Wenn ein Baby da ist, müssen viele Fristen und bürokratische Vorgaben eingehalten werden, um Kinderbetreuungsgeld voll beziehen zu können.

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Volksanwaltschaft und Arbeiterkammer sind mit vielen Anfragen und Beschwerden bezüglich des Kinderbetreuungsgelds konfrontiert. Allein bei der Arbeiterkammer gab es voriges Jahr rund 15.000 Anfragen zum Thema, sagte die Präsidentin der Arbeiterkammer Wien, Renate Anderl, am Montag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Volksanwalt Bernhard Achitz. Beide sehen familienfeindliche Hürden, die es zu beseitigen gelte, und richteten dabei ihre Appelle an Familienministerin Susanne Raab (ÖVP). Kritik am Ministerium kommt auch vonseiten der Versicherungsträger, die für die Abwicklung des Kinderbetreuungsgelds zuständig sind.

Bei einer Online-Befragung der Arbeiterkammer gaben 60 Prozent der Teilnehmenden an, mit dem Kinderbetreuungsgeld gar nicht bis eher nicht zufrieden zu sein. Der meistgenannte Kritikpunkt (62 Prozent) war, dass die Regelungen zu kompliziert seien. Außerdem ärgert sich mehr als die Hälfte über die Zuverdienstregelungen, und 45 Prozent beurteilen das Antragsformular als zu kompliziert.

Monatelanges Warten

Oft würden sich Betroffene melden, die monatelang auf eine Entscheidung über ihren Antrag auf Kinderbetreuungsgeld warten, hieß es bei der Pressekonferenz. Fallweise würden Anträge verlorengehen. Oder es sei Kinderbetreuungsgeld zurückzuzahlen, weil Kinderärztinnen oder Kinderärzte einen Formalfehler im Mutter-Kind-Pass gemacht hätten (z. B. weil sie ein Feld nicht angekreuzt haben, es sei aber ersichtlich, dass das Kind untersucht worden ist).

Arbeiterkammer und Volksanwaltschaft fordern weiters eine Vereinfachung des Nachweises der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen. Denn oft kämen auch Fälle vor, bei denen Eltern zwar rechtzeitig alle Untersuchungstermine absolviert hätten, die Nachweise darüber aber nicht fristgerecht eingereicht hätten und dann zur Rückzahlung des Geldes aufgefordert worden seien.

Achitz sieht EU-Rechtsbrüche

Besondere bürokratische Hürden stehen oft auch Paaren im Weg, die ein Kind bekommen, während ein Elternteil im EU-Ausland weilt. Laut Volksanwalt Achitz müsste die österreichische Behörde Kontakt mit der Behörde des jeweiligen EU-Lands aufnehmen und nicht die Eltern selbst dafür zuständig erklärt werden, abzuklären, wo sie Unterstützungsgeld beziehen können. So werde es aber gehandhabt und das sei EU-rechtswidrig, sagte Achitz. Es werde demnach seit 2017 in einer internen Weisung des Familienministeriums so verfügt, dass die Krankenversicherungsträger nicht mit ausländischen Behörden direkt Kontakt aufnehmen sollen, teilte Achitz mit, der eine Kopie des Deckblatts und eines Auszugs der Weisung mitgebracht hatte, in dem dezidiert an die Krankenversicherungsträger appelliert wird, nicht direkt in Kontakt mit ausländischen Behörden zu treten. "Die KVT (die Krankenversicherungsträger; sie sind in Österreich für die Abwicklung des Kinderbetreuungsgelds zuständig, Anm.) sind nicht die Vertreter der Eltern!", steht da in einer Anmerkung.

Achitz schilderte einen Fall, bei dem der Vater in der Niederlande arbeitete und Mutter und Kind in Österreich lebten – und diese inzwischen in dritter Instanz darum streiten müssten, ob in Österreich Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld besteht. Zwei Instanzen entschieden bereits für den Bezug in Österreich, aber die Behörde habe erneut Einspruch gelegt. Das Kind ist mittlerweile acht Jahre alt.

Raab will intern prüfen

Auch ein Härtefall, bei dem der Vater des Babys verstorben ist, während die Mutter in Karenz war, kam bei der Pressekonferenz am Montag zur Sprache: So ist zwar vorgesehen, dass im Fall des Ablebens des Vaters oder der Mutter der verbleibende Elternteil Geld, das eigentlich dem anderen Elternteil zugesprochen wurde, bis zu 91 Tage beziehen kann. Das geht auch bei anderen driftigen Verhinderungsgründen, etwa wenn die Person inzwischen in Haft ist. Beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld ist dies aber nicht der Fall. Ministerin Raab soll nach medialen Berichten eine Prüfung dieses Härtefalls angekündigt haben. Wie weit diese ist, konnte am Montag im Büro der Ministerin aber nicht eruiert werden. Auf Fragen zu dem gesamten Thema wurde mit dem Hinweis, das Familienministerium schaue sich das intern an, nicht weiter eingegangen.

Kassenkritik an Vorgaben

Der Vizeobmann und Arbeitnehmervertreter in der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), Andreas Huss, übte Kritik am Familienministerium bzw. an dessen Weisungen für die Krankenversicherungsträger, die den Vollzug des Kinderbetreuungsgelds administrieren. Der Weisungskatalog gebe eine sehr strenge und wenig soziale Rechtsanwendung vor und verbiete den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Österreichischen Gesundheitskasse die proaktive und versichertenfreundliche Beratung der Versicherten, teilte er in einer Aussendung mit.

"Unter den derzeitigen Rahmenbedingungen ist es für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht möglich, eine kundenfreundliche Beratung anzubieten", beklagte Huss. Es gebe mittlerweile sogar Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft aus dem Familienministerium gegen ÖGK-Beschäftigte, die versichertenorientiert entscheiden wollten. (Gudrun Springer, 22.5.2023)