Der ungarische Kanzleramtsminister Gergely Gulyás (Archivbild) begründete den Schritt mit der teuren Inhaftierung ausländischer Straftäter.

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Budapest – Die ungarische Regierung lässt tausende ausländische Strafgefangene frei, die derzeit Haftstrafen wegen Menschenschmuggels verbüßen. Einzige Bedingung ist, dass sie Ungarn innerhalb von 72 Stunden verlassen. Das geht aus einer Verordnung hervor, die die Regierung von Viktor Orbán Ende des Vormonats erließ. In Österreich reagierte man auf diese Entscheidung irritiert. Wie auf APA-Anfrage aus dem Innenministerium mitgeteilt wurde, sind "allfällige Gegenmaßnahmen" ein Thema.

"Innenminister Gerhard Karner hat den Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit beauftragt, sofort Kontakt zu den ungarischen Behörden aufzunehmen und allfällige Gegenmaßnahmen vorzubereiten", hieß es Freitagmittag aus dem Innenministerium. Bei Schleppern handle es sich "um Kriminelle, die der organisierten Kriminalität zuzuordnen sind. Durch ihre brutalen Tathandlungen werden Menschenleben gefährdet", gab man im Ministerium zu bedenken.

Bericht mit versteckter Kamera

Die von Ungarn verfügte Freilassung der Schlepper kam überraschend und ist nicht daran gebunden, dass die Betroffenen in ihre Heimat zurückkehren und dort ihre Reststrafen verbüßen. Der private TV-Sender RTL-Klub zeigte am Donnerstagabend einen mit versteckter Kamera aufgenommenen Bericht, in dem zu sehen war, wie fünf Menschen am Bahnhof von Szombathely (Westungarn) aus einem Kleinbus der örtlichen Justizvollzugsanstalt stiegen. Das Innenministerium dementierte auf Anfrage des Senders nicht, dass es sich bei den gezeigten Personen um freigelassene Schlepper handelte.

Teure Inhaftierung

Das ungarische Strafrecht sieht an sich langjährige Haftstrafen für Menschenschmuggel vor. Das Strafausmaß reicht von zwei bis 20 Jahren. Ungarn liegt an der sogenannten Balkanroute, auf der Schutzsuchende von der Türkei nach Westeuropa gelangen.

Kanzleramtsminister Gergely Gulyás begründete den Schritt damit, dass die Inhaftierung ausländischer Straftäter zu teuer käme. Offiziellen Angaben zufolge sitzen derzeit 2.600 Ausländer in Ungarn in Haft, beim überwiegenden Teil von ihnen handelt es sich um Straftäter, die wegen Schlepperei verurteilt sind.

SPÖ Burgenland kritisiert Karner

Kritik an Karner kam aus der SPÖ Burgenland. Landesgeschäftsführer Roland Fürst meinte in einer Stellungnahme gegenüber der APA: "Seit wann weiß der Innenminister von den Plänen der ungarischen Regierung, tausende Schlepper zu entlassen, und was konkret hat er unternommen, um das Grenzmanagement entsprechend vorzubereiten?"

Fürst verwies darauf, dass im Jahr 2022 712 Schlepper festgenommen wurden, dies seien um 61 Prozent mehr als 2021. "Es ist nun zu befürchten, dass die von den ungarischen Justizanstalten entlassenen Schlepper sofort wieder ihre Tätigkeiten aufnehmen und auch nach Österreich kommen", sagte der SPÖ-Landesgeschäftsführer Karner und forderte dazu auf, rasch zu handeln.

Reaktion der Neos

Auch die Neos reagierten: "Dass Österreichs 'Best Buddy' Ungarn in Sachen Asyl und Migration kein verlässlicher Partner ist, war von Anfang an klar", so Asylsprecherin Stephanie Krisper. "Trotzdem ließen sich Kanzler und Innenministerium von Orbán am Nasenring durch die Manege führen und täuschen – nur um mit ein paar gut klingenden Schlagzeilen im rechten Wählerteich fischen zu können." Die Bundesregierung habe sich "wissentlich auf die Seite eines Rechtsbrechers gestellt, der für schwerste Menschenrechtsverletzungen in seinem Land verantwortlich ist – und hat damit nicht nur Steuergeld verschwendet, sondern auch die eigene Sicherheit gefährdet". (APA, red, 19.5.2023)