Oliver Ribarich war 13 Jahre Heinz-Christian Straches Bodyguard und ist Beschuldigter in der Causa Spesen.

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Mehr als dreißig Mal ist Oliver Ribarich von den Ermittlern in der Causa FPÖ-Spesen befragt worden. Der langjährige Bodyguard von Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache erklärt im Interview, wie das System Strache funktioniert habe. DER STANDARD betont, dass für die Genannten die Unschuldsvermutung gilt und dass Strache Ribarichs Aussagen als "Märchen" bezeichnete.

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STANDARD: Der sogenannte Spesenskandal umfasst Ex-Parteichef Strache, zahlreiche FPÖ-Granden – und Sie sind mittendrin. Wie gerät ein Sicherheitsmann in diesen Finanzskandal?

Ribarich: Der Herr Strache hat uns ja laufend einkaufen geschickt, etwa zum Billa. Und die Beträge habe ich dann von meinem privaten Geld bezahlt. Wenn man ihm die Rechnungen gegeben hat, meinte Strache: "Geh zur Sekretärin", weil die eine Handkasse hatte.

STANDARD: Wenn sich ein Parteichef private Einkäufe besorgt, wird man das aber nicht steuerlich absetzen können?

Ribarich: Das war ja das Problem. Du bist mit einem Packen an Rechnungen zur Sekretärin gegangen; die hat den dann geprüft und aussortiert. Rechnungen für Badehosen; McDonald’s-Essen für Straches Kinder, Merkur-Rechnungen: geht nicht. Und dann war die Frage, was man jetzt macht.

STANDARD: Was hat man gemacht?

Ribarich: Man hat fremde Rechnungen gebracht. Ich hatte zum Beispiel aufgrund meiner Tätigkeit in der Sicherheitsbranche viel mit Events zu tun und habe geschaut, dass ich Rechnungen sammle. Oder ich habe Freunden gesagt: Bitte schmeißts eure Rechnungen nicht weg, gebt sie mir.

"Wenn ich verurteilt werde, trage ich das wie einen Orden an meiner Brust, denn dann erwischt es auch den H.-C.", sagt Ribarich, hier im Gespräch im STANDARD-Büro.
Foto: Lukas Friesenbichler

STANDARD: Hat Strache Sie dazu ermutigt, fremde Rechnungen einzureichen?

Ribarich: Selbstverständlich, das habe ich auch ausgesagt. Er hat das gefordert (Strache bestreitet das, Anm.).

STANDARD: War Herbert Kickl auch involviert? Immerhin war er damals Generalsekretär.

Ribarich: Ich bezweifle, dass Kickl in diese ganzen Abläufe involviert war.

STANDARD: Wurden Sie von anderen aufgefordert, Rechnungen zu sammeln?

Ribarich: Es gab Whatsapp-Verkehr mit Straches Sekretärin, die ein enges freundschaftliches Verhältnis zu Herrn Vilimsky hatte und mich mehrfach in seinem Namen aufgefordert hat, Rechnungen für ihn zu besorgen. Das haben auch die Behörden vorliegen (Vilimsky bestreitet das, Anm.).

"Wer geht schon ohne Schamanen ins Fernsehen oder ohne Platte in der Hose?"
Straches Ex-Mitarbeiter Oliver Ribarich

STANDARD: Warum haben Sie das alles heimlich gesammelt?

Ribarich: Das war kein Geheimnis! Ich habe bei jeder Gelegenheit mitgeteilt, dass ich mir alles aufhebe. In der Partei hieß es schon, dass wir – also das Team um Strache – zu viel Geld ausgeben und dass man das mal prüfen sollte. Das war der ausschlaggebende Punkt damals für mich.

STANDARD: Was haben Sie dann getan?

Ribarich: Ich habe allen gesagt: "Geht rauf, zu Strache ins Büro, und redet mit ihm." Hat natürlich keiner gemacht. Und als ich Strache darauf angesprochen habe, hat er nicht einmal vom Handy aufgeschaut und gemeint, er lasse sich da keine Dinge unterstellen. So auf die Art, dass wir uns Geld einstecken würden.

STANDARD: Wer hat von dem System profitiert?

Ribarich: Man war sehr gönnerhaft zur Führungsebene. Da denke ich an Urlaube oder an handgemachte Schuhe. Aber wenn eine Sekretärin nach vierzig Dienstjahren in Pension ging, wurde herumgedrückt, ob ich der eine Bonbonniere kaufe oder Blumen. Das ist widerlich, einfach widerlich.

STANDARD: Ging das bis zu Straches Rücktritt?

