US-Präsident Joe Biden wird noch viel diplomatisches Geschick an den Tag legen müssen, um die Republikaner zum Einlenken zu bringen und so einen drohenden Zahlungsausfall zu verhindern.

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Wieder einmal wollen sich Demokraten und Republikaner keinen Millimeter schenken. Wieder einmal geht es um die Schuldenobergrenze. Die beiden Lager schafften es bisher nicht, sich zu einigen, und dem Land droht möglicherweise ab Juni die Zahlungsunfähigkeit. Ein Staatsbankrott könnte eine tiefe Rezession auslösen. Der Streit löst ein Déjà-vu-Erlebnis aus, doch dieses Mal ist die Lage besonders ernst.

Frage: Was passiert, wenn die USA zahlungsunfähig werden?

Antwort: Sowohl für Bürgerinnen und Bürger als auch für den Staat selbst hätte das schwerwiegende Folgen. Millionen Staatsbedienstete würden kein Gehalt mehr bekommen, auch für Sozialhilfe und Gesundheitsversicherungen wäre kein Geld mehr da. Kredite würden für die USA deutlich teurer werden, was die Zinsen im Land weiter ansteigen ließe und wiederum der Bevölkerung auf den Kopf fallen würde. Die Kreditraten der Bürger würden ebenfalls teurer, Unternehmen könnten sich weniger fremdfinanzierte Investitionen leisten. Und Aktienkurse würden fallen, was sich auf der ganzen Welt auswirken würde. Ein wirtschaftliches Desaster.

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DER STANDARD

Frage: Was wären die Folgen für die Weltwirtschaft?

Antwort: Das weiß niemand so genau. Sowohl der Internationale Währungsfonds als auch US-Finanzministerin Janet Yellen haben vor einer globalen Finanzkrise und einem starken wirtschaftlichen Abschwung gewarnt. US-Staatsanleihen galten bzw. gelten als sehr wertstabil, bei einer Zahlungsunfähigkeit würden sie im Wert fallen – das schadet zahllosen Ländern, die diese Anleihen halten. Die zunehmende Nervosität an den Finanzmärkten kann man bereits beobachten. Der Dollar, die Weltwährung Nummer eins, würde abstürzen. Zur Erinnerung: Der Dollar macht 60 Prozent der globalen Währungsreserven aus – China würde vermutlich versuchen, die Vorherrschaft am Währungsmarkt zu erlangen.

Frage: Was macht Joe Biden?

Antwort: US-Präsident Joe Biden hat Besuche in Australien und Papua-Neuguinea abgesagt, er wird bereits am Sonntag nach dem G7-Gipfel in Japan zurückkehren, um an Treffen mit führenden Vertretern des Kongresses teilzunehmen.

Frage: Wie hoch liegt die Schuldengrenze?

Antwort: Die USA haben das Schuldenlimit von knapp 31,4 Billionen Dollar (knapp 29 Billionen Euro) schon im Jänner erreicht. Seitdem verhindert die Regierung mit Kunstgriffen eine Zahlungsunfähigkeit, die Möglichkeiten dafür sind aber bald ausgeschöpft. Das Schuldenlimit war in den vergangenen Jahrzehnten unter Präsidenten beider Parteien dutzende Male ausgesetzt oder angehoben worden.

Frage: Wie bereiten sich Marktteilnehmer vor?

Antwort: Banken, Makler und Handelsplattformen wappnen sich für Turbulenzen. Sie spielen Szenarien durch, wie Zahlungen auf Staatsanleihen abgewickelt würden. Sie wollen zudem sicherstellen, dass genügend Personal und Bargeld vorhanden sind, um hohe Handelsvolumina zu bewältigen. Anleiheinvestoren haben betont, dass viel Liquidität wichtig ist, um Kursschwankungen standzuhalten und zu vermeiden, dass zum ungünstigsten Zeitpunkt verkauft werden muss.

Frage: Warum scheint die Einigung dieses Mal so schwer?

Antwort: Die politischen Gräben zwischen Republikanern und Demokraten sind mittlerweile extrem tief, und es bleibt nur noch wenig Zeit zum Verhandeln. Vor allem die Hardliner der republikanischen Seite wollen der Biden-Regierung um jeden Preis eine Niederlage zufügen. Biden selbst hat monatelang nicht mit den Republikanern gesprochen und verlangt von ihnen eine bedingungslose Zusage.

Frage: Wo spießt es sich?

Antwort: Die Republikaner akzeptieren eine Anhebung der Schuldenobergrenze nur für milliardenschwere Kürzungen der Staatsausgaben im Gegenzug. Sie verlangen, dass Biden beschlossene Reformen rückgängig macht, unter anderem milliardenschwere Subventionen für erneuerbare Energien und einen Erlass bestimmter Schulden aufgrund von Studiengebühren. Nur der oberste Republikaner Kevin McCarthy darf Gesetze zur Abstimmung in die Kammer bringen, benötigt dafür aber den Rückhalt seiner tief gespaltenen Partei. Er muss einen Kompromiss zwischen Trump-Hardlinern und Demokraten zustande bringen. Im Senat, wo die Demokraten die Oberhand haben, droht ebenfalls Widerstand.

Frage: Wann droht die Zahlungsunfähigkeit?

Antwort: Einen genauen Zeitpunkt gibt es nicht. Finanzministerin Yellen spricht vom 1. Juni. Andere Einschätzungen besagen, dass die Staatskasse zwischen Juli und September leer ist.

Frage: Warum gibt es die Schuldengrenze überhaupt noch?

Antwort: In den USA muss die Höhe neuer Kredite beschlossen werden. Kritiker monieren, diese Regel sei redundant, weil die Verschuldung ohnehin laufend steigt. Befürworter mahnen, dass es ohne dieses Instrument überhaupt keine Schuldendisziplin mehr gäbe.

Frage: Gibt es andere Optionen?

Antwort: Über eine sogenannte Discharge Petition, einen Entlastungsantrag, könnte Biden McCarthy umgehen. Er müsste einige Republikaner im Senat und im Repräsentantenhaus überzeugen, für die Anhebung zu stimmen. Dieser Antrag erzwingt eine Behandlung des Gesetzes, wenn eine Mehrheit der jeweiligen Kammer das verlangt. Schwierig in der Praxis.

Frage: Droht ein Shutdown?

Antwort: Shutdown und Zahlungsunfähigkeit werden gerne vermischt. Der US-Bundeshaushalt ist nicht an die Kreditaufnahme gekoppelt. Haushaltsgespräche regeln Ausgaben für das künftige Budget. Scheitern die Verhandlungen, werden Regierungsausgaben eingefroren. Das ist der sogenannte Shutdown. Eine angehobene Schuldengrenze erhöht die Ausgaben nicht über jenes Maß hinaus, das der Kongress schon durchgewinkt hat. Sie ermöglicht, dass die Regierung Geld ausgeben kann. (Andreas Danzer, 19.5.2023)