Sofia Polcanova serviert ab Samstag bei der WM in Durban. Es geht um den Ausbau einer Sammlung.

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Tischtennis und China, das passt wie die Faust aufs Auge. Die ersten sechs Plätze in der Weltrangliste sind für Chinesinnen reserviert. Es folgen vier weitere Asiatinnen. Auf Rang zwölf, unmittelbar hinter Adriana Diaz aus Puerto Rico, taucht dann aber plötzlich eine Österreicherin auf. Sofia Polcanova zählt spätestens seit ihren zwei Europameistertiteln im Einzel und Doppel sowie der Bronzemedaille im Mixed im August 2022 zur Weltspitze. Die Auszeichnung zur besten Spielerin des Turniers in München war nur noch eine Draufgabe.

Eine ähnlich beeindruckende Leistung gilt es jetzt wieder abzurufen. Denn von 20. bis 28. Mai geht es in Durban, Südafrika, um WM-Medaillen. Ein Erfolg, der in Polcanovas Sammlung bis jetzt noch fehlt. Die Frage, ob sie mit einer Medaille liebäugelt, bringt die 28-Jährige etwas in Verlegenheit: "Ich habe natürlich Ziele, aber ich spreche nicht gerne darüber. Ich will nichts verhexen", sagt Polcanova. Öffentlich über ihre Ziele zu sprechen zähle nicht zu ihren Stärken. Viel wichtiger sei es doch, konzentriert zu bleiben und ihre Leistung abzurufen.

Das A und O

Auch wenn sie nicht gerne über sportliche Ziele spricht, einen gewissen Druck verspürt Österreichs Nummer eins nach den drei EM-Medaillen schon. "Natürlich bin ich nervös, vor allem vor einer WM. Der Druck zu gewinnen ist in den letzten Monaten schon gewachsen, weil auf einmal alle gegen mich gewinnen wollen." Siege strebt natürlich auch die Spielerin von Linz AG Froschberg an. Akribische Vorbereitung sei das A und O. Eine entscheidende Rolle spiele aber immer noch die Auslosung. Erst dann könne man sich genau auf die Gegnerin abstimmen. Der Griff zu Video- und Taktikanalysen sei unabdingbar. Von festgeschriebenen Plänen hält Polcanova allerdings nichts. Es bringe nichts, bereits am Anfang jede mögliche Gegnerin zu analysieren. Viel wichtiger sei es, von Match zu Match zu denken. Nur so bleibe sie fokussiert.

Einzel, Doppel oder Mixed? Ganz egal, Sofia Polcanova spielt in jeder Disziplin groß auf. Eine Vorliebe hat das Tischtennis-Ass selbst nicht. Immerhin sei jeder Bewerb speziell, habe Vor- und Nachteile. Im Einzel sei man immer auf sich allein gestellt. "In der Halle ist dann niemand außer mir selbst."

Den Traum von einer Einzelmedaille ist für Polcanova diesmal aber jäh geplatzt. Die als Nummer zehn gesetzte Oberösterreicherin unterlag am Samstag bereits in der ersten Runde gegen die Ungarin Dora Madarasz 3:4. Ebenfalls Endstation war für Robert Gardos, der gegen den Südkoreaner Lim Jonghoon 1:4 verlor. Weiter ist Amelie Solja, die sich gegen die Schwedin Filippa Bergand 4:2 behauptete und nun auf die Weltranglistenerste Sun Yingsha trifft. Ausgeschieden ist auch Karoline Mischek, die sich der Ukrainerin Solomija Bratejko 2:4 beugen musste.

Doppel und Mixed

Im Doppel tritt Polcanova mit der Rumänin Bernadette Szocs an. Im Mixed stieg sie gemeinsam mit Robert Gardos mit einem 3:1 gegen Adriana Diaz/Brian Afanador (Puerto Rico) auf.

Beide Disziplinen erfordern eine komplette Umstellung. Es komme auf die perfekte Abstimmung zwischen den Partnern an. Den richtigen Partner zu finden spiele eine maßgebliche Rolle. Je nach Spieler oder Spielerin sei das System anders, Männer spielten zudem auch kraftvoller. Wie man den perfekten Partner, die perfekte Partnerin finde? Da darf das bisschen Glück nicht fehlen. "Man probiert viel aus. Und irgendwann funktioniert es. Das merkt man dann recht schnell." Bei Bernadette Szocs sei es einfacher gewesen. "Sie hat mich gefragt, und dann habe ich einfach ja gesagt." Dass die beiden auch privat befreundet sind, hilft da freilich.

Knorpelschaden

Ihre Knie könnten Polcanova jedoch Probleme bereiten. Sie leidet an einem Knorpelschaden, wurde 2020 operiert und kämpft sich seitdem immer wieder nach oben. "Ich trainiere viel und fleißig. Aber lange Turnierreisen machen die gesundheitliche Situation sicher nicht besser", sagt die Linkshänderin. Die vergangenen Wochen verbrachte Österreichs beste Tischtennisspielerin nämlich in China auf Turnierreise. Es seien belastende Wochen gewesen, die Zeit zum Auftanken war begrenzt. Bei einem gemeinsamen Trainingslager in Stockerau gab es für das siebenköpfige WM-Team aus Österreich noch den Feinschliff.

Sofia wird von Familie und Freunden auch Sonja genannt. "Sonja ist die russische Form des Namens Sofia. Als ich nach Österreich kam, habe ich dann zu meinen Freunden gesagt, dass sie mich auch Sonja nennen können", sagt die gebürtige Moldauerin. Als Polcanova 14 Jahre alt war, zog sie für ihren sportlichen Traum nach Linz. Ihre Eltern hat sie seitdem nur mehr selten gesehen, gewohnt hat sie zunächst beim Trainer. "Natürlich war es am Anfang sehr ungewohnt. Ich sprach ja absolut kein Deutsch."

Moldauer Schule

Mit ihrer Heimat Moldau verbinde sie aber noch viel. Auch, weil sie dort eine Tischtennisschule führt. Mit zwei Kollegen hat sie vor kurzem eine alte Boxhalle renoviert. "Es gibt auch schon die ersten Erfolge. Der Staatsmeister in der Altersklasse U11 kommt bereits aus unserer Schule", sagt Polcanova. Bei der Talentschmiede handle es sich um die erste Trainingsinfrastruktur nach europäischem Standard. Von eigenen Tischtennishallen konnte sie selbst als Kind nur träumen. Trainiert habe sie in einem kleinen Keller. Licht und Wasser gab es nicht. Nachwuchstalente sollen es besser haben als sie.

Einen Glücksbringer hat die Linzerin nicht. Am ehesten würde sie dazu ihre Kopfhörer zählen. Die dürfen neben ihren zwei bis drei Schlägern in Südafrika auf keinen Fall fehlen. Hört sich nicht gerade nach viel Gepäck an. Aber: "Der Koffer wird schon trotzdem groß genug sein." Und bei der Heimkehr vielleicht ein wenig schwerer. (Laura Rieger, 20.5.2023)