie den Martin W., hätte es sein können, dass ich als Oberösterreicher die Nerven schmeiß'." Dieser sei "vielleicht ein bisserl zu schnell die Karriereleiter hinaufgeklettert" und habe "vielleicht die Demut und den Respekt vor der Verantwortung, die er hatte", verloren. Martin W. habe sich "mit seiner kontrollaffinen Art zu viel aufgehalst", sagte sein ehemaliger Vorgesetzter: "Ich vermute, dass er einfach überfordert war."

Zeuge habe keine Vereinbarung mit Mossad getroffen

Er habe jedenfalls mit dem Mossad nichts bezüglich des syrischen Generals vereinbart, bekräftigte der Zeuge: "Wenn er (Martin W., Anm.) der Einzige ist, der das behauptet, dann liegt er einfach falsch." Er habe auch nichts von einem Gespräch des BVT im Justizministerium gewusst, wo erstmals Folter-Vorwürfe gegen den syrischen Offizier thematisiert wurden. Martin W. habe ihn offenbar über den Termin nicht informiert, "er hat ja gute Kontakte in die Justiz gehabt".

Überhaupt hätten wiederholt Vorgänge, die Martin W. in Aktenvermerken behauptet habe, im BVT keinen Niederschlag gefunden, sagte der seinerzeitige stellvertretende Behördenleiter: "Natürlich haben wir manches nicht bekommen." Der Abteilungsleiter sei etwa mitunter gleich zum Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit gegangen. "Wenn man sich profilieren will, geht man zum Schmied und nicht zum Schmiedl", ätzte der Zeuge.

Erstangeklagter krankheitsbedingt nicht verhandlungsfähig

Das Verfahren gegen den erstangeklagten Martin W. war am ersten Verhandlungstag ausgeschieden worden, da dieser krankheitsbedingt nicht verhandlungsfähig sein soll. Aktuell hält sich der Mann angeblich in Dubai auf. Ursprünglich war auch gegen den Ex-BVT-Vizechef wegen Verdachts auf Amtsmissbrauch ermittelt worden, dieses Verfahren wurde aber eingestellt.

"Von 'White Milk' habe ich erst nach meinem Ausscheiden aus dem BVT erfahren. Die Welt ist damals nicht aus 'White Milk' bestanden", betonte der Zeuge, der für die auf der Anklagebank sitzenden Ex-Kollegen lobende Worte fand. Diese hätten "sehr viele internationale Operationen abgearbeitet". Das Feedback darauf sei immer "sensationell" gewesen. "Das hat alles Hand und Fuß gehabt, ich habe eine Menge Dankesschreiben bekommen, die ich den Kollegen weitergeleitet habe."

Der viertangeklagte Chefinspektor, der in direktem Kontakt zum syrischen General stand, habe "nur seinen Job gemacht, alles in Absprache mit seinen Vorgesetzten". Dass der ehemalige Spionagechef seit der BVT-Affäre noch immer ohne Job sei, "tut mir in der Seele weh".

Klaus Ainedter, Verteidiger des viertangeklagten Chefinspektors, beantragte indes, die die Ermittlung leitende Oberstaatsanwältin Ursula Schmudermayer als Zeugin zu befragen. Schmudermayer habe im Laufe des Ermittlungsverfahrens "ein Näheverhältnis" zu einem Zeugen, nämlich einem Vertreter der NGO Commission for International Justice and Accountability (Cija), aufgebaut, welches dazu geführt habe, dass sie diesem Aktenteile übermittelt und seine Angaben der Anklageschrift "unkritisch" zugrunde gelegt habe. Aus dem E-Mail-Verkehr zwischen Schmudermayer und dem Zeugen sei ein "vertrauter Umgangston" hervorgegangen. Außerdem könnten darin "Manipulationen" festgestellt werden, so der Verteidiger. Das Gericht behielt sich die Entscheidung über den Beweisantrag vor.

Damalige Richterin in Justizministerium über Besprechung im BMJ

Ebenfalls als Zeugin befragt wurde eine damalige Richterin im Justizministerium (BMJ), die an einer Besprechung im BMJ teilnahm, an der neben dem derzeit suspendierten Sektionschef im Justizministerium Christian Pilnacek, dem angeklagten Chefinspektor sowie dem angeklagten Ex-Spionagechef auch Vertreter der Cija teilnahmen. "Ich hatte keinen Grund, an der Seriosität der Organisation zu zweifeln", sagte die Zeugin. Bei dem Gespräch äußerten Vertreter der NGO Bedenken, dass sich in Österreich ein mutmaßlicher Kriegsverbrecher befinde. Die angeklagten BVT-Beamten hätten daraufhin weder bekanntgegeben, den "Foltergeneral", von dem die Rede war, zu kennen, noch ihn betreut zu haben.

An der Besprechung nahm auch ein weiterer Beamter des BMJ teil. Dieser habe noch während der Besprechung eine Auskunft aus dem Zentralen Melderegister eingeholt und festgestellt, dass der General tatsächlich in Wien gemeldet sei. Die "Kollegen" aus dem BVT habe man beauftragt zu überprüfen, ob er dort auch wohnhaft sei. Denn nur wenn sich der General in Österreich aufgehalten hätte, wäre auch eine Gerichtsbarkeit gegeben. Diese hätten das zur Kenntnis genommen, jedoch keinen Hinweis darauf gegeben, dass diese Person vom BVT betreut worden wäre, sagte der Zeuge. Parallel dazu hätte man die NGO aufgefordert, weitere Informationen über den General zu liefern. "Diese NGO hatte ein Ziel, das war ganz klar. Die wollten, dass wir ein Strafverfahren einleiten (...). Sie sollten mehr Beweise liefern, dass er auch Befehlsverantwortung hatte."

Die Cija hatte Informationen über den General und dessen mögliche Verwicklung in Kriegsverbrechen in Syrien dem Justizministerium übermittelt und damit die strafrechtlichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wien gegen den Offizier angestoßen. In Stattgebung eines Beweisantrags der Verteidigung wird das Gericht einen Vertreter der CIJA laden und als Zeugen vernehmen, zu diesem Zweck wurde die Verhandlung auf den 10. Juli vertagt. Ob auch noch ein Mossad-Vertreter geladen wird, den die Verteidiger ebenfalls als Zeugen beantragt hatten, wird beim nächsten Termin entschieden. Wie die Richter ankündigte, wird es nach dem Juli jedenfalls einen weiteren Verhandlungstermin geben – "frühestens Anfang September", wie es hieß. (Michael Möseneder, APA, 17.5.2023)