Emsig und zielgerichtet tappt der gelbe Vierbeiner vorbei an Kartons, Plastikkoffern und aufblasbaren Stehaufmännchen. Die ruckartigen Bewegungen wirken beinahe liebenswert, wie ein Jungtier bei den ersten Gehversuchen. Und in gewisser Weise ist das sogar zutreffend, handelt es sich hier doch um die spontanen Erkundungen einer fremden Außenwelt – für Boston Dynamics’ "Spot", quasi den Modellorganismus der Robotik.

Während Roboter in Filmdystopien bereits die Welt unterjochen, stellt eine unbekannte Umgebung in der Realität oft den ultimativen Endgegner für sie dar. Doch damit könnte bald Schluss sein, denn Google gelang kürzlich ein Fortschritt im Bereich der Outdoor-Navigation von Robotern. In simulierten Innenumgebungen werden zuerst Grundlagen trainiert, die dann mithilfe eines Algorithmus auf Außenumgebungen übertragen werden, auch bekannt unter Indoor-zu-Outdoor-Übertragungsalgorithmus.

Frühere Trainingserfolge bei gehenden und fahrenden Robotern wurden meist mithilfe von 3D-Scans der entsprechenden Umgebung ermöglicht. In Googles jüngsten Versuchen ist Spot aber ohne derartige Hilfestellungen im Freien unterwegs.

Weniger ist mehr

Dabei kommen sogenannte Kontextkarten zum Einsatz – stark vereinfachte, skizzenhafte Karten, die dem Roboter als Wegbeschreibung dienen. Sie legen Start- und Zielpunkte eines Weges fest, sind aber weder detailreich noch besonders genau: Hindernisse wie Bäume oder Fußgänger werden ebenso wenig eingezeichnet wie die exakte Position von Durchgängen zwischen Mauern.

Hier ist der Roboter ausschließlich auf die Daten der verbauten Sensoren angewiesen. Die rudimentären Anweisungen seien allerdings ausreichend, um den Roboter auch über Entfernungen von mehreren Hundert Metern ans Ziel zu bringen. Sogar bei unterschiedlichen Wetterbedingungen konnten die Roboter unbekannte Hindernisse erfolgreich umgehen.

Der Roboterhund Spot kann mittlerweile Hindernisse selbstständig umgehen und selbst navigieren.
Foto: Reuters / Travis Teo

Google testete zwei verschiedene Steuerungsmethoden: die kinematische und die dynamische Steuerung. Vereinfacht gesagt, wird bei der dynamischen Steuerung jeder einzelne Schritt des Roboters – und auch die entsprechende Umgebungsveränderung – berechnet.

Verzettelt sich, kommt nicht ans Ziel

Was zunächst sinnvoll klingt, erweist sich in Versuchen oft als wenig praktikabel: Abgesehen von der erheblichen, aber notwendigen Rechenleistung, "verzettelt" sich der Roboter oft auf dem Weg und kommt gar nicht ans Ziel.

Bei der kinematischen Steuerung hingegen werden weniger "Zwischenlandungen" ermittelt – als würde man sich nur alle fünf Schritte umsehen, anstatt nach jedem Schritt innezuhalten. In früheren Studien erwies sich diese Steuerung als wesentlich effektiver: In einem Versuch konnte so eine Erfolgsquote von 100 Prozent erzielt werden, während mit dynamischer Steuerung nur 20 bis 60 Prozent der Routen erfolgreich bewältigt wurden.

Statische Hindernisse konnten in Innenräumen gut nachgestellt werden, den Umgang mit Gefällen musste der Roboter aber separat lernen. Denn eine Steigung sieht – bei unverändertem Kamerawinkel – schnell nach einem unüberwindbaren Hindernis aus.

Um Spot mit abfallendem Gelände vertraut zu machen, wurde bei Simulationen im Innenbereich die montierte Kamera um 30 Grad geneigt – so konnte auf ebenen Flächen eine Steigung nachgeahmt werden. In einem Video sieht man den vierbeinigen Roboter letztendlich munter einen Hang erklimmen.

Schattenseiten

Googles Versuche eröffnen der Roboterforschung neue Bereiche, da der Algorithmus Interaktionen in völlig unbekannter Umwelt erlaubt. Langfristig könnte dies für eine Reihe von Einsatzgebieten – etwa Lieferdienste, aber auch heikle Polizei- oder Rettungseinsätze – entscheidende Fortschritte bedeuten.

Es wäre aber naiv, die potenziellen Gefahren von derart autonomen Robotern auszublenden: In der modernen Kriegsführung spielen bewaffnete Drohnen eine immer größer werdende Rolle. Russland arbeitet schon seit 2019 an modularen Robotern ("Marker"), die – nach eigenen Angaben – gegen Panzer eingesetzt werden und bei Bedarf auch autonom agieren können sollen.

Es bleibt abzuwarten, ob Regulierungen, wie sie etwa von der Kampagne "Stop Killer Robots" gefordert werden, einem militärischen Einsatz zuvorkommen. Bis dahin darf Spot weiterhin seine Umwelt erkunden. (Lisa Haberkorn, 20.5.2023)