Salzburg-Trainer Matthias Jaissle war nach seinem zweiten Meistertitel durchaus motiviert, erwartete aber nicht, mit Sportdirektor und Feierfachmann Christoph Freund mithalten zu können.

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Salzburg – Christian Ilzer strebt offenbar keinen Nebenverdienst als IT-Sicherheitsberater an. Auf der Pressekonferenz nach dem 1:2 bei RB Salzburg verriet der Sturm-Trainer freimütig sein Passwort, wenn auch ohne bei Groß- und Kleinschreibung ins Detail zu gehen. Erst sei es "Meister2023", dann "Double2023" gewesen, denn: "Dieses Ziel muss dermaßen im Kopf verinnerlicht werden."

Ob Matthias Jaissle seinen Laptop mit "Titelverteidigung2023" entsperrt, ist nicht überliefert, doch selbst der schwächste Amateurpsychologe konnte am Sonntagabend analysieren: Auch er hatte sein Ziel verinnerlicht. Die Genugtuung war beim frischgebackenen Meistertrainer offensichtlich, auch ein bisschen Erleichterung war in dem biergeduschten Gesicht zu lesen. "Es war eine brutale Saison", sagte Jaissle, doch auch deshalb fühle sich der Titel "noch geiler an als letztes Jahr". Der Schnitt von 2,43 Punkten pro Spiel ist in den letzten zehn Meisterschaften der drittbeste, was auch angesichts des gestiegenen Niveaus der Konkurrenz Respekt verdient. Die einzige Liga-Niederlage datiert vom 30. Juli, in der zweiten Runde schoss noch Rasmus Höjlund Sturm zu einem 2:1-Sieg.

"Haben Charakter gezeigt"

Auch mehrere Spieler äußerten Dankbarkeit für das bis zur drittletzten Runde spannende Titelrennen, exemplarisch sagte Philipp Köhn: "Dieses Jahr war es einfach geil, eine Challenge in der Liga zu haben." Das Entscheidungsmatch vor 17.218 Zuschauern war nicht nur in Ilzers Augen ein Spiegelbild der Saison: Sturm hielt mit, landete einen Wirkungstreffer – und am Ende setzte sich Salzburgs Qualität durch. "Heute haben wir nicht besser Fußball gespielt, aber wir haben Charakter gezeigt", sagte Innenverteidiger Strahinja Pavlovic. "Es war eine harte Saison, und wir hatten viel Pech."

Damit sprach der Serbe auch die zahllosen Verletzungen an, die dem Meister heuer zu schaffen machten. Leistungsträger wie Fernando, Noah Okafor oder Luka Sučić fielen langfristig aus, der im Winter per Leihe aus Frankfurt zurückgeholte Jérôme Onguéné spielte keine einzige Partie. Jaissle sprach darüber hinaus von "vielen Widrigkeiten" und "Steinen, die wir in den Weg bekommen haben", wollte das auf STANDARD-Nachfrage aber nicht präzisieren.

Konaté als Sinnbild

Zumindest was den Stein der Verletzten betrifft, hat Salzburg mit seinem unerschöpflichen Kader samt Liefering-Reserve das beste Wegräumwerkzeug. Der Schütze des entscheidenden Tores war das beste Beispiel dafür. Karim Konaté wurde gegen Sturm trotz zweier verletzter Positionskollegen erst spät eingewechselt und fabrizierte ein Goal, das manch Einserstürmer in der Bundesliga nicht zustande brächte. In 32 Spielen für RBS, Liefering und das Youth-League-Team traf Konaté 23-mal, im Schnitt ließ er es alle 91 Minuten klingeln. Nicht schlecht für eine Nummer fünf.

Mag sein, dass man kommende Saison mehr vom talentierten Vollblutstürmer sehen wird. "Ich freue mich auf die nächste Saison mit Karim. Er ist ein absoluter Goalgetter, mit dem wir noch viel Freude haben werden", sagte Sportdirektor Christoph Freund, der dem 19-Jährigen vor der Partie Einwechslung und Siegestor prophezeit hatte.

Die Trainerfrage

Personelle Umbrüche sind in Salzburg sommerliche Tradition, das größte Fragezeichen ist heuer der Trainer. Laut Freund ist der "Plan, dass wir mit ihm in die neue Saison gehen". Jaissle ließ sich auch mit der hundertsten Version der Zukunftsfrage keine Tendenz abringen, sagte immerhin: "Ich schätze sehr, was mir der Verein hier gegeben hat." Ein Wechsel wird auch von seinen Optionen abhängen. Gespräche mit Eintracht Frankfurt soll es gegeben haben, dort ist laut der gewöhnlich gut informierten "Bild" aber Dino Toppmöller die erste Wahl. Sollte Jaissle gehen, dürfte der kürzlich bei RB New York entlassene Gerhard Struber die besten Nachfolgechancen haben.

Unter den Leistungsträgern gelten Oumar Solet (Inter Mailand), Okafor (halb Europa, allerdings vor der letzten Verletzung) und Amar Dedić (Brighton und Barcelona) als umworben. Die hartnäckigen Gerüchte über eine Heimkehr des aus Salzburg stammenden LASK-Goalies Alexander Schlager deuten darauf hin, dass es auch für Köhn Interessenten gibt. Freund betonte, man müsse bei Ab- und Zugängen die "Balance" wahren. Auch die Konkurrenz schläft bekanntlich nicht, Ilzer dachte bereits an die nächste Saison und sah einen "nahrhaften Boden für Weiterentwicklung". Sollte jemand den Laptop des Sturm-Trainers finden, man könnte das Passwort "Meister2024" probieren. (Martin Schauhuber, 22.5.2023)