Herbert Kickl im Jänner 2023 bei Armin Wolf im "ZiB 2"-Studio.

Foto: ZiB 2 Screenshot

Die Jahresanalyse von APA deFacto über die Redezeiten von Politikerinnen und Politikern in den wichtigsten ORF-Nachrichten für den STANDARD interpretieren FPÖ-Politiker als "Boykott" der Freiheitlichen durch den ORF. Armin Wolf und "ZiB 2"-Redakteur Patrick Gruska kontern auf Twitter mit Hinweisen auf Gesprächsverweigerung der FPÖ.

"'Alternative Fakten' vs. Fakten", fasste Wolf am Sonntag in einem Tweet die Diskussion zusammen. Er stellt das Titelbild eines aktuellen Youtube-Videos von FPÖ-Mediensprecher Christian Hafenecker – "Enthüllt – ORF boykottiert Kickl – Und dafür zahlen wir Zwangsgebühren" – einem Tweet seines Kollegen Gruska gegenüber.

Gruska verwies auf jeweils zweimalige Einladungen der "ZiB 2" an FPÖ-Chef Herbert Kickl, FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker und FPÖ-Budgetsprecher Hubert Fuchs innerhalb allein einer Woche, zum Thema Inflation ins Studio der "ZiB 2" zu kommen. Sie seien ebenso abgelehnt worden wie eine Interviewanfrage an FPÖ-Klubobmannstellvertreterin und Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch für einen Beitrag über die Gesetzesblockade zu Zweidrittelmaterien.

Allesamt Anfragen der letzten Woche, schrieb Gruska am 16. Mai in einer Reaktion auf einen Tweet von FPÖ-Europaabgeordnetem Harald Vilimsky, der die Redezeit der Regierung als "ORF-Skandal" kommentierte und wieder einmal die Abschaffung von Rundfunkgebühren und -beiträgen "in ganz Europa" forderte. Die Redezeit von ÖVP und Grünen in der "ZiB 1" machte laut APA deFacto 70 Prozent der Redezeit von Politikerinnen und Politikern in der Sendung im Jahr 2022 aus.

70 Prozent in Türkis und Blau

Im Jahr 2018, als ÖVP und FPÖ gemeinsam regierten, kam APA deFacto auf einen Regierungsanteil an der Redezeit in der "ZiB 1" von 70 Prozent und in der "ZiB 2" von 74 Prozent.

"In der Natur der Sache"

Matthias Schrom, der 2018 nach Dienstantritt von ÖVP und FPÖ Chefredakteur von ORF 2 wurde und 2022 wegen Chats aus dem Jahr 2019 mit dem damaligen Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zurücktrat, ordnete den hohen Regierungsanteil an den ORF-Nachrichten aus Anlass der ZiBWatch-Jahresanalyse 2020 Anfang 2021 so ein: "Wenn regierungslastig bedeuten soll, dass Regierungsvertreter und -vertreterinnen öfter zu Wort kommen und öfter kritisch hinter- und befragt werden, dann ist die Antwort sicher Ja. Das liegt allerdings in der Natur der Sache und ist kein ORF-Spezifikum, sondern ein journalistisches Spezifikum. Wer Entscheidung und Verantwortung trägt, wird in allen Medien weltweit höhere Präsenz aufweisen, weil die Aufgabe von Journalismus ist, die Verantwortlichen an ihrer Verantwortung zu messen."

Budgetfinanzierung und Abhängigkeit

FPÖ-Chef Herbert Kickl will den ORF statt der ab 2024 geplanten Haushaltsabgabe aus dem Bundesbudget finanzieren und die Mittel kürzen. Budgetfinanzierung würde nach Ansicht vieler Kommunikationswissenschafter die Abhängigkeit des ORF von der Regierung eher noch erhöhen. Die Mittel für eine Budgetfinanzierung kommen aus allgemeinen Steuern und Abgaben. (fid, 21.5.2023)