Das von vielen Fachleuten bereits Anthropozän titulierte Zeitalter des Menschen ist geprägt von Umweltzerstörung und Artenvernichtung. Das sechste große Massenaussterben der Erdgeschichte beschleunigt sich sogar. Die Rate, mit der neue Arten entdeckt werden, kann mit dem Massenaussterben mittlerweile kaum mithalten. Dementsprechend sind viele der nun vorgestellten neuen Arten aus der südostasiatischen Mekongregion bereits vom Aussterben bedroht: Die Umweltstiftung World Wide Fund for Nature (WWF) hat zum Internationalen Tages der Artenvielfalt die Bilanz von zwei Jahren Forschung im Mekon-Einzugsgebiet vorgestellt: 380 bisher unbekannte Tier- und Pflanzenarten wurden dabei entdeckt.

Die in Kambodscha beheimatete Blaukamm-Agame (Calotes goetzi) wechselt zur Verteidigung ihre Farbe.
Foto: Henrik Bringsoe/WWF

Demnach haben hunderte Wissenschafter unterschiedlicher Forschungsinstitute zwischen 2021 und 2022 in Kambodscha, Laos, Myanmar, Thailand und Vietnam 209 Pflanzen, 19 Fische, 24 Amphibien, 46 Reptilien und ein Säugetier aufgespürt. Die neuen Entdeckungen zeigten, dass die Region immer noch "ein fruchtbarer Boden für wissenschaftliche Erkundungen und ein Hotspot der Artenvielfalt ist". Jedoch machten sie auch dramatisch klar, wie viel durch die zunehmende Zerstörung der Lebensräume auf dem Spiel stehe, so der WWF.

Der Baumfrosch Theloderma khoii wird dank seiner moosähnlichen Haut auf bewachsenen Zweigen praktisch unsichtbar.
Foto: Nguyen Thien/TAO Viet Nam

Blaue Köpfe und Mäuseohren

Zu den entdeckten Arten zählen die Blaukamm-Agame (Calotes goetzi) aus Kambodscha, die zur Verteidigung ihre Farbe wechselt, sowie eine Froschart (Theloderma khoii) aus dem Norden Vietnams, die sich mit einer moosähnlichen Hautstruktur tarnt. Zudem konnte eine äußerst giftige Schlange (Bungarus suzhenae) dokumentiert werden, die nach einer Schlangengöttin aus einer chinesischen Legende benannt wurde.

Auch unter den neu entdeckten Arten: der kambodschanische Phnom-Kulen-Gecko Cyrtodactylus kulenensis.
Foto: Peter Geissler/Cambodia

Einziges Säugetier auf der Liste ist eine Mausohrfledermaus (Myotis Hayesi) aus Kambodscha. Dafür wurden umso mehr wunderschöne Blumen entdeckt, wie die leuchtend rosa-gelbe Miniorchidee Dendrobium fuscifaucium (Laos) sowie neue Arten von Begonien und Rhododendren.

Der nur 20 Millimeter große orangerot gestreifte Chamäleonfisch Dario tigris kommt nur in einigen
Ayeyarwady-Gebirgsbächen in Myanmar vor.
Foto: Thadoe Wai/WWF-Myanmar

Seit 1997 seien rund um den mächtigen Fluss Mekong damit bereits 3.389 zuvor unbekannte Pflanzen, Fische, Amphibien, Reptilien, Vögel und Säugetiere dokumentiert worden, teilte der WWF Deutschland mit. Dabei würden modernste Technologien helfen, etwa Bioakustikmethoden zur Analyse der von Tieren erzeugten Geräusche oder Fortschritte bei der genetischen Sequenzierung, heißt es in dem Bericht.

Dendrobium fuscifauicum ist eine winzige Orchideenart aus Laos, die bisher nur in einem Herbarium entdeckt wurde.
Foto: Keooudone Souvannakhoummane/Viet Nam

Ausgelöscht vor der Entdeckung

"In der Mekongregion gibt es vermutlich noch unzählige Arten, die die Wissenschaft nicht kennt. Es könnten Tier- und Pflanzenarten für immer ausgelöscht werden, bevor wir überhaupt von deren Existenz erfahren", warnte Stefan Ziegler vom WWF Deutschland. Unter anderem stellen riesige Wasserkraftwerke und massive Wilderei eine Bedrohung dar. Ziel müsse es sein, die biologisch wertvollen Gebiete am Mekong grenzüberschreitend und dauerhaft zu schützen, betonte Ziegler. (red, APA, 22.5.2023)