Ribarich: Als er 2017 Vizekanzler wurde, hat das Ganze abgenommen. Da gab es dann ja eine monatliche Amtspauschale, mit der er eigentlich machen konnte, was er wollte.

Der STANDARD berichtet anlässlich vier Jahre Ibiza ausführlich über die Causa Strache.
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STANDARD: Hat Strache sein Partyleben auch als Regierungsmitglied fortgeführt?

Ribarich: Ja, die ÖVP-Spitze hat das auch ausgenutzt. Da gab es kleine Runden bei Sebastian Kurz daheim, da waren etwa Strache und Hofer – Kickl nicht, denn er konnte die alle nicht leiden. Jedenfalls haben wir Strache dann spätnachts abholen müssen, und er war recht bedient, die Schwarzen aber nahezu nüchtern. Und da muss man sich vorstellen, dass in diesen Runden Regierungsprojekte ausgehandelt worden sind!

STANDARD: Ist Strache da aus Ihrer Sicht über den Tisch gezogen worden?

Ribarich: Einmal war ein Treffen bei Kurz, nach dem Strache recht angetrunken wirkte. Zwei Tage später sind Verhandlungen. Zischt eine Spitzenbeamtin mit hochrotem Kopf rein bei uns ins Kabinett und fragt: Welcher Volltrottel hat da zugestimmt? Seid ihr verrückt? Wenn wir dem zustimmen, sind wir hin.

STANDARD: Und dann?

Ribarich: Dann gab es diese SMS an Kurz, die öffentlich ohnehin bekannt sind, wo Strache sich ausführlich darüber beklagte, dass dieses oder jenes aber nicht so abgemacht worden sei (Kurz wollte sich dazu nicht äußern, Anm.).

STANDARD: Wie ist Strache Ihnen im Ibiza-Video vorgekommen?

Ribarich: Ich habe mir gedacht, okay, normaler Abend von Strache, sogar noch relativ nüchtern. Die Krone war immer schon Thema. Und nach Nationalratssitzungen ging es nicht nach Hause, sondern Strache gab in von Alkohol und Rauch geschwängerter Luft seine Anschauungen zum Besten, zu Chemtrails, Freimaurern und Bilderbergern. In seinem Dunstkreis waren auch Reptiloide Thema.

STANDARD: Welche Rolle hatte Philippa Strache?

Ribarich: Als die Beziehung begann, hofften viele, sie würde ihn stabilisieren. Zu Unrecht. Sie wollte sich verwirklichen und dekorierte etwa das Vizekanzleramt, obwohl sie dort nicht tätig war. Da gab es dann schwere rote Samtvorhänge. Wenn die runterfallen, überlebst es nicht.

STANDARD: Stimmt es, dass Strache einen Hang zu Esoterik hatte?

Ribarich: Ja, das war sehr amüsant für uns. Seine jeweiligen Freundinnen hatten dazu ein differenziertes Verhältnis und haben ihm eigentlich verboten, dass er zur Kartenlegerin oder zum Schamanen geht. Der saß sogar bei Fernsehauftritten im Publikum. Aber wer geht schon ohne Schamanen ins Fernsehen oder ohne Platte in der Hose?

STANDARD: Wie bitte?

Ribarich: Es gab eine Messingplatte, die sah aus wie eine Gürtelschnalle. Ja, und die wanderte in die Hose. Das ist ja auch aktenkundig. Er hätte es beim Gürtel reinstecken müssen, aber ich glaube, der Strache wollte sichergehen und wollte alles schützen, was nur geht. Gegen die bösen Strahlen. Es gab auch Teambuildingseminare beim Schamanen im Burgenland. Einmal hat ein Schamane dem Herrn Vilimsky böse Geister aus dem Bauch gesaugt (dazu gefragt spricht Vilimsky von einem "Energetiker", betont aber, es habe "weder Zwang noch Geister" gegeben, Anm.).

STANDARD: Hat das die Partei bezahlt?

Ribarich: Natürlich, Parteiseminare, Teambuildingseminare. Er hat auch alles ausräuchern lassen, die Büros und bei ihm privat.

STANDARD: Was machen Sie, wenn die Ermittlungen vorbei sind?

Ribarich: Ich gehe davon aus, dass ich verurteilt werde. Ich war zu blöd, rechtzeitig um den Status als Kronzeuge anzusuchen. Aber macht nichts. Wenn ich verurteilt werde, trage ich das wie einen Orden an meiner Brust, denn dann erwischt es auch den H.-C. (Colette M. Schmidt, Fabian Schmid, Zsolt Wilhelm, Mitarbeit: Oliver Das Gupta, 20.5.2023)